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Hunderte von Einzelfällen

10. Januar 2004

Die BSE-Krise nimmt kein Ende. Die Pannenserie bei den Tests in Deutschland nimmt immer größere Ausmaße an - dagegen spricht die EU aber immer noch von "Einzelfällen".

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Getestet oder nicht getestet?Bild: AP

Das Ausmaß der Pannen bei BSE-Tests wird immer größer. Nach Angaben des Bundesverbraucherministeriums steht bislang fest, dass 2003 allein bis zum 30. September das Fleisch von 611 nicht getesteten Rindern in den Handel kam. "Wir rechnen noch mit einigen hundert zusätzlichen Fällen", sagte Staatssekretär Alexander Müller am Freitag (9.1.). Müller berichtete, weitere 374 Rinder seien am Schlachttag exakt 24 Monate alt gewesen. Damit sei unklar, ob es eine Testpflicht gegeben habe.

In Deutschland wurde die Tierseuche vor gut drei Jahren erstmals festgestellt. Seither müssen alle über 24 Monate alten Rinder, die geschlachtet werden, mit BSE-Schnelltests untersucht werden. BSE-infiziertes Rindfleisch steht im Verdacht, bei Menschen die tödliche Creutzfeld-Jakob-Krankheit auszulösen.

Prozentual ein geringes Risiko?

Insgesamt wurde 2003 bei knapp drei Millionen BSE-Tests in 54 Fällen die Rinderkrankheit festgestellt. Daher hält das Ministerium die Wahrscheinlichkeit für "äußerst gering", dass unter den nicht getesteten Rindern an BSE erkrankte Tiere waren. Der Grund: Man geht davon aus, dass im Schnitt eins von 50.000 Tieren erkrankt ist.

Trotzdem werden in den Bundesländern weiter unklare Fälle, bei denen kein Testergebnis in der bundesweiten Schlachtdatenbank vermerkt war, überprüft. Gegen einige
Schlachtbetriebe, Metzgereien und Tierärzte ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Fleischhygienegesetz. Ein Teil der ungetesteten Tiere soll schwarz geschlachtet worden sein.

Von den bundesweit rund 17.000 Zweifelsfällen sei bislang etwas mehr als die Hälfte überprüft worden. Laut Müller wurden die Länder verpflichtet, die Bundesregierung täglich über den Fortgang der Untersuchungen zu informieren.

EU wurde eingeschaltet

Nach den Fehlern, Versäumnissen und unter Umständen kriminellen Machenschaften bei BSE-Tests hat Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) die EU-Kommission eingeschaltet. In der nächsten Woche werde Brüssel ein ausführlicher Bericht vorgelegt, sagte eine Ministeriumssprecherin. Sollten die Bundesländer feststellen, dass Rindfleisch ohne den obligatorischen BSE-Test ins Ausland gelangt sei, müssen sie diese Informationen in das EU-weite Schnellwarnsystem weitergeben.

Keine Konsequenzen der EU - vorerst

Die EU-Kommission wird nach Angaben aus EU-Kreisen vorerst keine Konsequenzen wegen der Pannen bei BSE-Tests in Deutschland verlangen. "Bislang sehen wir dies als Einzelfälle", sagte ein EU-Beamter am Freitag (9.1.) in Brüssel. Derzeit seien keine Exportbeschränkungen oder rechtliche Schritte gegen Deutschland geplant.

Ein Sprecher sagte, die Kommission habe über das EU-Schnellwarnsystem erste Informationen aus Deutschland an die anderen EU-Staaten weitergegeben und aus Berlin Angaben über den Verbleib des nicht getesteten Rindfleisches verlangt. Eine Frist für die verlangte Informationen gebe es nicht. Die deutschen Behörden bräuchten Zeit für ihre Ermittlungen. Die Kommission wolle unter anderem wissen, ob nicht getestetes Rindfleisch in andere EU-Staaten exportiert worden sei.

Forscher gegen Massentests

Angst vor nicht getestetem Fleisch haben jedoch nicht alle. Der Mainzer Mikrobiologe Sucharit Bhakdi sagte der "Süddeutschen Zeitung", der BSE-Massentest sei Geldverschwendung. "Drei Millionen gesunde Rinder werden getestet - angesichts der Zahl von 54 infizierten Rindern ist das Unsinn." Auch der Heidelberger Molekularbiologe Professor Konrad Bayreuther plädierte für eine Abschaffung der flächendeckenden Tests: "Deutschland erstickt an seinen Sicherheitsbedürfnissen." (sams)