1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hollywood-Stars bei Filmfestspielen in Venedig

Jochen Kürten/mit dpa7. September 2015

Kreischende Fans, Blitzlichtgewitter und Stars auf dem Roten Teppich - allen voran Johnny Depp und seine Frau Amber Heard. Gute PR für seinen neuen Streifen. Doch nicht nur "Black Mass" ist in Venedig sehenswert.

https://p.dw.com/p/1GS45
Italien Vendig Filmfestspiele 2015 Amber Heard küsst Johnny Depp (Foto: AFP/GIUSEPPE CACACE (Photo credit should read GIUSEPPE CACACE/AFP/Getty Images)
Bild: G. Cacace/AFP/Getty Images

Beim Filmfestival in Venedig kommt auf engem Raum zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört: der Rote-Teppich-Glamour und die Konflikte der Welt. In den ersten Tagen war dieses seltsame Zusammenspiel von Kunst, Kommerz und Katastrophen in der Lagunenstadt nicht zu übersehen.

Im Rampenlicht: Johnny Depp und seine Frau Amber Heard

Hollywood-Superstar Johnny Depp beherrschte die Szenerie und brachte den Festivalalltag für kurze Zeit zum Erliegen. Gleich nebenan liefen Filme über Kindesmissbrauch in der Kirche, Kindersoldaten in Afrika und die üblen Machenschaften der amerikanischen Bandenkriminalität.

Italien 72. Filmfestspiele in Venedig: Kreischende Fans (Foto: REUTERS/Manuel Silvestri)
Roter Teppich in Venedig: alle wollen Johnny Depp sehen...Bild: Reuters/M. Silvestri

Gangsterfilm "Black Mass" mit Johnny Depp

Scott Coopers "Black Mass" mit einem von den Maskenbildnern bis zur Unkenntlichkeit hergerichteten Johnny Depp in der Rolle eines Großganoven im Boston der 1970er und '80er Jahre ist ein ausschweifender Gangsterfilm. Korruption und Polizeigewalt, die Brutalität der sich bekämpfenden Verbrecher-Syndikate und der alltägliche Drogensumpf - das sind die Themen des Films, der in Venedig außerhalb der Konkurrenz gezeigt wurde. Einen Goldenen Löwen kann "Black Mass" also nicht erringen.

Johnny Depp leistete sich in Venedig einen denkwürdigen Auftritt vor der Presse, wirkte fahrig, unkonzentriert und redete teilweise lallend. Aufs Podium kam er mit einer Flasche - und gab dem Gerücht um seine Alkoholexzesse so weitere Nahrung. Welch bessere "Werbung" für US-amerikanische Blockbuster kann es geben? Die versammelte Weltpresse jedenfalls stürzte sich auf den Star und seinen spektakulären Auftritt am Lido.

Kindersoldaten-Drama "Beasts of No Nation"

In scharfem Kontrast zu den Inszenierungen der Hollywood-Größen standen einige Filme aus den ersten Tagen des Festivals. Für überwiegend positive Reaktionen sorgte das Kindersoldaten-Drama "Beasts of No Nation" von Regisseur Cary Fukunaga. Der erzählt die Geschichte eines Warlords und seiner Kindersoldaten in einem afrikanischen Land, ein aktuelles wie aufwühlendes Thema.

Filmstiil aus dem Film Beasts of No Nation (Foto: Netflix)
Vom harten Schicksal der Kindersoldaten erzählt "Beasts of No Nation"Bild: Netflix

Fukunaga erreiche mit "Beasts of No Nation" nach Meinung eines Kritikers der Frankfurter Rundschau "die gebotene Glaubwürdigkeit, erlaubt aber auch eine Übertragung ins Allgemeingültige." Die erschütterndsten Passagen seien im Film dabei nicht die Gewaltszenen, sondern das, was sich im Gesicht des körperlich geretteten, aber seelisch zutiefst geschädigten Kindes im Gespräch mit einer Psychologin abspielt.

"Spotlight" - Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche

Und auch "Spotlight" von Regisseur Tom McCarthy erschütterte Teile des Venedig-Publikums. Die Geschichte geht zurück auf den Missbrauchsskandal innerhalb der nordamerikanischen katholischen Kirche, die 2002 von Reportern des "Boston Globe" aufgedeckt wurde. Schauspieler Stanley Tucci, Mitglied im prominenten Ensemble des Films, appellierte am Rande der Premiere an niemanden geringeren als den Papst: "Falls es jemanden gibt, der den Missbrauch von Kindern stoppen kann, dann ist er es", sagte Tucci.

Regisseur McCarthy gab sich skeptischer: "Ich bin deutlich pessimistischer, was den Wandel in der katholischen Kirche angeht", bemerkte der Filmemacher nach der Premiere, fügte aber hinzu: "Ich fände es toll, wenn der Papst diesen Film sehen würde."

Großartige Schauspielkunst: "The Danish Girl", "Equals", "L'Hermine" ...

Wenn es auch nur wenige Filme gab, die in den ersten Tagen des Festivals alle Kritiker überzeugte, so war man sich doch einig: Die Schauspielerleistungen in vielen Werken waren überwältigend. "Das Festival stellt über all seine Kategorien hinweg eine Art Champions League der Schauspielkunst dar", schrieb die deutsche Presseagentur. Ganz klar dazu gehörte der Auftritt des jungen Oscarpreisträgers Eddie Redmayne, der im Film "The Danish Girl" einen Transsexuellen spielt.

Ebenso zeigten sich die Besucher begeistert vom Ensemble in "Equals", der über die Zukunft des Gefühls- und Sexuallebens der Menschheit philosophiert. Und auch der französische Beitrag "L'Hermine", eine der wenigen Komödien bisher in Venedig, wusste mit einem prächtigen Darstellerensemble zu überzeugen.

Filmstiil aus dem Film L'hermine (Foto: Jérôme Prébois Albertine Productions - Gaumont")
Frankreich brachte einmal mehr komödiantischen Schwungs in den Wettbewerb: "L'Hermine"Bild: Jérôme Prébois Albertine Productions - Gaumont

Eindeutige Favoriten auf den Goldenen Löwen gibt es bisher nicht. Wohl aber einen Film, der die allermeisten Kritikerherzen höherschlagen ließ. Es war die deutsch-französisch-holländische Co-Produktion "Frankofonia" des russischen Regisseurs Aleksander Sokurov. Der hatte in Venedig bereits vor vier Jahren den Goldenen Löwen für seine "Faust"-Adaption gewinnen können.

Viel Beifall für "Frankofonia

"Frankofonia" ist ein komplexes Werk zwischen Filmessay, Dokumentation und Spielfilm, das sich mit der deutschen Besatzung von Paris im Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Insbesondere die Frage, wie damals die ungeheuren Kunstschätze im Louvre gerettet werden konnten, behandelt der Film. "Regisseur Sokurov findet immer wieder neue Bilder von einer ebenso leichten wie surrealen Schönheit, um diesen prekären Verhältnissen gerecht zu werden", schriebdie Süddeutschen Zeitung. "Schön jedenfalls, dass man durchaus kunstvoll von Kunst erzählen konnte", hieß es in der Frankfurter Rundschau.

Venedig Filmfestival Francofonia-Premiere mit Aleksander Sokurow und Ekaterina Mtsitouridze (Foto: Tristan Fewings/Getty Images)
Regiestar aus Russland auf dem Roten Teppich: Aleksander SokurovBild: Getty Images/T. Fewings

Mit der Entscheidung, wer dann am Ende den Goldenen und die Silbernen Löwen in den Händen halten darf, muss sich die Jury nun herumschlagen. Deren Präsident, der mexikanische Regisseur Alfonso Cuarón, gab zu Beginn schon einmal sein Credo aus: "Man darf nicht zu einem Festival kommen und einen bestimmten Typ Film erwarten, das wäre ungesund." Das gute an einem Festival sei die Vielfalt in Form, Ideen und Ausdruck. Vielfalt zumindest, das ist sicher, kann man beim 72. Filmfestival in Venedig erleben.