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Hohe Hürden

Daphne Grathwohl2. März 2012

Serbien hat den EU-Kandidatenstatus erreicht und damit einen konkreten Schritt in Richtung Europa gemacht. Doch welche Hürden muss das Land noch überwinden? Und wie offen sind die Arme der EU wirklich?

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Flaggen der EU und Serbiens (Foto: dpa)
Flaggen der EU und von SerbienBild: DW

Sichtlich zufrieden war der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann über die Verleihung des Kandidatenstatus für Serbien. Das sei "friedenspolitische Entwicklung auf dem Westbalkan", erklärte er. "Österreich hat sich immer sehr stark für die EU-Perspektive auf dem Westbalkan eingesetzt", so Faymann weiter. "Und ich bin froh, dass Rumänien auch überzeugt werden konnte."

Österreichischer Bundeskanzler Werner Faymann (Foto: dapd)
Österreich Bundeskanzler Kanzler Werner FaymannBild: dapd

Für den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, war es eine logische Entscheidung: Die EU sei eine Rechtsgemeinschaft mit festgelegten Kriterien, nach denen europäische Staaten Kandidaten werden könnten, so Schulz. Und weiter: "Serbien erfüllt diese Kriterien."

Viel Arbeit für den neuen Kandidaten

Rosa Balfour, Leiterin des Programms "Europe in the World" beim Brüsseler Thinktank European Policy Centre (EPC), konkretisiert die Aussage: Serbien sei von allen Staaten des Westbalkan strukturell am besten vorbereitet. Es habe eine effizient organisierte öffentliche Verwaltung, seine Institutionen seien am stärksten organisiert, um die Reformen umzusetzen, die für die Kopenhagen-Kriterien erforderlich sind - und darüber hinaus weitere "Reformen, die sehr weitreichend und manchmal dramatisch sein werden, um den Staat in eine funktionierende Demokratie zu verwandeln", sagt Rosa Balfour.

Anerkennung des Kosovo erforderlich

Eines der wichtigsten zu lösenden Probleme sei der Kosovo-Streit, sagt Rosa Balfour. Ohne das Kosovo anzuerkennen, werde Serbien kein EU-Mitglied - auch wenn die EU das nicht explizit so formuliere. Ein zweites "Zypern-Szenario" werde die EU nicht zulassen, so Balfour. Zypern war 2004 EU-Mitglied geworden, ohne die Frage einer Wiedervereinigung des griechischen Südens mit dem türkischen Norden geklärt zu haben.

Wenn alles gut läuft, komme man während der Beitrittsverhandlungen zu einer Lösung des Konflikts, meint Rosa Balfour vom EPC: "Das pessimistische Szenario ist, dass die Beziehungen sich zwar verbessern, aber trotzdem nicht zu einer Anerkennung des Kosovo und zu einer Änderung des Status quo in der Region führen. Und dann könnte es zu einem festgefahrenen, verdeckten Konflikt kommen, was nicht nur für die Region, sondern auch für die EU ausgesprochen negativ wäre."

Die Büchse der Pandora

Kurz vor dem Beschluss, Serbien den Kandidatenstatus zu verleihen, waren die Verhandlungen von Rumänien blockiert worden: Vordergründig ging es um die rumänische Minderheit der Walachen in Serbien, um deren Rechte sich Rumänien sorgte. Hintergründig wurde spekuliert, ob Rumänien sich mit der Blockade des serbischen Kandidatenstatus eine Aufnahme in den Schengen-Raum erkaufen wollte. Falls die Gerüchte stimmen, ist der Deal gescheitert, denn der Schengen-Raum wurde auf diesem EU-Gipfel nicht erweitert.

'Familienfoto' vom EU-Gipfel in Brüssel (Foto: dapd)
"Familienfoto" vom EU-Gipfel in BrüsselBild: dapd

Die Region sei ein bisschen wie die Büchse der Pandora, sagt Rosa Balfour. Der Umgang mit den vielen verschiedenen Minderheiten auf dem Balkan könnte durchaus für Konflikte sorgen. Die EU, aber auch der Europarat und die OSZE beobachteten den Schutz der Minderheitenrechte in der Region sehr genau.

Doch die EU ist derzeit belastet von der Euro-Schuldenkrise. Zudem haben die Erweiterungen der Jahre 2004 und 2007 und auch das Ringen um die EU-Verträge in den letzten Jahren ihre Spuren hinterlassen. Ist die Europäische Union vielleicht zu erweiterungsmüde, um Serbien in der Zukunft als Mitglied aufzunehmen?

Erweiterungsmüdigkeit der EU?

Rosa Balfour vom European Policy Centre sieht die Perspektive nicht so pessimistisch: Die EU habe in der letzten Zeit wirklich keine euphorische Periode erlebt, sagt sie. "Die Erweiterung auf dem Westbalkan ist in vielfacher Weise das erste Opfer der Krise in der EU." Sie sei aber zuversichtlich, dass man wie geplant mit den Erweiterungsplänen vorgehen werde. "Allerdings wird die EU sicher strenger auf die Einhaltung von Voraussetzungen wie Rechtsstaatlichkeit, grundlegende Freiheitsrechte oder die Effizienz der öffentlichen Verwaltung achten."

Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic (Foto: dpa)
Herman Van Rompuy (r.), Präsident des Europäischen Rates, mit dem serbischen Präsidenten Boris TadicBild: picture-alliance/dpa

Aber auch wenn der Enthusiasmus nicht mehr so groß sei, der Drang zur Erweiterung an sich sei noch vorhanden, glaubt Rosa Balfour.