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"Ich kann nicht lustig sein"

Martin Lassak9. November 2007

Die Traumfabrik ist ein gnadenloses Geschäft für jeden, der in ihr sein Geld verdient. Aber niemanden straft sie zugleich mit soviel Geringschätzung wie die Autoren.

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Bild: DW

"No more words!" und "Pens down!" stand auf den Schildern der Streikenden. Der deutsche Leser mag beim Thema Streik unweigerlich an Zugführer und Verkehrschaos denken, doch die Amerikaner trifft es nicht auf dem Weg zur oder von der Arbeit. Es trifft sie an einem Ort, der als Bastion amerikanischen Wohlbefindens gilt - der Fernsehcouch. Diesen Montag legten in Hollywood tausende Autoren ihre Arbeit nieder und gingen zum Streik auf die Straße. Die Gewerkschaft der Autoren fordert vom Gewinn der Traumfabrik einen größeren Anteil.

Die amerikanischen Fernsehzuschauer bekamen den Streik noch am gleichen Tag zu spüren. Die beliebten Late Night Shows von Jay Leno und David Letterman fielen aus. Man möchte meinen, dass sich Profis wie Leno oder Letterman nach mehr als 20 Jahren Late Night Show auch allein auf die Bühne trauen, um Witze über konservative Senatoren zu machen, die auf Flughafentoiletten nach homosexuellen Erfahrungen suchen oder über Popsternchen, die ohne Unterwäsche einkaufen gehen. Aber nein, "ohne Autoren kann ich nicht lustig sein. Ohne sie, bin ich ein toter Mann," erklärte Leno gegenüber Reportern.

Zwar wurde vor dem absehbaren Streik noch so viel wie möglich gedreht, doch in Amerika liegen Produktion und Sendetermin sehr dicht beieinander. Daher droht die akute Gefahr, dass TV-Serien aus Mangel an neuen Geschichten den Sendebetrieb einstellen.

Müssen die Fans von CSI, Dr. House oder Desperate Housewives in Deutschland schon bald auf ihre Serien verzichten? "Wir haben in Deutschland ausreichend Puffer", sagt Moritz Pohl von der RTL-Programmplanung gelassen. In Deutschland kommen amerikanische Serien erst mit halbjähriger Verspätung ins Programm.

Mit Filmen und Fernsehformaten setzt die amerikanische Unterhaltungsindustrie jedes Jahr 30 Milliarden Dollar um. Doch dass die Grundlage jeder Film- oder Fernsehproduktion die Kreativität von Autoren ist, wird von Hollywood seit jeher verdrängt.

Hollywood funktioniert in Kürze etwa so: Der Produzent ist der Boss, denn ihm vertrauen die Investoren ihr Geld an. Der Star ist ein Gott, denn er gilt in einer Industrie, für die es kein hundertprozentiges Erfolgsrezept gibt, als beste Garantie, drohende Flops zu verhindern. Der Regisseur wird zum unbestrittenen Chef, sobald die Dreharbeiten erst einmal begonnen haben. Nur der Autor kommt ganz zum Schluss. Er soll termingerecht eine Geschichte abliefern und sich mit einem kleinen Stück des Kuchens zufrieden geben. Der Autor sitzt nicht in der ersten Reihe. Er muss abtreten, bis er wieder gebraucht wird.

Auch wenn es ums Geld geht, ziehen Autoren den Kürzeren. Nicht ohne Grund haben sich die Studios nicht geschämt, den Autoren einen Anteil am Nettogewinn der Filme anzubieten. Jeder in Hollywood weiß, dass ein Film nach Hollywood-Buchhaltung noch nie Profit abgeworfen hat.

Hollywood liebt den Glamour, seine kreativen Schreiberlinge liebt es nicht. Das wusste schon der kürzlich verstorbene Regisseur Robert Altman und nahm sich in seiner preisgekrönten Hollywood-Satire "The Player" der Thematik an. In Altmans Film erhält ein Produzent Drohbriefe von einem Unbekannten Drehbuchautor. Der Produzent begibt sich auf die Suche nach dem unbekannten Erpresser, tötet durch eine Verwechslung einen anderen Drehbuchautor und kommt am Ende ungeschoren davon. In einer Szene des Films bringt der Produzent seine Meinung über Autoren auf den Punkt: "Ich dachte mir, welch ein interessantes Konzept es wäre, den Autoren aus dem kreativen Prozess zu verbannen. Wenn wir nur irgendwie diese Autoren loswerden könnten, das wäre doch was."