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Hohe Akzeptanz für Argentiniens Umschuldung erwartet

Steffen Leidel24. Februar 2005

Noch bis Freitag können Anleger ihre seit drei Jahren nicht mehr bedienten argentinischen Staatsanleihen gegen neue Titel umtauschen. Dafür müssen sie hohe Wertverluste hinnehmen. Dennoch: Die Akzeptanz scheint hoch.

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Fährt harten Kurs in der Schuldenfrage: Néstor KirchnerBild: AP

Eine der umstrittensten Umschuldungsaktionen in der Finanzgeschichte steht vor dem Abschluss. Alles deutet daraufhin, dass das hochverschuldete Argentinien dabei seinen harten Kurs durchsetzen wird. In den sauren Apfel beißen dagegen die vielen Kleinanleger, die bis zum Schluss um ein aus ihrer Sicht akzeptables Angebot gerungen hatten.

Nach dem Finanzcrash Ende 2001 hatte sich Argentinien für zahlungsunfähig erklärt. Die zahlreichen Anleger vor allem aus Italien, Deutschland und Japan sind seitdem auf den vermeintlich hoch lukrativen Staatsanleihen sitzen geblieben. Bis heute hat Argentinien so mehr als 100 Milliarden Dollar an Zins- und Anleiheschulden angehäuft. Die Regierung unter dem Peronisten Néstor Kirchner entschied sich in der Schuldenfrage für einen harten Kurs und machte ein kühnes Angebot: Bis 25. Februar können die Anleger ihre Anleihen gegen neue Titel eintauschen. Dafür müssen sie aber im Schnitt auf bis zu 75 Prozent des Nennwertes ihrer Papiere verzichten.

Zornige Kleinanleger

"Aus argentinischer Sicht war das Angebot klug, weil es die argentinische Staatsverschuldung im Ausland relativ lange streckt - zu niedrigeren Zinsen als bisher", sagt Hartmut Sangmeister, Professor für Entwicklungsökonomie an der Universität Heidelberg. "Für die Gläubiger sieht das natürlich anders aus". Die sind empört. Das Angebot sei "schäbig", schimpften anfangs argentinische Anlegervereinigungen. Von "Enteignung" und "Nötigung" war die Rede. In Deutschland hatten rund 40.000 Anleger auf die Anleihen gesetzt. Die Anlegervereinigung rieten ihren Mitglieder zunächst ab, das Angebot anzunehmen.

Trotzdem scheint die Akzeptanz nun höher als erwartet. "Auf dem lokalen argentinischen Markt liegt die Akzeptanzrate bei über 90 Prozent", sagt Arnaldo Hasenclever, Partner bei der Unternehmensberatung Garnton Thornton in Buenos Aires. Die argentinischen Pensionsfonds hätten intern bereits zugestimmt. "Ausschlaggebend für die endgültige Quote wird aber sein, wie die institutionellen Großanleger entscheiden werden", so Hasenclever. Die werden jedoch bis zum letzten Moment abwarten. Hasenclever hält eine globale Akzeptanzquote von über 70 Prozent für realistisch. Argentinien will am 2. oder 3. März veröffentlichen, wie viele ausländische Investoren der Offerte zugestimmt haben.

IWF schraubt Anforderung herunter

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rechnet damit, dass die Akzeptanzrate des argentinischen Umschuldungsangebots bis Ende dieser Woche auf über 60 Prozent steigt. "Argentinien wird wohl bereits bei einer Rate von 50 Prozent von einem Erfolg der Umschuldung sprechen", sagt Thomas Hechtfischer, der auch Gesellschafter bei der Arbeitsgemeinschaft Argentinien-Anleihen bei der DSW ist. Bei einer Akzeptanz von 60 Prozent, befürchtet Hechtfischer, werde auch der Internationale Währungsfonds (IWF) von einer Lösung des Schuldenproblems ausgehen. "Der IWF ist offenbar mal wieder eingeknickt und hat die ursprünglichen 75 Prozent zurückgenommen", so Hechtfischer weiter. "Das ist ein Nackenschlag in Richtung der Anlegervertretungen und kann nicht im Sinne der Anleger sein. Wenn der IWF die Umschuldung annimmt, gibt es für uns nichts mehr zu tun. Dann ist das durch". Die Stimmung unter den Anlegern bezeichnete er als "verheerend".

Den Kleinanleger droht ein herber Verlust, wenn sie nicht zustimmen. Sie könnten auf ihren Altanleihen sitzen bleiben. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, hat die Stuttgarter Börse bereits den Handel mit den Anleihen eingestellt, an anderen Börsen kam es zu Kurseinbrüchen. "Die argentischen Regierung wird zudem kein nachgebessertes Angebot vorlegen. Der argentinische Senat hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das es der Regierung verbietet, ein nachgebessertes Angebot vorzulegen", sagt Sangmeister. Viele Druckmittel bleiben den Anlegern nicht. Sie könnten zwar den argentinischen Staat verklagen. Doch auch wenn sie Recht bekommen, bliebe die Schwierigkeit, das Urteil in der Praxis zu vollstrecken.

Attraktive neue Anleihen

Da die argentinische Regierung die neuen Titel an die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gekoppelt hat, erscheinen sie vielen als attraktiv. Wächst das Bruttoinlandsprodukt, können die Anleger auf Prämien hoffen. Die Aussichten dafür stehen gut: Die argentinische Wirtschaft wuchs 2004 um 8,8 Prozent, für 2005 wird mit einem Wachstum um sechs Prozent gerechnet.

Für Kirchner und seinen Wirtschaftsminister Roberto Lavagna wäre eine gelungene Umschuldung ein enormer Erfolg. Argentinien könnte dann wieder auf Kreditzahlungen des IWF hoffen, die derzeit wegen der ungelösten Schuldenfrage eingefroren sind. "Argentinien würde außerdem wieder attraktiver für Auslandsinvestitionen. Anlegervertreter warnen aber mit Blick auf die Finanzmärkte anderer Schwellenländer vor der Signalwirkung, sollte sich Argentinien mit seiner Umschuldungspolitik durchsetzen. So könnte ein "gefährlicher Präzedenzfall" geschaffen werden. "Länder wie Brasilien könnten dann auf die Idee kommen, dem argentinischen Beispiel folgen zu wollen", fürchtet Hechtfischer.