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Hoffnungsloser Dialog?

Alexander Kudascheff, Brüssel22. Februar 2006

Im Umgang mit dem Islam und den Ländern des Nahen Ostens zeigen Europas Politiker nicht immer das nötige Fingerspitzengefühl, schreibt Alexander Kudascheff aus Brüssel.

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Alexander Kudascheff

Müde und grau ist sein Gesicht. Kraftlos sein Gang. Ratlosigkeit spiegelt sich in seiner Mine. Javier Solana, Europas Chefdiplomat, eigentlich immer optimistisch, selbst wenn er besorgt ist, reist durch den Nahen Osten - und weiß: diese Reise ist vergeblich. Die europäische Nahostpolitik steckt in der emotionalen Falle. Europa, diese soft power der Weltpolitik, sitzt auf der Anklagebank. Plötzlich gibt es ihn: den hässlichen Europäer.

Dabei geben sich die Europäer Mühe. Seit zehn Jahren pflegen sie unermüdlich und engagiert den Barcelonaprozess - mit den arabischen Ländern auf der anderen Seite des Mittelmeers. Doch zum Jubiläum Ende 2005 - da waren die Europäer mit ihren Staats- und Regierungschefs in Barcelona - die arabische Seite glänzte entweder durch Abwesenheit oder durch die zweite oder dritte Reihe. Ein Affront? Eine Brüskierung? Das eingestandene Fiasko? Die EU blieb unbeeindruckt. Man setzt weiter auf den Dialog.

Also den Dialog der Kulturen. Eigentlich der Dialog mit der islamischen Welt. Denn nur dort gibt es eine Herausforderung. Dabei ahnen die Europäer: dieser Dialog ist eine Chimäre. Es fehlt ihm an philosophischen, an theologischen Voraussetzungen - auf der Seite des alten Europas. Im Alltag, in der Gesellschaft, in der Politik - nirgendwo spielt das Göttliche noch eine entscheidende Rolle. Das Wissen um das Sakrale - es ist verschwunden. Und so trifft das europäische religiöse Niemandsland ohne Tabus auf eine Weltregion, in der Religion noch ein harter Faktor ist - und nicht eine bessere Sozialtherapie. Das müssen die Europäer erst begreifen. Erst dann können sie nämlich auf die ausgleichende Kraft der Vernunft setzen.

Darauf hoffen sie aber zum Beispiel im Umgang mit dem Iran bisher vergebens. In diesen Tagen war der neue iranische Außenminister Manutcher Mouttaki in Brüssel. Es war seine erste Auslandsreise. Mouttaki, früher Botschafter in der Türkei, zeigt dabei zwei Gesichter. Einmal ein pragmatisches, ein konstruktives, ein gemäßigtes Gesicht. Natürlich bestand er darauf, dass der Iran das Recht habe, Kernenergie zivil zu nutzen. Natürlich bestand er darauf, dass Iran weiter nuklear forschen dürfe und müsse. Aber er tat es im konzilianten Ton, so dass man annehmen konnte und musste, der Ira sei bereit sich zu bewegen. Doch am Abend vor dem Parlament - die üblichen Tiraden und Phrasen, nicht so schlimm wie bei seinem Präsidenten Ahmadinedschad, nicht so gehässig, aber doch eindeutig. Wie aber soll man mit einem Außenminister umgehen, der so explizit das Existenzrecht Israels leugnet? Darauf hat niemand in Brüssel eine wirklich schlüssige und überzeugende Antwort.

Immerhin hätte man ein Zeichen setzen können. Man hätte sich bei den ersten Anzeichen eines beginnen wirtschaftlichen Boykotts Dänemarks durch arabische und andere Staaten rückhaltlos solidarisieren müssen. Man hätte zeigen müssen, dass man das nicht hinzunehmen bereit ist. Doch außer ein paar eher vorsichtigen, moderaten Beiträgen war da nichts zu hören - nicht aus Brüssel, aber eben auch nicht aus Berlin, London, Paris oder Rom. Ein eklatantes Zeichen der Schwäche der EU.

Dabei hätte man nicht nur Stärke und Solidarität gezeigt. Man hätte auch den sonst so überaus europakritischen Dänen zeigen können: wenn es ernst wird, dann ist Europa für Dänemark da. Eine kleine Lektion wäre das gewesen - die vielleicht die Dänen davon überzeugt hätte, doch der europäischen Verfassung zuzustimmen. Aber diese Chance wurde verpasst. Europa zeigt sich als müder Löwe. Leider.