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Terroristen-Urteil

15. Juli 2008

Ein Stuttgarter Landesgericht hat drei Iraker verurteilt - wegen Mordversuchs am früheren irakischen Premier Allawi bei dessen Deutschlandbesuch im Jahr 2004. Zudem gehörten sie einer islamistischen Terrorgruppe an.

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Irakische Terroristen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Quelle: AP)
Irakische Terroristen vor dem Oberlandesgericht StuttgartBild: AP

Das Mammutverfahren gegen drei Iraker ist zu Ende: Nach 142 Verhandlungstagen, unzähligen Beweis- und Befangenheitsanträgen und der Vernehmung von 64 Zeugen wurden die Angeklagten am Dienstag (15.07.2008) zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Kopf des Trios war der 34-jährigen Ata R. aus Stuttgart. Gegen ihn verhängte das Oberlandesgericht zehn Jahre Gefängnis. Der 26-jährige Mazen A.H. aus Augsburg wurde zu siebeneinhalb Jahren und Rafik Y. aus Berlin zu acht Jahren Haft verurteilt.

Neben dem Mordversuch am früheren irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi sieht es das Gericht als erwiesen an, dass die Drei Mitglieder der radikal-islamischen Terrorvereinigung Ansar al-Islam (Helfer des Islam) waren. Die Verteidiger, die Freisprüche verlangt hatten, kündigten Revision an. Die Angeklagten, die seit Dezember 2004 in Untersuchungshaft sitzen, hatten die Vorwürfe bestritten.

Attentat "hätte Deutschland geschadet"

Muss zehn Jahre hinter Gitter: Ata R. vor der Urteilsverkündung (Quelle: AP)
Muss zehn Jahre hinter Gitter: Ata R. vor der UrteilsverkündungBild: AP

Der 33-jährige Rafik Y. habe sich für den Anschlag auf Allawi angeboten, sagte die Vorsitzende Richterin Christine Rebsam-Bender. Der 34-jährige Ata R. - ein "wichtiges führendes Mitglied" von Ansar al-Islam in Deutschland - und sein Komplize Mazen A.H. hätten ihr Einverständnis erklärt. Ein gelungener Anschlag hätte "dem Ansehen Deutschlands in der Welt schaden und die ausländischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich stören können", so die Richterin.

Waffen oder Sprengstoff hatten die Ermittler bei den Angeklagten allerdings nicht gefunden. Die Aussage von H., man habe Allawi eine "Lektion" erteilen und ihn nicht töten wollen, hatte das Gericht dennoch nicht überzeugt.

"Hochzeit" bedeutete Attentat

Das Oberlandesgericht sah es zudem als erwiesen an, dass die drei Männer für Ansar al-Islam in Deutschland Spenden gesammelt und Mitglieder rekrutiert haben. R. allein soll rund 45.000 Euro aufgetrieben haben, von denen mindestens 20.000 Euro in den Irak geflossen sein sollen. Der Prozess gab einen detaillierten Einblick in den Aufbau und die Organisation von Ansar al-Islam, die im Irak einen Gottesstaat nach Vorbild des früheren Taliban-Regimes in Afghanistan errichten will. "Ansar al-Islam ist eine der gefährlichsten Terrororganisationen im Irak", sagte Richterin Rebsam Bender.

Im Laufe des Verfahrens wurden unzählige abgehörte Telefonate angehört, übersetzt und verlesen. Ebenso E-Mails, die die Terrorhelfer konspirativ unter sich austauschten. "Es war mühsam, sich in den Text der E-Mails einzulesen", so die Richterin. Die Ermittler mussten den Sprachcode entschlüsseln: Das Wort "Hochzeit" stand für Selbstmordattentat, "Krankenhaus" für Gefängnis und "Kältewelle" für eine Festnahmeaktion der Polizei bei Islamisten.

Verteidiger: "Nichts passiert"

Während sich die Bundesanwaltschaft mit dem Urteil zufrieden zeigte, hagelte es heftige Kritik von der Verteidigung. Die Anwältin von Mazen A.H., Gül Pinar, sagte: "Es ist nichts passiert." Die Planung des Attentats sei im Versuchsstadium steckengeblieben. Es seien weder Waffen noch Sprengstoff bei den Angeklagten gefunden worden.

Selbstmordattentat kostet 6500 Dollar

In Deutschland wurden schon mehrere Mitglieder von Ansar al-Islam zu Haftstrafen verurteilt. Dabei ging es vor allem um Spendensammlungen für die Organisation. Ein Selbstmordanschlag im Irak wird dabei mit 6.500 US-Dollar kalkuliert, wie das Landesgericht im Rahmen des Urteils anmerkte. Bundesanwältin Silke Ritzert sagte, aufgrund des zunehmenden Drucks der Sicherheitsbehörden auf die Gruppe hätten viele Mitglieder Deutschland verlassen. (leix)