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Hellenen im siebten Himmel

Wim Abbink5. Juli 2004

Die Sensation ist perfekt. Mit Griechenland wurde ein absoluter Außenseiter Fußball-Europameister. Im Endspiel in Lissabon besiegten die "Götter" von Trainer Otto Rehhagel die favorisierten Gastgeber aus Portugal 1:0.

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Der Lohn für die SensationBild: AP

Auf den Tag genau 50 Jahre nach dem "Wunder von Bern" hat Otto Rehhagel mit Griechenland die größte Sensation der Europameisterschafts-Geschichte vollbracht. Durch ein Tor des Bremer Bundesliga-Legionärs Angelos Charisteas in der 57. Minute setzte sich die hellenische Sensations-Mannschaft am Sonntagabend in Lissabon im EM-Endspiel überraschend 1:0 gegen den favorisierten Gastgeber Portugal durch. 15.000 begeisterte Fans unter den nahezu 63.000 Zuschauern im ausverkauften Estadio da Luz feierten den ersten Titelgewinn ihrer Lieblinge bei einem Top-Turnier enthusiastisch und ließen "König Otto", der auch als Teamchef der deutschen Nationalmannschaft im Gespräch ist, mit lautstarken "Rehhagel-Rufen" hochleben.

Trotz ihrer nicht unumstrittenen Spielweise haben sich die Griechen den Titel allemal verdient: Im Eröffnungsspiel hatten die Hellenen Portugal schon einmal geschlagen (2:1) und warfen danach mit Frankreich den Titelverteidiger (1:0) sowie mit Tschechien (1:0 n.V.) einen weiteren Favoriten aus dem Turnier. In der Heimat lösten die neuen "Götter" Griechenlands damit eineinhalb Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Athen eine Euphorie von bislang unbekannten Ausmaßen aus.

Mit Kontern gegen Kombinationsspiel

Auch Rehhagel persönlich gelang Historisches: Als erster Ausländer und ältester Trainer in einem EM-Finale führte der frühere Meister-Macher von Werder Bremen und des 1. FC Kaiserslautern eine Nationalmannschaft zum Titel. Gleiches hätte auch für Portugals Coach Luiz Felipe Scolari gegolten, doch auch dem Brasilianer Scolari erlag dem "Fluch des Gastgebers": Seit dem ersten EM-Triumph der Franzosen 1984 ist es keinem Gastgeber mehr gelungen, Europameister zu werden.

Die nahezu 63.000 Zuschauer im Estadio Da Luz, darunter zahlreiche Prominenz aus Politik, Sport und Showbusiness, erlebten zunächst eine Begegnung wie von den Experten vorhergesagt. Rehhagels Mannschaft agierte aus einer verstärkten Abwehr und versuchte, mit Kontern zum Erfolg zu kommen. Die Portugiesen dagegen wählten die Strategie, mit der sie erstmals das EM-Endspiel erreicht hatten. Mit technisch versiertem Kombinationsspiel suchte das Team von Scolari stets den Weg nach vorne. Allerdings versuchten die Griechen, das Aufbauspiel der "Seleccao" frühzeitig zu stören, was bis zum Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Markus Merk aus Kaiserslautern größtenteils auch gelang.

Euro 2004 Greichenland Finalsieger Europameister 2004
Bild: AP

Völlig überraschender Treffer

Nach der Pause verstärkten die Gastgeber ihre Angriffsbemühungen. Allerdings gelang es den Griechen weiterhin hervorragend, die Passwege zu blockieren und vor allem Kapitän Luis Figo aus dem Spiel zu halten. Scolari reagierte auf die trostlose Darbietung seines Teams und brachte in Rui Costa einen neuen Ideengeber und später mit Nuno Gomez auch noch einen weiteren torgefährlichen Stürmer in die Begegnung. Völlig überraschend kam Rehhagels Mannschaft in der Drangphase der Hausherren zum Führungstreffer. Nach einem Eckball von Basinas stieg einmal mehr Charisteas höher als Freund und Feind und köpfte den Ball aus rund sechs Metern zum 1:0 für den Außenseiter ins Netz.

Euro 2004 Griechenland Niederlande Angelos Charisteas
Matchwinner Angelos Charisteas von Werder BremenBild: AP

Portugal rannte nach dem Rückstand mit dem Mute der Verzweiflung gegen das griechische Abwehr-Bollwerk an. Doch die immer zahlreicheren Flanken konnten die kopfballstarken Abwehrspieler bei den Hellenen nicht in Verlegenheit bringen. Der einzige, der im griechischen Tor landete, war ein Fan, der an allen Sicherheitskräften vorbei auf das Spielfeld lief, mit einer Fahne des FC Barcelona nach Real Madrids Star Figo schlug und schließlich mit einem gewaltigen Satz ins Netz des griechischen Tores sprang. Erst danach konnten Ordner und Polizei den Störenfried abführen.

"Griechenland brennt und bebt"

Beste Spieler im Team des neuen Europameisters waren Basinas, der in der Defensive wie in der Offensive überzeugte und immer wieder kluge Pässe spielte, sowie Seitaridis und der stets gefährliche und laufstarke Torschütze Charisteas. In Portugals Mannschaft waren Deco, der in der Spielgestaltung allerdings weitgehend auf sich allein gestellt war, sowie Maniche als weiterer Ankurbler des Angriffsspiels die stärksten Akteure.

Euro2004 Finalspiel Griechenland - Portugal Antonios Nikopolidis
Rückhalt: der griechische Torhüter Antonios NikopolidisBild: AP

Athen und ganz Griechenland sind Sekunden nach dem Abpfiff des Europameisterschafts-Finales mit dem sensationellen 1:0-Sieg von Otto Rehhagels Team über Portugal in einen Freudentaumel gesunken. "Die Hauptstadt und das Land brennen und beben", berichtete der griechische Rundfunk. Überall in Athen stiegen Leuchtkugeln in den Himmel. Hunderttausende Menschen stürzten jubelnd auf die Straßen.

Die Aufstellungen:

Portugal: Ricardo - Miguel (43. Ferriera), Andrade, Carvalho, Valente - Costina (60. Rui Costa), Maniche - Ronaldo, Deco, Figo - Pauleta (74. Nuno Gomes)

Griechenland: Nikopolidis - Seitaridis, Kapsis, Dellas, Fyssas - Zagorakis, Katsouranis, Basinas - Giannakopoulos (76. Venetidis), Charisteas - Vryzas (81. Papadopoulos)

Schiedsrichter: Markus Merk (Deutschland)