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Holocaust-Forscher: Bei Jugendlichen "ein gewisser Übersättigungs- und Überdrusseffekt" festzustellen

27. Januar 2004

Prof. Micha Brumlik, Leiter des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt am Main, im Interview mit DW-RADIO

https://p.dw.com/p/4bk0
Micha Brumlik

Nach Ansicht des Frankfurter Holocaust-Forschers Prof. Micha Brumlik wissen Deutschlands Jugendliche "mit Sicherheit nicht", wie der Nationalsozialismus "entstanden ist und wie er intern funktioniert hat". Von historischen Detailkenntnissen könne man hierzulande "überhaupt nicht mehr ausgehen", sagte der Leiter des Fritz-Bauer-Instituts in einem Interview von DW-RADIO. Doch seien deutsche Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich immer noch besser über das Dritte Reich informiert als die Jugendlichen anderer Nationen.

Unter Deutschlands Schülern, so Brumlik in der Deutschen Welle, sei bei diesem Thema ein "gewisser Übersättigungs- und Überdrusseffekt" festzustellen, freilich ohne, dass es zu intensiven Studien käme, die haften blieben. "Die Diskussion um Schuld und Täterschaft verunsichert Jugendliche dann, wenn sie den Eindruck erhalten, dass es hier um Kollektivschuld ginge." Es komme darauf an, zu sagen, dass das mit Schuld überhaupt nichts mehr zu tun habe, "sondern mit staatsbürgerlicher Verantwortung, die alle Bürger der Bundesrepublik zu übernehmen haben". Verantwortung sei nicht dasselbe wie Schuld, betonte der Holocaust-Forscher im deutschen Auslandsrundfunk.

Besuche in Gedenkstätten könnten viel leisten, müssten aber "gut vor- und nachbereitet" werden. "Nur mal hinzufahren, reinzugehen und wieder rauszugehen, ist vermutlich ein stärkerer Faktor zur Zerstörung historischen Bewusstseins, als dort überhaupt nicht hinzufahren", so Brumlik.

27. Januar 2003
016/04