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Hochwasserschutz in Deutschland

6. Januar 2011

Den Flüssen mehr Raum geben: Im Prinzip ist man sich in Deutschland seit Jahren darüber einig, wie Menschen und Orte besser vor Hochwasser geschützt werden können. Doch zu oft mangelt es an konsequentem Handeln.

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Blick aus einem Flugzeug auf eine vom Hochwasser der eingeschlossene Landstraße in Brandenburg (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn weite Landstriche überflutet sind und alle vom Hochwasser reden, dann lassen sich auch Politiker auf den Deichen sehen und versprechen Hilfen. Winfried Lücking, Experte für Hochwasserschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert immer wieder, wie zögerlich dann aber Maßnahmen zum Hochwasserschutz umgesetzt würden. Im Mai 2010 sagte er: "In der Vergangenheit wurden den Flüssen vier Fünftel ihrer ursprünglichen Überschwemmungsfläche genommen, bis heute erhielten sie nicht einmal ein Hundertstel zurück".

Wenn die Flut geht, dann sinkt auch das Interesse am Hochwasserschutz, diese Erfahrung hat man in Deutschland immer wieder gemacht. Dabei hatten die Oderflut im Sommer 1997 und das Elbehochwasser im August 2002 in Deutschland große Anteilnahme am Schicksal der Flutopfer und ein Bekenntnis zu einer neuen Hochwasserschutzpolitik ausgelöst.

Umrisse von Bundeswehrsoldaten im Sonnenuntergang, die in einer Reihe stehen und Sandsäcke weiterreichen (Foto: AP)
Sandsäcke sollen vor Hochwasser schützenBild: AP

Tausende Menschen mussten bei den Jahrhundertfluten evakuiert werden. 2002 starben in Sachsen 21 Menschen. Brücken wurden weggerissen, Straßen unterspült, Häuser schwer beschädigt. Die Strom-, Wasser- und Telefonversorgung brach zusammen, viele Anwohner wurden viel zu spät benachrichtigt. Zehntausende Bundeswehrsoldaten und zahlreiche Hilfsorganisationen waren Tag und Nacht im Einsatz, um Menschen zu bergen und einsturzgefährdete Dämme mit tausenden Sandsäcken zu stabilisieren.

Die von der Flut Betroffenen erhielten Unterstützung durch Spenden in Millionenhöhe und staatliche Soforthilfen. Die Politiker verliehen Medaillen an die Fluthelfer und versprachen, den Hochwasserschutz in Deutschland nachhaltig zu verbessern.

Gesetze und alte Begehrlichkeiten

In der Sache ist seitdem einiges getan worden, um künftigen Hochwasserkatastrophen vorzubeugen oder zumindest die Folgen abzumildern. In Deutschland trat 2005 nach jahrelangem Ringen ein Hochwasserschutzgesetz in Kraft. Darin werden den zuständigen Bundesländern erstmals einheitliche Vorgaben zur Vorbeugung gegen Hochwasserschäden gemacht.

So schreibt das Gesetz vor, die Bevölkerung darüber zu informieren, wo Überschwemmungsgebiete liegen, die durch ein "100-jährliches Hochwasser" überflutet würden. Damit ist Hochwasser gemeint, das rein statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. Tatsächlich sind solche Fluten in den vergangenen Jahren viel häufiger aufgetreten und man geht davon aus, dass der Klimawandel diese Entwicklung verschärft.

Auenlandschaft an der Donau (Foto: Wolfgang Glock)
Donau-Auen - hier ist Platz für hohe WasserständeBild: Wolfgang Glock reworked by FriedrichKromberg - sa

Das Gesetz fordert, dass in diesen Überschwemmungsgebieten nicht mehr gebaut und die landwirtschaftliche Nutzung eingeschränkt wird. Wasserläufe sollen nicht mehr begradigt und eindämmt werden, sondern ihrem natürlichen Lauf folgen können. So sollen Flussauen als Ausweichraum für Hochwasser geschützt oder wiederhergestellt werden.

Soweit die Zielvorgabe des Bundes - die letzte Verantwortung aber tragen Bundesländer und Kommunen. Umweltverbände wie der BUND kritisieren, dass viele von ihnen gerade das Ziel des ökologischen Hochwasserschutzes nicht erfüllt hätten. In vielen Dörfern und Kommunen regte sich nämlich Widerstand der Bauern und der Bauindustrie, sobald die letzte Flut vergessen war. Am Ende wurde dann doch wieder gebaggert und in den gefährdeten, aber eben auch begehrten Uferlandschaften wurden entgegen aller Vorgaben neue Gebäude und Straßen gebaut.

Viel Geld für technischen Hochwasserschutz

Die Bundes- und Landesregierungen und auch die Europäische Union stellten erhebliche Mittel für die von Hochwasser bedrohten Regionen zur Verfügung. So verbaute das Land Brandenburg knapp 220 Millionen Euro für neue und höhere Deiche und neue Flutungsflächen, sogenannte Polder. Auch in anderen Regionen wie etwa am Rhein oder an der Donau wurden Dämme saniert oder erneuert. Bei diesen Maßnahmen spricht man im Gegensatz zum natürlichen Hochwasserschutz durch Renaturierung der Flüsse und Auen vom technischen Hochwasserschutz.

An einigen Orten wie etwa in Duisburg am Rhein wurden die Dämme aber auch vom Ufer zurückverlegt, um mehr Platz für ansteigende Flusspegel zu schaffen. Außerdem schuf man zusätzliche Rückhalteräume, die im Bedarfsfall geflutet werden können. Umweltverbände wie der World Wide Fund For Nature beteiligen sich an Projekten, um etwa an der Elbe und der Oder Deiche ins Hinterland zurückzuverlegen, um so natürliche Auenwälder wieder herzustellen.

Doch jedes Land entscheidet für sich. Die Landesregierung Sachsen-Anhalts etwa will Gelder der Europäischen Union für den Hochwasserschutz anderen Zwecken zuführen. 40 Millionen Euro sollen nach Regierungswillen nicht zur Sanierung von Deichen eingesetzt werden, sondern in Programme zur Dorfverschönerung und den Ausbau des Internet-Breitbandnetzes fließen, das wurde im Herbst 2010 bekannt.

Zusammenarbeit, Überwachung, Information

Eine kleine Stahlwand schützt die Kölner Altstadt 2003 vor Überflutung (Foto: AP)
Hochwasser in KölnBild: AP

Flüsse kennen keine Grenzen. Ein Dammbruch in Polen im Jahr 2010 brachte auch die Menschen in Sachsen in Bedrängnis. Entsprechend intensiv bemüht man sich deshalb seit einigen Jahren um die Zusammenarbeit mit europäischen Nachbarländern. Ein Aktionsprogramm der Europäischen Union und viele grenzübergreifende Zusammenschlüsse der Flussanrainerstaaten sollen den Hochwasserschutz verbessern. Allerdings entscheidet jeder Staat, was er tatsächlich umsetzt.

Auch die deutschen Bundesländer haben ihre Zusammenarbeit untereinander ausgebaut und tauschen ihre Wetter- und Wasserdaten fortlaufend aus. So konnten auch die Informationsangebote für die Bürger verbessert werden. Die Vorwarnzeit für Dresden etwa verlängerte sich von 36 auf 60 Stunden. Auch die Rhein-Anwohner in Köln werden heutzutage früher verständigt, wenn aus dem Süden eine bedrohliche Hochwasserwelle auf die Stadt zurollt. Die Stadtverwaltung hat dann mehr Zeit, die mobile Schutzwand vor der Altstadt aufzubauen, immer in der Hoffnung, dass alle Berechnungen stimmen und sie dem Pegelanstieg auch wirklich standhält.

Autorin: Andrea Grunau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz