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Kein Ende in Sicht

Philipp Bilsky6. Oktober 2014

Die Zahl der Demonstranten auf den Straßen von Hongkong geht zurück. Trotzdem dürften die Proteste in mehreren Stadtteilen noch eine ganze Zeit weitergehen, glaubt Philipp Bilsky.

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Hongkong: Studenten und Regierung sind einig über Verhandlungen (Foto: dpa/picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/MAXPPP

Es waren eindrucksvolle Szenen, die man in den vergangenen Tagen im Hongkonger Regierungsviertel beobachten konnte: Freiwillige, die eine ganze Infrastruktur aufgebaut hatten, um die Proteste erst zu ermöglichen. Durch Spenden bestückte Versorgungsstationen. Eine eigene Müllabfuhr. Übersetzerdienste für Journalisten. Alles freiwillig und ehrenamtlich. Befeuert - so schien es - durch einen kaum zu bremsenden Enthusiasmus. Der Überzeugung, gemeinsam für eine gute Sache zu kämpfen.

Die Hauptforderung der Protestbewegung ist klar: Eine demokratische Direktwahl des Hongkonger Verwaltungschefs - und zwar ohne Vorauswahl von Kandidaten. Neben dieser Hauptforderung gab es vor allem zwei Ereignisse, die noch weitere Massen auf die Straßen trieben: Die Empörung über den Einsatz von Pfefferspray und Tränengas durch die Polizei. Und die Angriffe von Gegendemonstranten auf Studenten - verbunden mit dem Gefühl, nicht ausreichend von den Behörden geschützt zu werden. Die Proteste gipfelten in einer gigantischen Demonstration gegen Gewalt am vergangenen Samstag. Die Bilder zehntausender Menschen, die ihre erleuchteten Handys in der Dunkelheit schwenken, sind nur schwer zu vergessen.

Nun geht die Zahl der Demonstranten zurück. Massive Polizeieinsätze und gewalttätige Ausschreitungen gegen Studenten hat es - zumindest in dem Ausmaß wie zuvor - nicht mehr gegeben. Bei einigen Demonstranten, so scheint es, zeigen sich Ermüdungserscheinungen. Viele sind seit Tagen auf der Straße und brauchen offenbar eine Pause. Darüber hinaus sind die Feiertage zu Ende. Die Menschen müssen wieder in die Büros oder in den Hörsaal.

Und trotzdem werden die Proteste nicht nur im Regierungsviertel, sondern auch in anderen Teilen der Stadt weitergehen. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen organisiert sich die Bewegung mittlerweile dezentral über die sozialen Medien. Viele Beobachter und Demonstranten hatten in den vergangenen Tagen den Eindruck, dass Studentenorganisationen und Occupy-Central-Bewegungen oft nur noch Impulse geben. Nicht immer war klar, wer wann welche Entscheidungen traf - und vor allem: wer den getroffenen Entscheidungen folgte. Die Aufforderung von Studentenführern beispielsweise, sich aus dem umkämpften Stadtviertel Mong Kok zurückzuziehen, ignorierten viele Studenten. Oder wie es ein Demonstrant in Mong Kok formulierte: "Wir werden nicht von Menschen geführt, sondern von Ideen."

Philipp Bilsky, Leiter der Chinesischen Redaktion der DW (Foto: DW)
Philipp Bilsky, Leiter der Chinesischen Redaktion der DWBild: DW/M.Müller

Und damit wären wir beim zweiten Grund: Denn zumindest bei der Hauptidee gibt es bislang keine sichtbaren Fortschritte. Beide Seiten beharren auf ihren Positionen. Kompromissvorschläge standen nie zur Diskussion. Auf welchem Wege Gespräche zwischen der Hongkonger Regierung und Studentenorganisationen zu einem Ergebnis führen sollen, ist vollkommen unklar. Von einer demokratischen Direktwahl des Hongkonger Verwaltungschefs sind die Demonstranten heute noch so weit entfernt wie vor zwei Wochen. Bis wieder Taxis über die Kreuzungen in Mong Kok und im Hongkonger Regierungsviertel fahren, dürfte daher noch einige Zeit vergehen.