1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hickhack um die Islamkonferenz geht weiter

19. März 2010

Seit der Suspendierung des Islamrats aus der Islamkonferenz diskutieren die großen muslimischen Verbände, ob sie an der Konferenz noch teilnehmen sollen. Jetzt haben sie eine Entscheidung zu der Frage erneut vertagt.

https://p.dw.com/p/MXYJ
Ein montiertes Symbolbild zur Islamkonferenz mit der deutschen Flagge (Foto: AP)
Wer an der nächsten Islamkonferenz teilnimmt, ist offenBild: Fotomontage/AP/DW

Ein Hickhack ohne Ende: Nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière den in Deutschland breit aufgestellten muslimischen Verband Islamrat von der erneuten Auflage der Islamkonferenz ausgeladen hatte, weil gegen führende Mitglieder wegen schwerer Straftaten ermittelt wird, steht die Mitarbeit der vier großen muslimischen Verbände an der Konferenz weiterhin auf der Kippe. Eine für Freitag (19.03.2010) erwartete Entscheidung wurde verschoben. Die Türkisch-Islamische Union Ditib hat die in Köln geplanten Gespräche überraschend abgesagt. Dies bestätigte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Ayyub Axel Köhler, der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Wegen des Konflikts um die Ausladung des Islamrats haben die Verbände im Koordinationsrat der Muslime ihre weitere Teilnahme an der Islamkonferenz bereits seit längerer Zeit in Frage gestellt. Dem Koordinationsrat gehören neben dem Islamrat die dem türkischen Staat verbundene Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime (ZMD) an. In dieser Runde hatten sie aber schon am vergangenen Freitag keine Einigung erzielt. Es geht darum, welche gemeinsamen Forderungen und Bedingungen die Verbände an die Politik formulieren. Davon wollen sie dann dem Vernehmen nach ihre weitere Teilnahme an der Islamkonferenz abhängig machen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa werden die vier großen Verbände wahrscheinlich an den Gesprächen der Islamkonferenz teilnehmen. Dies gehe aus Äußerungen der DITIB und des Zentralrats der Muslime hervor, meldete die Agentur. Keiner der Verbände bestätigte dies offiziell.

Vier Millionen Muslime leben in Deutschland

Zwei Frauen mit Kopftuch blicken auf den Tisch der zweiten Islamkonferenz (Foto: dpa)
Die vergangenen Islamkonferenzen gaben einige Impulse für den gesellschaftlichen DialogBild: picture alliance/dpa

Die Bundesregierung betrachtet die Konferenz, die von de Maizières Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen wurde, als zentrales Gremium für Beratungen über die Integration der etwa vier Millionen Muslime in Deutschland. Das erste Treffen in neuer Zusammensetzung ist eigentlich für den 17. Mai diesen Jahres geplant. Doch nach Stand der Dinge ist im Moment völlig unklar, wer am Ende tatsächlich mit am Tisch sitzt. Dabei stehen gewichtige Fragen auf der Konferenz-Agenda: Der Innenminister will Themen wie Imam-Ausbildung, Gleichberechtigung von Mann und Frau und Abgrenzung des Islams vom Islamismus in den Mittelpunkt stellen.

Dabei hat der Gesprächskreis in seiner ersten Auflage bereits einiges erreicht: In der ersten Phase bis 2009 war die Einigung auf einen Wertekonsens in Form eines Bekenntnisses zur Verbindlichkeit der deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes ein zentrales Ergebnis. Außerdem standen Themen wie der islamische Religionsunterricht an Schulen, die Förderung einer islamischen Theologie an Hochschulen, der Bau von Moscheen und eine Zusammenarbeit bei Sicherheitsfragen auf der Tagesordnung. Doch jetzt droht eine Zerreißprobe. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet hat die muslimischen Verbände mit deutlichen Worten aufgefordert, weiter an der Islamkonferenz teilzunehmen. "Ein Boykott würde am Ende den Muslimen selbst schaden", warnte Laschet am Freitag im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.

Kelek ist für einige Muslime nicht willkommen

Ein Portraitbild von Kelek (Foto: dpa)
Necla Kelek äußert sich immer wieder kritisch über islamistische Tendenzen in DeutschlandBild: dpa - Bildfunk

Doch renommierte Künstler und Islamkenner hinterfragen die Entscheidung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière: Der türkischstämmige Schriftsteller Feridun Zaimoglu nannte den Ausschluss des Islamrats unseriös und "eine ganz falsche Entscheidung". Der "Tageszeitung" sagte er, das Ministerium könne sich nicht "die Islamkonferenz je nach seiner saisonalen Meinung wie eine Tischgesellschaft neu zusammenstellen". Es gehe wohl nicht mehr um ein "Dialogforum", sondern eher um eine Veranstaltung nach dem Motto: "Der Islam zu Gast beim Innenminister". Das ist nicht die einzige kritische Stimme zum Verhalten des Innenministers Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, warf de Maiziere vor, die Islamdebatte im Keim zu ersticken. Der Minister wolle ein Forum installieren, in dem es um die Durchsetzung einer deutschen Leitkultur gehe, so Mazyek in der "Süddeutschen Zeitung". Nachdrücklich kritisierte er die Einbindung von Necla Kelek. Die islamkritische Publizistin scheint für die muslimischen Verbände ein rotes Tuch zu sein.

Der kritisierte de Maizière hat die Ausladung des Islamrats immer wieder begründet: "Ich will mich nicht mit einer Organisation an einen Tisch setzen, gegen deren Vertreter wegen schweren Straftaten ermittelt wird." Der Islamrat wird von der islamistischen Organisation Milli Görüs dominiert. Gegen dessen Generalsekretär wird wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Milli Görüs, zu deutsch: "Nationale Sicht", geht zurück auf den islamistischen Politiker Necmettin Erbakan. Der türkische Politiker erklärte Anfang der 70er-Jahre die Bekämpfung säkularer Tendenzen in der Türkei und die Errichtung einer "gerechten Ordnung" auf islamischer Grundlage zu seinem Ziel. Wie intensiv Milli Görüs sich in Deutschland um dieses Ziel bemüht, ist umstritten. Der Verfassungsschutz zog in der Vergangenheit die verbalen Bekenntnisse der Vereinigung zu Demokratie und Rechtsstaat in Zweifel.

Autor: Marcus Bölz (kna, dpa, ap)
Redaktion: Martin Schrader