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Herkulesarbeit für die Demokratie - Wahlvorbereitung und Bürgerkunde im Kongo

Alexander Göbel 30. Juli 2006

Am Sonntag (30.7.2006) sind mehr als 25 Millionen Kongolesen aufgerufen, einen Präsidenten und ein Parlament zu wählen. Wahlzettel und Wahlurnen stehen bereit, aber wie steht es um die Vorbereitung der Wähler?

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Letzte Vorbereitungen vor den Wahlen am SonntagBild: AP

Im Hauptquartier der Unabhängigen Wahlkommission C.E.I. werden die wohl kompliziertesten und, mit fast einer halben Milliarde US-Dollar, auch teuersten Wahlen der Geschichte organisiert. Am kommenden Sonntag geben die Wähler ihre Stimme sowohl für einen der 33 Präsidentschaftskandidaten ab, als auch für einen der insgesamt über 9000 Bewerber um einen der 500 Sitze im Parlament. Gerade dieser zweite Teil der Abstimmung ist heikel, denn in manchen Wahlkreisen kandidieren mehrere hundert Personen. Das bedeutet seitenlange, tapetenähnliche Wahlzettel mit vielen Kandidatenfotos.

Kein Überblick im Kandidatendschungel

Wer die Wahl hat, hat also auch die Qual im Kongo. Aber, so erklärt Gratien Kitambala aus der Informationsabteilung der CEI, darauf sei man bestens vorbereitet. Die Wahlzettel für die Legislative umfassen wegen der mehr als 600 Bewerber fünf Seiten. "Deshalb mussten wir den Wählern genau sagen, wie sie ihre Kandidaten auf dieser langen Liste wieder finden", sagt Kitambala. Die Wahlkommission habe den Bewerbern geraten, in ihrem Wahlkampf auf allen Spruchbändern und ähnlichem ihre Registriernummer nicht zu vergessen. Dann können die Wähler die Kandidaten schneller auf dem Wahlzettel wieder finden, ansonsten würde das den ganzen Tag dauern.

Wahlkampf im Kongo
Wahlen in einem Land so groß wie Westeuropa - ein logistischer AlptraumBild: AP

Tatsächlich sind auf vielen der unzähligen Wahlplakate in Kinshasas Innenstadt auch die Nummern der Kandidaten zu erkennen - die Frage ist nur, ob sie sich jemand merken kann. Gratien winkt ab und verweist auf die Wählersensibilisierung der Wahlkommission. Dazu gehört auch ein tischgroßes Poster, das demonstriert, wie man eine gültige Stimme abgibt - und wie nicht.

Es wird erklärt, wann ein Wahlzettel ungültig ist, zum Beispiel wenn der Wähler gar kein Kreuzchen gemacht habe. Beim nächsten Beispiel hat er sein Kreuzchen so gemacht, dass es nicht eindeutig einem Kandidaten zugeschrieben werden kann. In einem anderen Fall hat er es zwar richtig gemacht, aber ein Teil des Wahlzettels ist abgerissen, die Stimme zählt nicht. "Damit das alles nicht passiert, haben wir sogar Fernsehspots geschaltet und klargemacht, was man wie machen muss, damit man auch den Kandidaten wählen kann, den man auch wählen will", sagt Kitambala.

Wähler können oft nicht lesen

Die Theorie ist das eine, die Wirklichkeit sieht anders aus: Was sind die Wahlzettel der Wahlkommission wert, wenn sie niemand lesen kann? Wenn die Wähler einfach keine Chance hatten, sich ein unabhängiges Bild von den Kandidaten zu machen? Darauf habe die Wahlkommission keine Antwort, klagt Bruno Mupinganayi, Professor an der Universität von Kinshasa: "Während Millionen und Abermillionen ausgegeben wurden, hat die Arbeit an der Basis für die Geldgeber dieser Wahl keine Rolle gespielt. Die Bürgerkunde wurde in der ganzen Zeit völlig vernachlässigt."

UN im Kongo
Bei allem militärischen Schutz die Basis vernachlässigtBild: AP

Bruno Mupinganayi ist nicht nur Universitäts-Professor, sondern auch Generalsekretär einer kleinen Nichtregierungsorganisation, die in den ärmsten Vororten der Hauptstadt da weitermacht, wo die Wahlkommission aufhört: bei der Bürgerkunde ganz unten.

Wähler lernen wählen

Das Dorf Mbanza-Lemba im Distrikt Mont-Amba. Hier gibt es weder Wasser, noch Strom, der Müll reicht manchmal bis zu den Knien. Die meisten Bewohner hier sind Witwen und ihre Kinder, lesen und schreiben kann kaum jemand von ihnen. Umso wichtiger, dass Patience Masumbu über das Megafon die Menschen zum Wahltraining unter dem großen Baobab-Baum zusammentrommelt.

Mehr als 100 Dorfbewohner schauen zu, wie Lundu als Testwählerin das provisorische Wahllokal betritt. Vor ihr stehen zwei große Wahlurnen aus Holz. Sie zeigt ihre Wählerkarte und geht mit einem Assistenten alle Stationen durch - erst die Präsidentenwahl, dann die Wahl der Abgeordneten. Die Wahlkommission hat die Fehler beim Ausfüllen der Wahlzettel als Ausnahme beschrieben - hier werden diese Fehler zur Regel. Deshalb ist diese Art der Frontal-Aufklärung mit Händen und Füßen die einzige Chance für die Menschen, betont Bruno Mupinganayi: "Sie sehen ja, wir sind in einem sehr armen Viertel. Fast alle hier sind Analphabeten, deshalb müssen wir das hier so machen. Wir hoffen einfach darauf, dass sich die Informationen wie ein Schneeball verbreiten, und dann kann die Wahl am Sonntag ein Erfolg werden." Auch hier in Mbanza-Lemba sind die Hoffnungen auf die Wahlen riesengroß. Aber den Menschen hier ist auch klar: Wahlen kann man nicht essen.