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Hoffen auf die Cebit

Rolf Wenkel12. März 2003

Deutschlands IT-Branche trägt im europäischen Vergleich das Schlusslicht. Darüber kann auch die Cebit nicht hinwegtäuschen. Hiesige Branchen-Größen fordern deshalb eine neue Wirtschaftspolitik.

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Wo bitte geht es aus der Krise?Bild: AP

Anlässlich des Starts der weltgrößten Computermesse Cebit am Mittwoch (12.3.2003) hat der deutsche Branchenverband BITKOM seine Konjunkturprognose für das laufende Jahr bestätigt. Man sei froh, wenn man mit einer schwarzen Null rechnen könne. Erst für das kommende Jahr könne die Branche mit einem Wachstum von rund drei Prozent auf 136 Milliarden Euro rechnen, so der Verband einen Tag vor dem offiziellen Messebeginn. Das wäre immerhin ein Lichtblick, denn im vergangenen Jahr bildete die deutsche IT-Branche das Schlusslicht in Europa.

Selten, so sagt BITKOM-Präsident und Siemens-Vorstandsmitglied Volker Jung, selten sei Marktforschung so schwierig gewesen wie in diesen Monaten: "Unsere Gleichungen enthalten deutlich mehr unbekanne Variablen als gewohnt. Ich meine hier nicht nur die weltpolitischen Unwägbarkeiten, die wir von Deutschland aus kaum beeinflussen können. Ich meine auch und gerade den wirtschaftspolitischen Kurs in Berlin."

Weltweite Branchenschwäche

Die Politik der Bundesregierung hat der deutschen ITK-Branche nach den Worten Jungs hart zugesetzt. Zwar hat auch der Weltmarkt große Einbrüche zu verzeichnen gehabt und ist nur um 1,2 Prozent gewachsen. Allerdings kann Deutschland nicht an die internationalen Wachstumswerte anschließen. Im vergangenen Jahr sei die Nachfrage hierzulande um zwei Prozent zurückgegangen, so Jung. Er fügt hinzu: "Das ist europaweit die schlechteste Zahl."

Die Ursachen dafür sind nach Auffassung des BITKOM-Präsidenten hausgemacht. Eine allgemein trübe Konjunktur werde durch Haushaltssperren im öffentlichen Bereich verschärft. Hinzu kämen jene unseligen 50 Milliarden Euro Lizenzkosten für die dritte Mobilfunkgeneration UMTS, die jetzt den Unternehmen für Investitionen fehlten. So musste die Branche in Deutschland im vergangenen Jahr rund 35.000 Arbeitsplätze abbauen. Immerhin glaubt Jung, dass es von der Talsohle in nur noch aufwärts gehen kann.

Neuer Massenmarkt

"Etwa 2.000 Unternehmen mussten den Markt verlassen", sagt Jung, "drei Viertel davon durch Insolvenz oder Auflösung, ein Viertel durch Fusion oder Aufkauf. Damit haben wir das Schlimmste hinter uns. Die meisten, die jetzt noch am Markt sind, dürfen wieder mit mehr Zuversicht in die Zukunft blicken." Große Hoffnungen setzt die Branche auf den Start der neuen UMTS-Mobilfunknetze, die in Deutschland für das 3. Quartal dieses Jahres angekündigt sind und die, so hofft der Branchen-Kenner, sich nach einer kurzen Anlaufphase schon im Jahr 2005 zu echten Massenmärkten entwickeln werden. Voraussetzung dafür sei freilich, dass die poltischen und wirtschaftlichen Rahmenbdingungen stimmen.

Vor zwei Jahren sei der Fachkräftemangel das alles bestimmende Thema gewesen, meint der BITKOM-Präsident, heute seien es die Finanzierungsprobleme. Sie werden hervorgerufen durch eine spürbare Kreditzurückhaltung der Geschäftsbanken und Sparkassen sowie mangelndes Risiko-Kapital. Gerade die Gründungs- und die Frühphasen-Finanzierung wird nach Angaben Jungs immer schwieriger. Die Banken fordert er daher auf, sich nicht aus technologieorientierten Unternehmen zurück zu ziehen. Denn, wer die Krise überstanden habe und jetzt noch am Markt sei, habe Vertrauen verdient.

Weniger ist mehr

Unterstützen könne auch die Politik, meinte Volker Jung unter Anspielung auf die geplante Regierungserklärung des Bundeskanzlers am kommenden Freitag (14.3.2003). "Das Motto heißt hier: Weniger ist mehr. Weniger Bürokratie, weniger Steuern, weniger Abgaben, weniger arbeitsrechtliche Restriktionen, weniger Regulierung - einfach weniger Staat. Die öffentliche Hand hat kein Geld - und dennoch mischt sie sich ständig in Dinge ein, von denen sie nichts versteht." Selten haben Verbandsfunktionäre eine so deutliche und unverblümte Sprache gesprochen wie das Siemens-Vorstandsmitglied Volker Jung anlässlich des Starts der Cebit. Wie wird der Kanzeler wohl darauf antworten?