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Osmanische Wunder

Marita Berg8. April 2013

Das neueste internationale Projekt des Bundesjugendorchesters brachte exotische Klänge und raffinierte Rhythmen. Mit dabei: der deutsch-türkische Daf-Virtuose Murat Coşkun.

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Bundesjugendorchester beim Konzert im Festspielhaus Baden-Baden (Foto: manolopress)
Bild: manolopress

Von "Begegnung der Kulturen" ist oft die Rede. Selten wurde das deutlicher als bei der umjubelten jüngsten Tournee des Bundesjugendorchesters (BJO) unter der Leitung von Howard Griffiths. Europäische, türkische und nordafrikanische Musikkulturen im gleichen Konzertprogramm offenbarten erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen Komponisten wie Ahmed Adnan Saygun und Maurice Ohana und den abendländischen Tonschöpfern Wolfgang Amadeus Mozart oder Maurice Ravel.

"Ist es nicht schön zu wissen, dass wir die nächsten 40 Jahre so tolle Musiker haben werden!" fasste Dirigent Howard Griffiths das Erlebnis einer der Konzertauftritte zusammen.

Probe beim Westdeutschen Rundfunk in Köln (Foto: Marita Berg/ DW)
"Osmanische Wunder" beim Auftritt in KölnBild: DW/M. Berg

Musikalische Botschafter

Das BJO wurde 1969 als Projekt des Deutschen Musikrats gegründet. Seitdem treffen sich dreimal jährlich rund 100 hochbegabte 14- bis 20jährige Musiker aus ganz Deutschland. Gemeinsam werden dann - auf professionellem Niveau und mit namhaften Dirigenten - Programme erarbeitet und in deutschen und internationalen Konzertsälen präsentiert. Und überall, wo die Nachwuchsmusiker auftreten, erobern sie das Publikum im Sturm.

Als "Botschafter eines Deutschlands, wie wir es gerne hätten", wie es Bundespräsident Joachim Gauck beschrieb, widmet sich das BJO verstärkt auch zeitgeschichtlichen Themen. So wurde zum 50. Jahrestag der Berliner Luftbrücke 1998 eine "Thank You America!"-Tournee mit Kurt Masur in die USA unternommen, an die der große Dirigent gerne zurückdachte: "Ich bin in meinem Leben durch die Musik mit vielen wertvollen Momenten belohnt worden, aber von all diesen Dingen, die ich in diesem Feld tue, ist nichts zufriedenstellender als die Arbeit mit talentierten jungen Menschen. Diese jungen Leute machen kein Showbusiness, sondern fühlen die Tiefe der Musik. Sie haben mich wieder jung gemacht.“

Immer wichtiger ist in den letzten Jahren das interkulturelle Engagement des BJO geworden wie bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Musikern und der erfolgreichen China-Reise im vergangenen Jahr. Die Idee zum deutsch-türkisch-arabischen Projekt "Osmanische Wunder" ist schon seit zwei Jahren in Planung, erzählte Sönke Lentz, der Projektleiter des BJO: "Mit solchen internationalen Projekten möchten wir vor allem die Herzen und die Ohren unserer jungen Musiker öffnen, den Wunsch wecken, andere Kulturen und ihre Musik kennenzulernen."

Sönke Lentz, Projektleiter des Bundesjugendorchesters (Foto: Marita Berg/ DW)
Voller Ideen: Sönke LentzBild: DW/M. Berg

Die Neugierde der Jugendlichen ist groß: "Wir merken, welch großen Spaß die Musiker entwickeln, ihnen zunächst fremd klingende Musik zu spielen", erzählte Lentz. "Und jetzt, während der deutsch-türkischen Arbeitsphase, haben sich so ganz enge Beziehungen zwischen den Kids und dem Trommelsolisten Murat Coşkun entwickelt." Das bestätigte auch die 19-jährige Alexandra, die Konzertmeisterin des BJO: “Die türkischen Rhythmen waren zwar für uns alle total neu, aber es hat einen Riesenspaß gemacht, die 9/8- oder 13/8-Rhythmen von Murat zu lernen und einfach mal die Geige wegzulegen und mit ihm zu trommeln!“

Gegenseitige Inspiration

"Der türkischen Musik hat die europäische Musikkultur so viel zu verdanken", erzählte der britische Dirigent und Orientkenner Howard Griffiths, "Allein die Percussion-Besetzung jedes Sinfonieorchesters mit Becken, Trommeln, Schellenkranz und Triangeln ist ohne türkische Inspiration kaum vorstellbar."

Howard Griffiths weiß ferner, dass es in der türkischen und der nordafrikanischen Kunstmusik noch unentdeckte Schätze zu heben gibt: "Denken Sie nur an den 'Ritual Dance' des türkischen Komponisten Ahmed Adnan Saygun. Das ist schon fast ein Mini-Bolero", erklärte Griffiths. "Oder an den marokkanisch-französischen Komponisten Maurice Ohana - sein Stil klingt wie eine nordafrikanische Version des französischen Komponisten Olivier Messiaen."

Griffiths äußerte sich auch begeistert von der Zusammenarbeit mit dem BJO: "Ich finde solche interkulturellen Begegnungen sehr bereichernd und inspirierend, und das Niveau dieser blutjungen Musiker ist wirklich spektakulär. Ihre Energie und ihr Enthusiasmus für die Musik ist ansteckend."

Portrait-Foto Howarth Griffith (Foto: Marita Berg/ DW)
Dirigent Howarth GriffithBild: DW/M. Berg

Ein Fest für Percussion-Liebhaber

Beim Kölner Auftritt Anfang April bezauberte das BJO auch mit einem Fest für Percussion-Liebhaber. Mit einer Improvisation auf der Rahmentrommel Daf leitete Murat Coşkun unmittelbar über in die türkische Rhythmen und exotischen Skalen in Ahmed Adnan Sayguns rituellem Tanz "Ayin Raksı".

Höhepunkt war aber sicherlich eine "Entführung aus dem Serail in den Bazar", an der Mozart seine Freude gehabt hätte: Mit Murat Coşkun an der Spitze zog zunächst die Rhythmus-Gruppe des BJO mit Rahmentrommeln und Tamburins auf die Bühne, unterstützt vom rhythmischen Klatschen des Publikums und des Orchesters. Scheinbar "normal" erklang dann der erste Teil der Mozart-Ouvertüre, in die sich dann aber mehr und mehr türkische Rhythmen und Melodien mischten - bevor sich aus einem Zwiegespräch zwischen Murat Coşkun auf der Rahmentrommel und Derya Türkan an der Kemençe, einer kleinen dreisaitigen türkischen Geige, der "Boléro" von Maurice Ravel entwickelte.

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