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Bembel-Krieg in Brüssel

Bernd Riegert21. November 2007

Woraus wird eigentlich Wein gemacht? Eine der vielen Fragen, mit denen sich die EU-Kommission und die Agrarminister der 27 Mitgliedsstaaten beschäftigen. Und eine hinterhältige dazu …

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Bild: DW
Die Beamten der EU-Kommission hatten in einem Entwurf der Weinmarktordnung festgelegt, dass Wein aus Trauben hergestellt wird. Aha! Nur hatten die eifrigen Bürokraten übersehen, dass in vielen europäischen Landstrichen Wein traditionell auch aus Beeren, Kirschen oder Äpfeln gekeltert wird. Uuups!
Bernd Riegert

Bereits im Juli verlangten die Weinbauminister aus Polen, Finnland und Deutschland eine Änderung der auf Rebensaft verengten Definition. Die Kommission sagte Nachbesserung und eine pragmatische Lösung zu. Soweit so gut? Falsch. Der umtriebige hessische Ministerpräsident Roland Koch witterte offenbar ein populäres Thema für den hessischen Landtagswahlkampf. These: "Die EU will hessischen Apfelwein (Eppelwoi) verbieten. Die CDU rettet Hessen vor dem Würgegriff des Europäischen Monsters!“

Bezwinger des Bösen Roland Koch ritt in den Medien Attacken gegen Brüssel, was immer gut ankommt. Der Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer hatte die Sache zu diesem Zeitpunkt bereits geregelt und nahm Koch, unbeabsichtigt oder nicht, etwas Wind aus den aufgeblähten Segeln. Vier Tage fegte der Mediensturm um Hessens Apfelwein ungezügelt durch den Blätterwald. Erst dann konnte die EU-Kommission öffentlich reagieren, denn in Belgien war wegen eines Feiertags arbeitsfrei. Die Kommission wiederholte ihre Zusage, die Weinmarktordung für Obstweine umzustricken. Roland Koch konnte sich als Held feiern lassen. Der Retter des Äppelwois, Bezwinger des Bösen! Medienzirkus um Äppelwoi Einige Tage später berichtete dann der Berliner "Tagesspiegel", die hessische Landesregierung habe den Medienzirkus um das hessische Nationalgetränk womöglich bewusst inszeniert. Die SPD-Opposition erhob Vorwürfe, die CDU habe einen Apfelwein-Krieg vom Zaun gebrochen, obwohl Brüssel schon nachgegeben hatte. Der Regierungssprecher dementierte. Der Wahlkampf tobte.

Die Weinmarktverordnung ist weiter umstritten, nicht wegen des Apfelweins, sondern wegen der geplanten Flächenstilllegungen und des Verbots saure Weine zu zuckern. Im Dezember geht der Poker im Kreise der Landwirtschaftsminister weiter. Was aus einem schlampig formulierten Richtlinien-Entwurf nicht alles werden kann. Und beim normalen hessischen Äppelwoi-Konsumenten bleibt nach dem zweiten Bembel (Weinkrug) der Eindruck: "Die spinnen in Brüssel.“