1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Kultur für alle"

17. November 2010

Kultur ist für alle da! Das war und ist das Credo von Hilmar Hoffmann, früherer Kulturdezernent und ehemaliger Leiter des Goethe-Instituts. Jahrzehntelang setzte er sich dafür ein. Haben seine Bemühungen gefruchtet?

https://p.dw.com/p/Q9Vt
Hilmar Hoffmann (Foto: Porträtstudio Meinen)
Hilmar HoffmannBild: Porträtstudio Meinen

DW-WORLD.DE: Herr Hoffmann, sind Ihrer Meinung nach in Deutschland genügend Museen, kommunale Kinos und andere derartige Einrichtungen vorhanden oder gibt es da noch einen großen Nachholbedarf?

Hilmar Hoffmann: Es gibt einen großen Nachholbedarf. Es sind ja immer nur die großen Städte, die eine Museumsbreite haben, wie Berlin, Hamburg, München oder Stuttgart und Frankfurt. Aber denken Sie mal an die Bevölkerung auf dem flachen Lande, das ist ja die weit überwiegende Mehrzahl der Bundesrepublik. Die sind nicht gleich berechtigt aufgewachsen, weil sie nicht die Chance hatten sich über die kulturellen Institute sich zu bereichern.

"Kultur für alle", das war ja eine Ihrer Hauptmaximen während Ihrer beruflichen Tätigkeit. Jetzt, im Jahre 2010, sind Sie Pensionär; wie sehen Sie den Slogan "Kultur für alle" im Vergleich zur heutigen Realität?

Also statistisch gesehen ist Kultur für alle immer noch ein "work in progress". Ich würde sagen, mehr als fünfzehn Prozent der Bevölkerung sind keine dauerhaften Teilnehmer am kulturellen Geschehen. Darum ist es wichtig, dass die Schulen in ihre Lehrpläne die ästhetische Erziehung und die musische Bildung endlich fest verankern. Damit jeder Jugendliche mit der gleichen Chance aufwächst und seine Jugend dann abschließen kann, um gleichberechtigter Teilhaber an den kulturellen Angeboten zu sein, die er mit seinen Steuergeldern auch bezahlt hat.

Wo sehen Sie die großen Defizite? Sind es eben die Schulen, die dafür noch nicht das Bewusstsein entwickelt haben oder liegt es einfach daran, dass zu wenig Geld vom Staat kommt?

Ich würde sagen, das Defizit liegt bei der Politik. Die hat versäumt, entsprechende Korrekturen im Schul-Curriculum anzubringen. Wir haben beispielsweise hier in Hessen eine Kulturkommission gehabt mit wirklich tollen Partnern. Und wir haben in dem Abschlußbericht ja auch gesagt, dass Kultusministerium und Schulministerium endlich gemeinsam dafür sorgen müssen, dass in der Schule mit der kulturellen Bildung begonnen wird. Und das gilt nicht nur für Hessen, sondern überhaupt für alle Bundesländer. Und so lange das konkurrierende Ministerien sind - konkurrierend im Sinne, auch was die Gelder für die Arbeit betrifft - solange wird sich das nicht ändern.

Sie haben die Politik angesprochen. Daneben gibt es die Diskussion um das Staatsziel Kultur, auch dafür haben Sie sich mal ausgesprochen. Warum?

Weil alle möglichen Sonderansprüche im Grundgesetz verankert sind. Sport beispielsweise ist ein Grundrecht. Warum nicht auch Kultur? Auf der anderen Seite steht ja im Grundgesetz, dass wir ein Kulturstaat sind. Und deswegen ist es auch eine Aufgabe des Staates, die kulturelle Versorgung schon in der Ich-Werdung des Menschen, also beim Kindergarten angefangen, fest zu verankern.

Das Interview führte Jochen Kürten
Redaktion: Petra Lambeck