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Ivo de Boer

30. November 2009

Auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen hat die Menschheit die historische Chance, den Klimawandel zu stoppen. Die Treibhausgas-Emissionen müssen radikal reduziert werden, um die Welt vor einer Klimakatastrophe zu retten.

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Yvo de Boer (Foto: AP)
Yvo de BoerBild: AP

Die wissenschaftlichen Beweise sind überwältigend – nachzulesen im vierten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC). Sie zeigen, dass der Klimawandel nicht nur eine Bedrohung für Wirtschaftswachstum und langfristigen Wohlstand ist, sondern auch die Lebensgrundlagen der ärmsten Länder zerstört. Der IPCC geht davon aus, dass es, wenn die Emissionen weiter in der gleichen Geschwindigkeit steigen und sich unter Umständen im Vergleich zu vorindustriellen Werten sogar verdoppeln, einen durchschnittlichen Temperaturanstieg von drei Grad in diesem Jahrhundert geben wird. Dies hätte ernsthafte Folgen, wie zum Beispiel Anstieg des Meeresspiegels, Veränderungen der Erntezeiten und eine größere Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen wie Stürme, Überflutungen und Dürreperioden.

Nichtstun viel teurer als Handeln

Es gibt zwingende wirtschaftliche Gründe, eine internationale, nachhaltige Lösung zu finden und einen Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft zu vollziehen. Der IPCC hat herausgefunden, dass die Kosten des "Nichtstuns" erheblich höher sind, als Investitionen in Maßnahmen gegen den Klimawandel. Aus dem Weltenergiebericht 2009 der Internationalen Energieagentur geht hervor, dass die internationale Gemeinschaft jedes Jahr notwendige Investitionen in den Energiesektor aufschiebt. Und zwar in einem Umfang von 500 Milliarden Dollar zwischen 2010 und 2020. Viele Länder prüfen derzeit die Möglichkeiten einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Die UNEP (United Nations Environment Programme) geht davon aus, dass sich der globale Markt für Umweltprodukte und -dienstleistungen bis 2020 voraussichtlich verdoppeln wird, von derzeit 1,4 Billionen US-Dollar auf 2,7 Billionen US-Dollar. Dadurch würden Millionen von Arbeitsplätzen im Umweltsektor weltweit geschaffen.

Was mich zuversichtlich stimmt

Welche Erwartungen gibt es also für den UN-Klimagipfel? 2007 haben sich die 192 Unterzeichnerstaaten des Rahmen-Übereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) auf Bali darauf verständigt, Gespräche über verstärkte Maßnahmen aufzunehmen – dies soll Ende 2009 festgelegt werden in einem ehrgeizigen Vertragswerk, das vor Januar 2013 in Kraft treten muss. Ich bin sicher, dass es in Kopenhagen eine Abschluss-Vereinbarung geben wird, selbst wenn diese Vereinbarung kein umfassender, völkerrechtlich verbindlicher Vertrag sein wird und viele technische Details erst später gelöst werden können.

Was mich zuversichtlich stimmt, ist die Tatsache, dass mehr als 100 Regierungschefs Ende September beim Treffen mit dem UN-Generalsekretär in New York ihre Entschlossenheit ausdrückten, eine umfassende, ehrgeizige und faire Vereinbarung zum Klimawandel dieses Jahr in Kopenhagen abzuschließen. Die Regierungschefs haben zugesagt, ihren Unterhändlern entsprechende Vollmachten zu erteilen. Und sie forderten, dass die Vereinbarung sich klar zu den fünf wichtigsten politischen Aspekten äußert.

Fünf Aspekte für Kopenhagen

Erster Aspekt sind verstärkte Maßnahmen, um die ärmsten und damit anfälligsten Länder darin zu unterstützen, ihre Lebensbedingungen den Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Die Regierungschefs betonten, dass der Klimawandel die wirtschaftliche Lebensfähigkeit, die soziale Entwicklung und sogar die territoriale Integrität bedroht. Im UNFCCC sind mehr als 100 Entwicklungsländer vertreten. Obwohl deren Anteil am weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen am geringsten ist, sind sie am stärksten vom Klimawandel betroffen.

Zweitens müssen die Industrienationen ehrgeizige, gesetzlich verbindliche Ziele zur Emissionsreduzierung festlegen. Diese Maßnahme ist unabdingbar im Kampf gegen den Klimawandel. Ohne diese Maßnahme werden Entwicklungsländer nicht das Vertrauen entwickeln, dass die Industrienationen wirklich willens sind, maßgeblich zur Lösung eines Problems beizutragen, dessen Verursacher sie selbst sind.

Die Selbstverpflichtung der USA auf exakte mittelfristige Ziele zur Minderung ihrer Emissionen und die konkreten Zusagen von China zur Steigerung der Energieeffizienz können zwei der letzten Türen aufschließen, die noch vor einer umfassenden Vereinbarung stehen.

Drittens muss Klarheit herrschen über das Ausmaß der Maßnahmen zur Verminderung des Klimawandels, die die Entwicklungsländer ergreifen können, jenseits dessen, was sie bereits jetzt tun. Viele Industrienationen, besonders die USA, werden sich mit dem Abschluss einer Vereinbarung schwer tun, es sei denn, diese Länder sind ebenfalls bereit, sich weiter zu engagieren.

Einige Entwicklungsländer – wie China, Indien, Brasilien und Südafrika – haben bereits nationale Strategien gegen den Klimawandel oder neue Energiestrategien entwickelt, die zeigen, wie diese Länder innerhalb ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten, dem Klimawandel begegnen wollen. Viele Entwicklungsländer haben Ideen für weitere geeignete Verminderungsmaßnahmen, die sie ergreifen könnten.

Vierter Aspekt ist die Finanzierung. Der Umfang der Maßnahmen der Entwicklungsländer wird größtenteils von einer effizienten Mittelverwendung und sauberen Technologien mit Hilfe internationaler Kooperationen abhängen. Es muss Klarheit über die Beschaffung der Finanzhilfen herrschen, die den Entwicklungsländern dabei helfen sollen, einen Anstieg der Emissionen zu begrenzen und sich gleichzeitig an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Klar ist, dass die Kosten sowohl für Verminderung als auch Anpassung in Zukunft steigen werden und dass es eine Anschubfinanzierung aus öffentlichen Geldern geben muss. Wichtig dabei ist, dass Mechanismen implementiert werden, die dafür sorgen, dass private und öffentliche Finanzhilfen signifikant aufgestockt werden, so dass nicht jedes Jahr neu über die Finanzierung der Maßnahmen gegen den Klimawandel verhandelt werden muss. Es gibt einen breiten Konsens darüber, dass der Fokus der Unterstützung auf die ärmsten Länder gerichtet sein muss. Diese Länder leiden am meisten unter dem Klimawandel und sind am wenigsten dafür verantwortlich.

Fünftens ist eine Überprüfung des Überwachungssystems des Rahmenabkommens notwendig. Viele der zur Verfügung gestellten Gelder haben die Entwicklungsländer nicht in dem Maße erreicht, wie es sinnvoll bzw. nützlich gewesen wäre. Wenn beträchtliche finanzielle Mittel für die Verminderung und Anpassung bereitgestellt werden, müssen Entwicklungsländer ein Mitspracherecht darüber haben, wie die Gelder verwendet werden sollen.

Es gibt viel zu verhandeln in Kopenhagen. Aber eine Klärung der oben genannten fünf Punkte ist für einen Erfolg der Konferenz absolut essentiell. Die Bedeutung dieser Konferenz für die Zukunft der Erde sollte nicht unterschätzt werden. Eine Vereinbarung in Kopenhagen ist eine eindeutige Voraussetzung, um ein Fortschreiten des Klimawandels zu stoppen, für einen Wandel hin zu einem weltweiten „grünen“ Wirtschaftswachstum und vor allem, um der Welt, und hier besonders den ärmsten Ländern, dabei zu helfen, sich den unvermeidbaren Folgen des Klimawandels anzupassen.

Yvo de Boer ist Chef des UN-Klimasekretariats (UNFCCC) in Bonn.

Übersetzung: Hajra Spanke

Redaktion: Henrik Böhme