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Herkulesaufgaben für Saakaschwili

Ute Schaeffer5. Januar 2004

Aus der Präsidentenwahl in Georgien ist der Oppositionspolitiker Michail Saakaschwili am Sonntag (4.1.) nach Wahlumfragen als Sieger hervorgegangen. Auf ihn warten große Herausforderungen, meint Ute Schaeffer.

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Georgien hat einen neuen Präsidenten. Doch die Besetzung des politischen Amtes ist nur ein erster Schritt zur Stabilisierung des Landes. Mit großer Mehrheit haben die Georgier am Sonntag (4.1.) Oppositionsführer Michail Saakaschwili zum Präsidenten gewählt. Nun wird der charismatische Redner Saakaschwili zeigen müssen, dass er auch real Politik machen kann.

Riesige Aufgaben und große Widerstände

Die Aufgaben sind riesig: Saakaschwili muss die abtrünnigen Republiken Abchasien, Südossetien und Adscharien zurückgewinnen. Er muss die Wirtschaft ans Laufen bringen und die endemische Korruption bekämpfen. Dabei hat er mit massivem politischen Gegenwind zu rechnen: Groß sind die Widerstände in den althergebrachten, durch Schewardnadses 13-jährige Regierungszeit geprägten Strukturen aus Militär und Sicherheitskräften. Groß der Widerstand in den abtrünnigen Regionen des Landes.

So haben Südossetien und die im Norden gelegene Republik Abchasien den neuen Präsidenten erst gar nicht gewählt. Sie boykottierten die Wahl. Und erneuerten gleichzeitig ihren Wunsch, der Russischen Föderation beizutreten. Deutlicher hätte die Absage an den pro-westlichen Saakaschwili und seine politischen Kampfgefährten kaum sein können.

Zwischen den USA und Russland

Doch auch die widerstreitenden Interessen der außenpolitischen Akteure begrenzen Saakaschwilis politischen Spielraum. Zu Recht äußerte der neue georgische Außenminister Thedo Dschaparidse die Befürchtung, dass es in Georgien zu Zusammenstößen zwischen den USA und Russland kommen könne. Die US-Regierung hat die Regierung in Tiflis mit mehr als einer Milliarde Dollar seit Anfang der neunziger Jahre unterstützt. Seit zwei Jahren sind rund 200 amerikanische Militärberater im Land. Und in den vergangenen Wochen hat der amerikanische Botschafter alles daran gesetzt, die autonome Republik Adscharien vom Boykott der Präsidentschaftswahl abzubringen - mit Erfolg.

Russland sieht das amerikanische Engagement mit Misstrauen. Es will seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss gewahrt wissen. Und erteilte der neuen, pro-westlichen Führung in Tiflis bereits eine klare Abfuhr: So werden die russische Militärbasen in Georgien nun doch nicht bis 2004 aufgelöst, wie auf dem Istanbuler OSZE-Gipfel vor vier Jahren zwischen Moskau und Tiflis verabredet. Noch weitere elf Jahre würden diese im Land verbleiben, bekam Übergangspräsidentin Nino Burdschanadse bei ihrem Moskau-Besuch Ende des Jahres zu hören. Gleichzeitig schürt Moskau die Sezessionsbestrebungen in den abtrünnigen Republiken und schwächt damit absichtsvoll die neue politische Führung.

Im Mittelpunkt steht die Öl-Pipeline

Der Fünf-Millionen-Staat im südlichen Kaukasus droht so zum Spielball konkurrierender Interessen zu werden. In deren Mittelpunkt steht vor allem die Fertigstellung der Öl-Pipeline vom aserbaidschanischen Baku zum türkischen Ceyhan: Schon ab kommendem Jahr soll sie Öl aus dem Kaspischen Meer über Georgien ans schwarze Meer bringen. Washington hat den Bau mit Milliardenbeträgen finanziert. Dass das Geschäft wirklich klappt, daran hat allerdings auch Georgien ein vitales wirtschaftliches Interesse, denn der Betrieb würde 63 Millionen Dollar in die bankrotten georgischen Staatskassen spülen.

Außenpolitisch bleiben die Herausforderungen: Auch Saakaschwili muss den Ausgleich suchen zwischen der erklärten Westbindung des Landes - so strebt Tiflis eine vollwertige Mitgliedschaft in EU und NATO an - und pragmatischer Diplomatie gegenüber Moskau. An diesem Balanceakt ist allerdings auch Schewardnadse schon gescheitert.

Innenpolitik hängt an der Wirtschaft

Innenpolitisch wird Saakaschwili nur glaubwürdig bleiben, wenn er für wirtschaftliche Verbesserungen sorgt. Und das schnell und spürbar für die große Masse der Georgier. Schewardnadse hat sein Land zum Armenhaus verkommen lassen, während er und seine Verbündeten sich bereicherten. Das schmale Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent im vergangenen Jahr ist nicht mehr als ein Anfang. Wichtiger für die innenpolitische Stabilität wird die Frage sein: Wie viel davon kommt bei den Georgiern an?

Der Bürgerkrieg liegt in Georgien noch nicht weit zurück. Als Schewardnadse 1992 die Macht übernahm, waren die Häuser in der georgischen Hauptstadt zerschossen, bis heute leben Tausende von Abchasienflüchtlingen in einem großen Hochhaus-Hotel in der georgischen Hauptstadt. Die Gefahr, dass sich eine solche Situation wiederholen könnte, ist hoch.

Die Risken für neu gewählten Präsidenten ebenfalls - angesichts der Herkulesaufgabe, den georgischen Staat binnen kürzester Zeit politisch und wirtschaftlich völlig umzukrempeln. Das weiß auch Saakaschwili, der vor politischen Umsturzversuchen warnte. Und daran ändert die Wahl des neuen Präsidenten allein wenig.