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Hoffnung auf stabile Regierung in der Ukraine

31. Oktober 2007

Die Ukraine und die EU durchlaufen eine wichtige Phase ihrer Beziehung. Kiew braucht eine starke Parlamentsmehrheit. Eine handlungsfähige Regierung werde von der EU unterstützt, versicherte eine Expertenrunde in Berlin.

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Wer zieht ins Kiewer Regierungsgebäude?Bild: Markian Ostaptschuk

Trotz vorläufiger Vereinbarungen zwischen dem Block Julija Tymoschenko (BJuT) und dem Block Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes (NUNS) über die Bildung einer Regierungskoalition ist ungewiss, ob diese beiden politischen Kräfte tatsächlich die zukünftige Regierung der Ukraine stellen werden. Wahrscheinlich werde Präsident Wiktor Juschtschenko darauf bestehen, dass sich auch die Partei der Regionen an der Arbeit der nächsten Regierung beteiligt. Zwischen der Partei und dem Staatsoberhaupt gebe es eine entsprechende Vereinbarung, erläuterte Sehij Rachmanin, Mitarbeiter der ukrainischen Zeitung Dserkalo tyschnja, bei einer Diskussionsrunde in Berlin. Das Expertentreffen wurde am 25. Oktober von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, dem Deutsch-Ukrainischen Forum und der Deutschen Welle veranstaltet.

Koalitionsbildung noch offen?

"Die Abmachung ist nicht offiziell, viele Politiker streiten sie sogar ab", so Rachmanin. Aber: "Die Partei der Regionen erkannte den Präsidenten-Erlass über die Parlamentsauflösung an, der in mehreren Punkten rechtlich fraglich war. Im Gegenzug erhielt sie die Zusage, im künftigen Parlament in die Koalition aufgenommen zu werden." Juschtschenko habe sein Wort gegeben, jetzt werde es ihm schwer fallen, sich davon zu distanzieren. Derzeit warte der Präsident jedoch noch ab, er beteilige sich nicht aktiv an der Regierungsbildung. Rachmanin meint, Juschtschenko sei von der Lebensfähigkeit einer künftigen "orangenen" Koalition nicht überzeugt. Deswegen rechne Juschtschenko damit, nach einem schnellen Bruch der Koalition mit den Verhandlungen von vorn zu beginnen. "In dieser Situation wird er dann zur Schlüsselfigur, zum unmittelbaren Verhandlungsteilnehmer. Dann wird er die Partei der Regionen zur Koalition hinzuziehen können", vermutet Rachmanin.

Der Abgeordnete der Partei der Regionen, Oleksij Plotnikow, erklärte in Berlin, ohne seine Partei sei eine Regierungsarbeit unmöglich. "Ich kann noch nicht mit Sicherheit sagen, ob die Koalition bunt sein wird oder auf der Partei der Regionen basiert, gemeinsam mit den Kommunisten und dem Block Lytwyn und mit Unterstützung einiger Abgeordneter aus den ‚orangenen‘ Fraktionen", so Plotnikow. "Rechtlich gesehen ist das nicht ganz sauber, aber das könnte passieren." Es könnte auch sein, dass ein Jahr lang gar keine Koalition gebildet werde – so lange darf der Präsident das vorzeitig gewählte Parlament nicht auflösen. Bei Abstimmungen gebe es dann nur situative Mehrheiten. Aber diese "situativen Mehrheiten" oder gar Koalitionsbrüche sehen Kiews europäische Partner ungern.

Beweis für politische Reife

Der Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, Rainer Lindner, hofft, dass es so schnell wie möglich gelingt, eine handlungsfähige Regierung in Kiew zu bilden. "Die Ukraine hat keine Zeit. Die Menschen, die jetzt schon zum dritten Mal in Folge eine hohe politische Reife entwickelt haben, erwarten diese Reife auch von ihren Politikern." Lindner betonte, er sehe keine reine "orangene" Koalition. Wenn sie denn käme, wäre sie sehr fragil.

Dennoch ist Lindner, was die Regierungsbildung in der Ukraine betrifft, zuversichtlich. "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns hier in einem Zustand politischer Kultur bewegen, der zum Beispiel Russland ein erhebliches Maß voraus ist", erläutert er. "In Russland fühlen wir uns an andere Zeiten erinnert. Dort bestimmen Parteitage den Prozess der Machtumverteilung, während es in der Ukraine Wahlen sind." Diesen wichtigen Schritt habe Russland noch vor sich.

Chance für europäische Integration

Der Vorsitzende des Europa-Ausschuss im Deutschen Bundestag, Gunther Krichbaum, wies darauf hin, dass die Ukraine und die EU derzeit an einem neuen Partnerschaftsabkommen arbeiten würden. Um die Chancen des Abkommen für die europäische Integration nutzen zu können, müssten die ukrainischen Politiker unter den jetzigen schwierigen Mehrheitsverhältnissen für Stabilität sorgen. "Aus Sicht des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung sind wir an einer sehr stabilen Mehrheit im Parlament interessiert", so Krichbaum. "Eine Mehrheit von zwei Stimmen ist weniger als hauchdünn."

Die knappe Mehrheit, auf die eine "orangene" Koalition aus BJuT und NUNS kommen würde, sei, so Krichbaum, gefährdet, weil man es in der Ukraine nicht mit Parteien im klassischen Sinn zu tun habe, sondern mit Blöcken. "Wir haben den Block Julija Tymoschenko, den Blockn Lytwyn. Das heißt, man sortiert sich hinter Namen. In den Blöcken sind aber mehrere Parteien vorhanden", erläutert er. "Wir haben ein sehr heterogenes Bild, auch innerhalb der Parteien der Blöcke selbst." Welche Mehrheit letztendlich in der Ukraine regieren werde, sei für die EU und Deutschland nicht ausschlaggebend. Der Westen habe sich bereits davon überzeugt, dass alle führenden politischen Kräfte in der Ukraine für die europäische Integration eintreten.

Eugen Theise, DW-Ukrainisch, 28.10.2007