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Regionalstudien Lateinamerika

Suzanne Cords1. Januar 2013

Das Abitur bestehen und danach durch Südamerika reisen. So mancher Deutsche hat diesen Traum verwirklicht. Einige möchten ihre Faszination für den Kontinent zu ihrem Beruf machen. Doch das ist gar nicht so einfach.

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Studentin Sarah Deininger in der Bibliothek der Uni Köln(Foto: Suzanne Cords)
Bild: DW/S. Cords

Sarah Deininger sitzt im Übersetzungskurs Deutsch-Spanisch und schreibt eifrig mit. Die 27-Jährige studiert im 6. Semester Regionalwissenschaften Lateinamerika an der Universität zu Köln und hofft, bald ihren Bachelor in der Tasche zu haben. Wie so viele ihrer Kommilitonen ist Sarah schon vor Studienbeginn von Ecuador bis Argentinien gereist – und hat sich in den Kontinent verliebt. "Ich fand die Mentalität der Menschen total angenehm", schwärmt sie. "Sie sind sehr fröhlich und aufgeschlossen. Und natürlich haben mich die grandiosen Landschaften sehr beeindruckt."

Kulturschock bei der Ankunft

Bei ihrer Ankunft in Südamerika hatte die junge Frau aus dem vergleichsweise reichen Deutschland allerdings zuerst einmal einen Kulturschock. "Es ist natürlich eine andere Welt, angefangen von den Armenvierteln und der Sprache, die man nicht versteht. Und man fällt als Weiße natürlich auf", erzählt sie. Was sie am meisten belastete, waren bettelnde Kinder. "Einmal stand da ein zehnjähriges Mädchen mit einem Baby auf der Schulter. Sie wollte Kaugummis verkaufen oder einfach nur um Geld betteln, das fand ich schon ziemlich hart."

Als sie in die Heimat zurückkehrte, wollte Sarah aber erst mal was Handfestes studieren und schrieb sich für Psychologie ein. Doch die Erinnerungen an Lateinamerika ließen sie nicht los. Daher entschied sie sich, ihrem Interesse nachzugehen und sich für die Regionalwissenschaften Lateinamerika an der Universität in Köln einzuschreiben. "Also es war auf jeden Fall eine Herzensangelegenheit", sagt sie.

Studentin Sarah Deininger im Unterricht. (Foto: Suzanne Cords)
Seit 1989 kann man in Köln Regionalwissenschaften Lateinamerika studierenBild: DW/S. Cords

Anforderungen sind komplexer geworden

Das geht vielen Studierenden so, die sich für einen regionalwissenschaftlichen Studiengang entscheiden, also für einen Studiengang, der sich sprachlich, kulturell, sozialwissenschaftlich oder ökonomisch mit einer bestimmten Weltregion befasst. Deutschland war laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst in den Regionalwissenschaften einst weltweit führend. Doch die außenwirtschaftlichen und außenpolitischen Kontakte Deutschlands sind in den letzten Jahren komplexer geworden, und damit sind auch die Anforderungen an die Studiengänge gewachsen.

Sarahs Studienfach ist entsprechend umfangreich. Neben lateinamerikanischer Kolonialgeschichte stehen wahlweise Spanisch oder Portugiesisch auf dem Programm. Im Zweitfach musste sie zwischen Volkswirtschaft und Sozial- und Politikwissenschaft wählen. Als die Regionalwissenschaften an der Kölner Universität 1989 als Diplomstudiengang eingeführt wurden, stand noch beides als Pflichtfach auf dem Lehrplan. Erst mit der Einführung von Bachelor und Master hat sich das Lernpensum verringert.

"Von allem ein bisschen"

Sarah hat sich für Sozial- und Politikwissenschaft entschieden. In diesen Fächern sitzt sie mit Studierenden aus völlig anderen Fachbereichen zusammen; um Lateinamerika geht es dort allerdings nur selten. Was man mit diesem Fächergemisch später mal anfangen soll, wird unter den Studierenden immer wieder diskutiert. "Das ist ein sehr großes Thema, weil viele Leute unsicher sind, wie es weitergehen soll", sagt sie. Manche fänden es wertvoll, verschiedene Fächer auszuprobieren. Andere seien eher verwirrt. "Sie haben das Gefühl, von allem ein bisschen was gemacht zu haben, aber nichts richtig."

Spanisch Dozent Adrian Herrera. (Foto: Suzanne Cords)
Dozent Adrian Herrera aus Mexiko unterrichtet SpanischBild: DW/S. Cords

Traumjob gesucht

Wer in der Zeitung oder im Internet nach Stellenangeboten speziell für Regionalwissenschaftler sucht, wird in der Tat nur selten fündig. Der Großteil von Sarahs Kommilitonen möchte daher auch nicht auf Master weiterstudieren. Stattdessen träumen die meisten von einer Karriere im Journalismus oder in internationalen Organisationen, zum Beispiel bei den Vereinten Nationen oder bei Unicef. Dort arbeitet Regionalwissenschaften-Absolventin Kirsten Leyendecker.

Während des Studiums absolvierte sie ein Praktikum bei der Hilfsorganisation "Oxfam": "Das war mein Schlüsselerlebnis, wo ich mir dachte, ich will später im Beruf etwas für Menschen tun, denen es nicht so gut geht wie uns", erzählt sie. So landete Kirsten Leyendecker bei UNICEF, wo sie seit vielen Jahren die Arbeit von ehrenamtlichen Helfern, die Spenden sammeln, koordiniert.

Kirsten Leyendecker im UNICEF-Laden (Foto: Suzanne Cords)
Kirsten Leyendecker arbeitet bei UNICEFBild: DW/S. Cords

Große Schere zwischen Studieninhalten und Berufsbild

Das im Studium Erlernte helfe ihr bei der Arbeit tatsächlich nur bedingt, findet auch sie: "Wenn man Autofahren lernt, dann weiß man, man kann ein Fahrzeug lenken, aber meine Ausbildung ist nicht so präsent: Ich glaube, es ist eher ein bisschen versteckter, was man davon mitgenommen hat." Vor allem die Auslandsaufenthalte und die Begegnung mit den Menschen hätten sie geprägt und ihr das Leben und nicht zuletzt auch den Job leichter gemacht.

Mit Südamerika hat Kirsten Leyendecker heute kaum noch etwas zu tun, ihr Herz schlägt mittlerweile viel stärker für Afrika, verrät sie. Sarah Deiningers Traumjob jedoch soll sie irgendwann mal auf jeden Fall wieder nach Lateinamerika führen. "Ich würde gern in Richtung Dokumentarfilm gehen und über diesen Kontinent für Leute berichten, die ihn nicht kennen."