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Euro-Krise: Nach Wulff meldet sich Kohl zu Wort

25. August 2011

Bundespräsident Wulff nimmt sich das Finanzgebaren der EZB vor, auch Ex-Kanzler Kohl macht sich Sorgen um den Euro: Ihre auch an Angela Merkel gerichtete Kritik könnte der Kanzlerin am Ende vielleicht sogar nützen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: AP)
Schwer unter Druck: Angela MerkelBild: AP

Wenn das Staatsoberhaupt einer wichtigen Wirtschaftsnation wie Deutschland in Anwesenheit zahlreicher Wirtschafts-Nobelpreisträger den massiven Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) rügt, ist ihm die politische und publizistische Aufmerksamkeit sicher. Rund 110 Milliarden Euro hat die EZB inzwischen ausgegeben, um die von der Euro-Krise besonders stark betroffenen Länder vor der Pleite zu retten: Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien profitieren von dieser umstrittenen Praxis, die von manchen Experten als Verstoß gegen europäisches Recht angesehen wird.

Die mahnenden Worte des deutschen Präsidenten dürften den höchsten europäischen Währungshütern noch eine Weile in den Ohren klingeln: "Ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für politisch und rechtlich bedenklich", hatte Wulff moniert. Das könne und werde auf Dauer nicht gut gehen und könne allenfalls übergangsweise toleriert werden.

Wulffs Kritik ist nicht neu

Bundespräsident Christian Wulff (Foto: dpa)
Bundespräsident Christian WulffBild: picture-alliance/dpa

Im Februar 2011 war das deutsche Staatsoberhaupt noch weiter gegangen. Nach einem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen Giorgio Napolitano in Berlin sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, entscheidend für die Stabilisierung der Euro-Zone sei ein dauerhaft tragfähiger Mechanismus "zum Verbot des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EZB". Wulffs unmissverständlicher Appell löste damals so gut wie keine öffentliche Reaktion aus.

Ähnlich verhielt es sich einen Monat später, als er auf dem Deutschen Bankentag die anwesenden Manager der Finanz-Branche an ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung erinnerte. Vieles sei an vielen Stellen falsch gemacht worden. Das betreffe auch jene Banken, die vermeintlich gut durch die Finanzkrise gekommen, aber natürlich Nutznießer der staatlichen Rettungsschirme gewesen seien. Und das bis heute. Ausdrücklich kritisierte Wulff in diesem Zusammenhang auch die Aufsichtsbehörden, Notenbanken und die Politik. Schon zu diesem Zeitpunkt, im Frühjahr 2011, durfte sich die Bundesregierung mit Angela Merkel an der Spitze vom Staatsoberhaupt angesprochen fühlen.

"Hinweise des Bundespräsidenten ernst nehmen"

Der Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, teilt die Bedenken Wulffs und stellt sich mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber der geplanten finanziellen Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes offen gegen seine Partei-Freundin und Kanzlerin. "Die Hinweise des Bundespräsidenten sollten wir ernst nehmen, das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit", sagte Bosbach. Er zweifle nicht daran, dass die Pläne geeignet seien, Zeit zu gewinnen. Nur habe er erhebliche Zweifel, "dass sie das Problem auf Dauer lösen".

Wolfgang Bosbach während einer Presse-Konferenz (Foto: dpa)
Auf Wolfgang Bosbach kann Angela Merkel in der Euro-Krise nicht bauenBild: picture-alliance/ dpa

Bosbachs Sätze hätten aus der Rede des Bundespräsidenten vor Wirtschafts-Nobelpreisträgern stammen können. Bei Wulff, dem früheren CDU-Ministerpräsidenten Niedersachsens, klang die Kritik ähnlich. "Mich stimmt nachdenklich, wenn erst im allerletzten Moment Regierungen Bereitschaft zeigen, Besitzstände und Privilegien aufzugeben und notwendige Reformen einzuleiten", hatte der Präsident vor Wirtschafts-Nobelpreisträgern gesagt.

Keine Unterstützung für Merkel vom einstigen Förderer

Dass sich die Kanzlerin von einigen einflussreichen Männern in den eigenen Reihen und vom deutschen Staatsoberhaupt wenig Unterstützung für ihren Kurs in der Euro-Krise erhoffen darf, scheint offensichtlich zu sein. Als kaum hilfreich wird Angela Merkel auch die Einlassungen ihres politischen Ziehvaters Helmut Kohl empfinden. Der von 1982 bis 1998 amtierende Bundeskanzler und überzeugte Europäer äußerte sich in einem Interview mit der Fachzeitschrift "Internationale Politik".

Im Zusammenhang mit der Euro-Krise sagte Kohl, je komplexer die Welt sei, desto wichtiger sei es, dass die Entscheidungsträger ihre Verantwortung wahrnähmen und Führung zeigten. Zwar wird die Kanzlerin in dem Kohl-Interview namentlich nicht genannt, ist aber erkennbar auch gemeint. Entsprechend titelte die von einem Millionen-Publikum, einschließlich Politikern gelesene "Bild"-Zeitung: "Dramatischer Appell an Merkel!"

"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen"

Helmut Kohl (Foto: AP)
Altkanzler Helmut KohlBild: AP

Das Thema war einen Tag nach der Kritik des Bundespräsidenten an der Europäischen Zentralbank der Aufmacher des Boulevard-Blattes. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen", wird der Ex-Kanzler auf der Titel-Seite zitiert. Tags zuvor hatte Christian Wulff gesagt, wer heute die Folgen geplatzter Spekulationsblasen und jahrzehntelanger Misswirtschaft nur mit Geld und Garantien zu mildern versuche, "verschiebt die Lasten zur jungen Generation und erschwert ihr die Zukunft".

So sehr die Kanzlerin in der Euro-Krise zur Zeit auch unter politischem und medialem Druck steht, die fast zeitgleiche Kritik des deutschen Staatsoberhauptes an der EZB und ihres Amtsvorgängers an der Europa-Politik insgesamt könnte ihr am Ende vielleicht sogar nützen. Das jedenfalls meint der Parteien-Forscher und Merkel-Biograf Gerd Langguth. "Beim Euro lässt Wulff präsidialen Dampf ab. Das kann die Kanzlerin als an den Gipfel-Verhandlungen Beteiligte so nicht", sagte Langguth der "Passauer Neuen Presse". Was Merkel selbst von den Wort-Meldungen hält, bleibt Spekulation. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte lediglich: "Die Bundeskanzlerin äußert sich nicht zur EZB und nicht zum Bundespräsidenten."

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Michael Borgers