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Hoffen auf Heilung

Christina Bergmann25. Juli 2012

AIDS-krank zu sein ist kein Todesurteil mehr wie noch in den 80er Jahren. Darauf weisen die Teilnehmer der AIDS-Konferenz in Washington DC hin. Doch die Wissenschaft steht noch immer vor großen Herausforderungen.

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Ein Junge hält ein Banner mit der Aufschrift "Stop AIDS" auf einer Demonstration in Kalkutta hoch (Bild: ddp) images/AP Photo/Bikas Das).
Bild: AP

Die Hoffnung von Millionen ruht auf wackligen Beinen. Mühsam geht Timothy Ray Brown durch den Konferenzraum im Kellergeschoss eines Washingtoner Hotels zum Podium. Der hagere Mann im dunkelgrauen Anzug hat sichtlich Mühe, seinen Text abzulesen. Er stockt immer wieder, als er die Einrichtung einer Stiftung in seinem Namen verkündet. Zwei Knochenmarkstransplantationen haben ihre Spuren hinterlassen. Doch Brown hat eine Botschaft, die alle auf der AIDS-Konferenz aufhorchen lässt: "Ich bin HIV-negativ", sagt er, "ich bin vom AIDS-Virus geheilt." Sein größter Wunsch: Dass andere das auch von sich sagen können. Diesem Ziel soll die Stiftung gewidmet sein.

Foto von Timothy Ray Brown (Bild: EPA)
Timothy Ray BrownBild: picture-alliance/dpa

Timothy Brown ist der "Berlin-Patient", der einzige Mensch, von dem die Ärzte sagen, dass er von der Immunschwächekrankheit genesen ist. Es war sein Onkologe, der Berliner Arzt Dr. Gero Hütter, der auf die Idee kam, zwei Krankheiten auf einmal zu kurieren, als Brown an Leukämie erkrankte. Er suchte und fand einen Knochenmarkspender, dem die sogenannten CCR5-Rezeptoren fehlten. Diese Rezeptoren ermöglichen den HI-Viren das Andocken an die Blutzellen. Fehlen sie, können die Viren ihre zerstörerische Arbeit nicht verrichten.

Auf der Suche nach Heilung

Und auch, wenn es vor kurzem kontroverse Berichte darüber gab, ob in Browns Körper tatsächlich keine Viren mehr vorhanden seien oder sich nur versteckten – er selbst sagt, es geben jedenfalls keinen Nachweis von aktiven Viren. Ärzte, Wissenschaftler und AIDS-Aktivisten verweisen auf ihn, wenn sie inzwischen eine Heilung von AIDS überhaupt für möglich halten.

Die Internationale AIDS-Gesellschaft (IAS) stellte passend zum Beginn der Konferenz gemeinsam mit dem US-amerikanischen Nationalen Gesundheitsinstitut NIH und dem Zentrum für AIDS-Forschung (CNHIR) eine neue Initiative und Strategie vor, die die Suche nach einer Heilmethode intensivieren und schließlich zum Erfolg bringen soll. Dabei sollen vor allem junge Forscher ermutigt werden, und sie müssen auch nicht aus der AIDS-Forschung kommen. Frei nach dem Motto: Gute Ideen kann jeder haben – schließlich war auch Dr. Hütters Ansatz eine Leukämie-Therapie.

Auch ein Impfstoff ist noch nicht gefunden

Dr. Javier Martinez-Picado vom AIDS-Forschungsinstitut IrsiCaixa in Barcelona wies in Washington darauf hin, dass eine Knochenmarkstransplantation, wie Brown sie erhalten hat, sicher nicht der gangbare Weg sei: "Unglücklicher Weise ist diese Art des Eingriffs so komplex und riskant, dass sie nicht in großem Umfang anwendbar ist." Möglicherweise könne aber über die Genforschung eine Möglichkeit gefunden werden, das CCR5-Gen zu zerstören und die Zellen so immun gegen das HI-Virus zu machen.

Wie auch immer der Weg zu einer Heilung aussehen mag - wichtig sei, so Martinez-Picado, dass ein "erfolgreicher Eingriff sicher, bezahlbar und anpassbar ist, um jeden zu erreichen, der ihn braucht." Die Suche nach einer Heilmethode und einem Impfstoff seien zwei untrennbare Prioritäten auf dem Weg zu einer AIDS-freien Welt.

Die Suche nach einem Impfstoff hat noch zu keinem Durchbruch geführt. Vor ein paar Jahren musste eine Studie sogar abgebrochen werden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Gruppe, die den Impfstoff erhielt, eine höhere Wahrscheinlichkeit hatte, an AIDS zu erkranken, als die Placebo-Gruppe.

Erfolgereiche Kombinationstherapie

Erhebliche Fortschritte dagegen wurden, ist bei den Medikamenten gemacht, mit denen HIV-Infizierte inzwischen behandelt werden können, so dass die AIDS-Symptome gar nicht erst ausbrechen. Die antiretrovirale Therapie erweist sich mittlerweile als äußerst effektiv, sie kann sogar die Übertragung von HIV auf den nicht-infizierten Partner verhindern. Fast 30 antiretrovirale Wirkstoffe sind momentan zugelassen, in der Regel wird eine Kombinationstherapie verordnet.

Marcel, das Gesicht der deutschen Kampagne bei der Welt-Aidskonferenz in Washington (Bild: dw)
Marcel, das Gesicht der deutschen Kampagne bei der Welt-Aidskonferenz in WashingtonBild: DW

So wie bei Marcel, dem Gesicht der deutschen AIDS-Präventionskampagne hier in Washington DC. "Meine Therapie besteht aus drei Wirkstoffen," erzählt der 23-Jährige, "das sind vier Tabletten am Tag. Die nehme ich morgens, und dann habe ich Ruhe." Seit drei Jahren ist Marcel mit HIV infiziert. Vor anderthalb Jahren begann er mit der Therapie. Damals merkte er, dass er schlapper wurde und die Blutwerte sich verschlechterten. Jetzt fühlt er sich gut, und der aufziehenden Erkältung, die er den amerikanischen Klimaanlagen zu verdanken hat, sieht er gelassen entgegen.

Fast normale Lebenserwartung

Wenn er erkältet ist, sagt Marcel, "dann gehe ich zum Hausarzt, wie jeder andere auch, krieg dann etwas verschrieben oder soll Tee trinken, wie jeder andere auch, dann trinke ich den Tee und dann geht's mir besser." Nebenwirkungen spürt er keine, ein bisschen sorgt er sich vor möglichen Langzeitfolgen: "Ich habe schon Angst davor, dass es auf Organe schlägt", sagt er, auch wenn die Ärzte nicht davon ausgingen. Tatsächlich liegt die Lebenserwartung von jungen HIV-Infizierten, die die Therapie kurz nach der Infektion begonnen haben, inzwischen kaum unter der eines nicht an HIV Erkrankten.

Auch in anderen Bereichen hat die Medizin erhebliche Fortschritte gemacht, zum Beispiel bei der Behandlung von HIV-infizierten Müttern, erklärt der Immunologe Anthony Fauci: "Wir behandeln die Mütter, und in der Folge wird das Baby HIV-negativ geboren und kann gestillt werden". In Washington, einer der Städte in den USA mit der höchsten AIDS-Rate, wurde seit 2009 kein Kind mehr HIV-positiv geboren.

Erfolgversprechende Tuberkulose-Studien

Auch mit der Beschneidung von Männern hat man gute Erfahrungen gemacht, erläuterte Fauci, es sei eine "erstaunlich erfolgreiche Maßnahme", die nicht nur in Studien funktioniert. "Das ursprüngliche Ergebnis war 55-60 Prozent, aber wenn man sich den Rakai-Bezirk in Uganda fünf Jahre später anschaut, dann beträgt die Wirksamkeit in der Gemeinde 73 Prozent."

ILLUSTRATION: Kondome liegen auf einem Leuchttisch. (Bild: dpa)
Kondome gelten immer noch als alternativlos bei der Verhinderung von AIDS-InfektionenBild: picture-alliance/dpa

Forschungserfolge gibt es außerdem bei der Behandlung von Krankheiten, die eng mit HIV in Zusammenhang stehen, wie der Tuberkulose. Ein Drittel aller Menschen weltweit, erklärt Dr. Dan Everitt von der Tuberkulose Allianz, trägt den TB-Erreger in sich, ohne dass er Schaden anrichtet. Bei Menschen mit schwachem Immunsystem aber, hat TB verheerende Folgen. Bei AIDS-Infizierten ist TB nach Angaben der Initiative die häufigste Todesursache.

Nur Kondome schützen wirklich

In klinischen Studien hat man jetzt den Erfolg einer Kombination aus 3 Medikamenten – PA-824, Moxifloxacin (ein Antibiotikum, hergestellt von der deutschen BAYER AG) und Pyrazinamid - nachgewiesen. "Wir haben in einer zweiwöchigen Studie mit Tuberkolose-Patienten gezeigt, dass das TB-Volumen im ausgehusteten Schleim in dieser Zeit um 99 Prozent reduziert wird", sagt Everitt. Dadurch wird die Genesungszeit dramatisch verkürzt, die Therapie ist billiger und außerdem soll sich die Kombination besser mit anderen HIV-AIDS-Medikamenten vertragen. Doch weitere Studien sind nötig, und Everitt rechnet damit, dass in vier bis fünf Jahren die Zulassung beantragt werden kann.

Der deutsche Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist skeptisch, ob eine AIDS-freie Generation, von der auf der Konferenz in der US-Hauptstadt so enthusiastisch die Rede ist, bald erreicht werden kann. Deutschland setze weiterhin auf Prävention, Information und Aufklärung. 2700 Neuinfektionen gebe es pro Jahr, das seien immer noch 2700 zu viel. Wichtig sei, so Bahr, der zur Eröffnung in Washington war, "vor allem, in die Zielgruppen reinzugehen, zuzugehen auf Männer, die mit Männern Sex haben, auf Prostituierte, auf Drogensüchtige, und immer in deren Lebensumfeld die richtige Ansprache zu finden." Auch die frühzeitige Aufklärungsarbeit in Schulen sei wichtig. Denn die sicherste Möglichkeit, eine AIDS-Ansteckung zu vermeiden, ist immer noch Safer Sex. Zur Sorglosigkeit gibt es, angesichts von 34 Millionen AIDS-Infizierten weltweit, keinen Anlass.