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Heinrich August Winkler erhält Leipziger Buchpreis

16. März 2016

Seit Jahrzehnten zählt er zu den renommiertesten Historikern Deutschlands. Jetzt erhält Heinrich August Winkler auf der Leipziger Buchmesse auch literarische Anerkennung - für seine "Geschichte des Westens".

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Bundestag Gedenkstunde zum Ende des Zweiten Weltkriegs Rede Winkler
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Seine vierbändige "Geschichte des Westens" zählt zu einem der umfassendsten Werke der jüngeren Geschichtsschreibung. Nun erhält Heinrich August Winkler für sein Mammutwerk eine der wichtigsten Literaturauszeichnungen in Deutschland, den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. "Mit seiner souveränen Kunst, Analyse und Erzählung zu verbinden und die Vielfalt der Aspekte in eine überzeugende Synthese zu integrieren, leistet er einem breiten, historisch interessierten Publikum wertvolle Orientierungshilfe", so die Jury.

Überreicht wurde Winkler der mit 20.000 Euro dotierte Preis bei der Eröffnung der Leipziger Buchmesse am Mittwochabend (16.03.2016). Die Laudatio hielt der Historiker, Publizist und Schriftsteller Volker Ullrich (u.a. "Adolf Hitler", 2013, bei S. Fischer erschienen). Winkler beherrsche sie Kunst, präzise
Analyse und anschauliche Erzählung zu verbinden wie kaum ein zweiter deutscher Historiker", sagte er. In seiner Dankesrede mahnte der 77-jährige Winkler eine "nachhaltige Asylpolitik" an. Sie müsse nicht nur die Grenzen der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit beachten, sondern auch den politischen Rückhalt in der Bevölkerung behalten.

Erst im vergangenen Jahr hatte Heinrich August Winkler den letzten Band der Reihe "Die Zeit der Gegenwart" abgeschlossen. Diesem voraus gingen die Bände "Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert", "Die Zeit der Weltkriege. 1914 - 1045" und "Vom Kalten Krieg zum Mauerfall".

Winklers Leitgedanke ist dabei, die Ideen der Amerikanischen und Französischen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts auf ihre Vorgeschichte und ihre Umsetzung in der Folge zu prüfen - mitsamt ihren Forderungen nach Gewaltenteilung, Rechtsstaat, demokratischer Kontrolle und Verwirklichung der Menschenrechte.

Vom Westen in die Welt

Wurde dem ersten und zweiten Band teilweise noch vorgeworfen, den Blick zu sehr auf Westeuropa zu beschränken, blicken Band drei und vier weit globaler auf die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Winkler zeichnet darin nicht allein die Entwicklung nach, die die westlichen Staaten USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und die Bundesrepublik Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkriegs genommen haben; er zeigt auch auf, was zeitgleich in den Staaten des Ostblocks, in der Sowjetunion und China passiert. Der Kalte Krieg erscheint bei ihm nicht allein als Machtspiel zwischen den USA und der Sowjetunion und spielt keineswegs allein am berühmten Schauplatz Berlin. Winkler widmet sich den Auswirkungen in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika.

In seinem letzten Band endet Winkler in der Gegenwart. Er schreibt über islamistischem Terror, eine neoimperialen Großmachtpolitik Russlands, den Aufstieg der Volksrepublik China zur Weltmacht und dem wachsenden Gewicht von "global players" wie Indien und Brasilien.

Heinrich August Winkler wurde 1938 in Königsberg (heute Kaliningrad, Russland) geboren. Von 1991 bis zu seiner Emeritierung 2007 lehrte er an der Humboldt-Universität in Berlin.

Buchcover "Geschichte des Westens. Die Zeit der Gegenwart" von Heinrich August Winkler (Foto: C.H. Beck)
Bild: C.H. Beck

Die Lehre der deutschen Geschichte

Am 8. Mai 2015 hielt er im Bundestag die zentrale Gedenkrede zum 70. Jahrestag des Kriegsendes. Darin warnte er vor Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Winkler sagte, jüngste Ausbrüche von Hetze und Gewalt seien eine Mahnung, "die eigentliche Lehre der deutschen Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 zu beherzigen: die Verpflichtung, unter allen Umständen die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen zu achten." Er erinnerte daran, dass der historische Irrweg Deutschlands nicht erst mit der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 begonnen habe. Große Teile der Gesellschaft hätten bereits das parlamentarische System der Weimarer Republik als "undeutsches System" abgelehnt.

Aus den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs ergebe sich, so Winkler im Mai dieses Jahres, auch eine besondere Verpflichtung zur Solidarität mit den von Deutschland überfallenen Ländern. Nach dem Hitler-Stalin-Pakt dürften etwa Polen und die baltischen Staaten nie wieder durch Entscheidungen zwischen Berlin und Moskau aufgerieben werden. Durch die russische Annexion der Krim werde die europäische Friedensordnung "radikal infrage gestellt".

Im August 2014 hatte Winkler bereits den "Europapreis für politische Kultur" erhalten - ebenfalls für die "Geschichte des Westens".

Der Leipziger Buchpreis wird seit 1994 jährlich zur Eröffnung der Buchmesse verliehen. Im vergangenen Jahr war der rumänische Autor Mircea Cărtărescu ausgezeichnet worden. Auch Historiker waren in der Vergangenheit schon unter den Preisträgern - wie der Brite Ian Kershaw.

sh/suc (dpa, Leipziger Buchmesse)