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Hollande zu Besuch bei Merkel

15. Mai 2012

Mit wetterbedingter Verspätung hat der französische Präsident seine erste Dienstreise begonnen. Ein schlechtes Omen? In der Tat werden er und die Kanzlerin zunächst politisch-atmosphärische Störungen beheben müssen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt am 1505.2012 den neuen französischen Präsidenten Francois Hollande (Foto:dapd
Bild: dapd

Der neue französische Präsident François Hollande ist in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen worden. Mit gut einstündiger Verspätung schritten Merkel und Hollande vor dem Kanzleramt eine Ehrenformation der Bundeswehr ab. Hauptthemen der beiden Spitzenpolitiker dürften der Sparkurs in Europa und die Forderung des Sozialisten nach mehr Wachstumsimpulsen sein. Eine Neuverhandlung des Fiskalpaktes zur Haushaltsdisziplin in der EU lehnt die Bundesregierung allerdings ab. Merkel hatte im Wahlkampf Amtsinhaber Nicolas Sarkozy unterstützt und die Bitte Hollandes abgeschlagen, ihn zu empfangen.

Auf dem Weg nach Berlin hatte Hollande zunächst den Widrigkeiten des Wetters zu trotzen. Sein Flugzeug geriet in ein Unwetter, wurde vom Blitz getroffen und musste nach Paris zurückkehren. Dort stieg der Staatschef in eine andere Maschine um, die ihn dann wohlbehalten von der Seine an die Spree beförderte.

Am Vormittag war Hollande - neun Tage nach seinem Wahlsieg - offiziell in sein Amt eingeführt worden. Dabei kündigte der 57-Jährige an, er wolle das unter einer riesigen Schuldenlast ächzende Frankreich wirtschaftlich wieder aufrichten und Europa einen neuen Weg aufzeigen. Hollande wörtlich: "Es wird Zeit, die Produktion vor die Spekulation zu setzen." Er werde seinen europäischen Partnern einen Pakt vorschlagen, der einerseits das Defizit verringern aber auch das Wachstum stimulieren solle. Es könne nicht akzeptiert werden, dass eine Mehrheit der Bürger unter der Krise leide und eine Minderheit weiter davon profitiere. Beim ökologischen Umbau der Energiewirtschaft seien ebenfalls neue Akzente notwendig, sagte Hollande, bevor er - unbeeindruckt von einem plötzlichen Hagelschauer und heftigen Regengüssen - nach dem Abschreiten einer Ehrenformation der Republikaner-Garde im offenen Wagen über die Champs-Elysées fuhr.

Nach sieben Jahren im Elysée-Palast wird Sarkozy am 15.05.2012 vom neuen Hausherrn Hollande verabschiedet (Foto: dapd)
Das war's: Nach sieben Jahren im Elysée-Palast wird Sarkozy vom neuen Hausherrrn verabschiedetBild: dapd

Verzicht auf pompöse Feier

Zuvor hatte Hollande im Elysée-Palast seinen konservativen Vorgänger Sarkozy getroffen. Das minutiös festgelegte Ritual will es, dass der scheidende Präsident seinem Nachfolger die Regeln zur Bedienung der französischen Atombombe und auch einige sensible Dossiers erklärt. Sarkozy verließ den Elysée-Palast unter dem Beifall einiger Anhänger am Straßenrand und an der Seite seiner Frau Carla Bruni. Nach Medienberichten wollte Sarkozy zu einem zweiwöchigen Urlaub mit seiner Frau und seiner Tochter aufbrechen.

Hollande hob sich mit seinem Festakt bewusst von Sarkozy ab: Hatte der Konservative vor fünf Jahren seine Familie, Stars und reiche Freunde zur Zeremonie eingeladen, trat Hollande nur mit seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler auf. Zudem hatte Hollande die französischen Nobelpreisträger und die Vertreter aller großen Gewerkschaften Frankreichs eingeladen. Ein Symbol für seine Verbundenheit mit der Arbeiterklasse und der Wissenschaft, die er im Laufe seines Wahlkampfs mehrfach beschwor. Als einer der ersten Amtshandlungen will Hollande 60.000 neue Lehrer einstellen.

Machtwechsel im Elyseé-Palast

Ex-Deutschlehrer Ayrault neuer Ministerpräsident

Hollande war am 6. Mai zu Sarkozys Nachfolger gewählt worden. Er ist in der Geschichte der Fünften Republik seit 1958 erst der zweite Sozialist im Elysée-Palast. Sein sozialistischer Vorgänger François Mitterrand regierte von 1981 bis 1995. Seither waren mit Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy Staatschefs aus dem gaullistischen Lager an der Macht. Unter den Gästen bei Hollandes Amtseinführung war auch Mitterrands Tochter Mazarine Pingeot.

Der neue französische Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault (Foto: Reuters)
Jean-Marc Ayrault - der neue Chef im Hôtel Matignon, dem Sitz des französischen MinisterpräsidentenBild: Reuters

Am Nachmittag wurde der langjährige Fraktionschef der Sozialisten im französischen Parlament, Jean-Marc Ayrault, zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Der 62-Jährige ist ein enger Vertrauter Hollandes. Dieser hatte mehrfach betont, er wolle jemanden an der Spitze des Kabinetts sehen, mit dem er sich gut verstehe. Ayrault, einem früheren Deutschlehrer, dürfte vor allem in den Verhandlungen mit Berlin eine wichtige Rolle zukommen.

sti/hp (afp, dapd, dpa, rtr)