1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Interview zu US-Kopfgeld

Nadina Schwarzbeck4. Juni 2013

23 Millionen US-Dollar bieten die USA für Hinweise auf fünf westafrikanische Terrorverdächtige. Der Politikwissenschaftler Hussaini Abdu kritisiert diese Praxis.

https://p.dw.com/p/18ji6
Hussaini Abdu, Politologe und Analyst aus Nigeria (Foto: Husseini Abdu)
Hussaini AbduBild: Hussaini Abdu

Deutsche Welle: Die USA haben am Montag (03.06.2013) ein Kopfgeld auf fünf Islamisten aus Westafrika ausgesetzt, darunter auch Abubakar Shekau, der mutmaßliche Chef der islamistischen Sekte Boko Haram, die dem Terrornetzwerk Al Kaida zugeordnet wird. Warum greifen die USA ausgerechnet jetzt ein?

Hussaini Abdu: Letztes Jahr haben die Amerikaner Abubakar Shekau und drei weitere (Anm. d. Red.: Mitglieder von Boko Haram) offiziell zu Terroristen erklärt und auch festgelegt, dass sie nicht in die USA oder in Staaten reisen dürfen, die Verbündete der Amerikaner sind. Dass sie jetzt das Kopfgeld auf ihre Ergreifung ausgesetzt haben, ist eine Fortsetzung dieser Politik. So handeln sie weltweit, wenn sie Individuen als Terroristen deklariert haben. Mit diesem Vorgehen bin ich nicht einverstanden, aber das ist die amerikanische Art, mit solchen Situationen umzugehen.

Ist das eine kluge Entscheidung?

Mir fällt keine Situation ein, in der die Amerikaner damit Erfolg gehabt hätten. Ob es im Iran, im Irak oder in anderen Ländern war - sie waren damit nie erfolgreich. Das Kopfgeld scheint also nicht zu funktionieren. Sie haben es hier mit einem islamistischen Aufstand zu tun. Anstatt unsere Bevölkerung dazu zu bekommen, ihnen bei der Suche zu helfen, indem sie sie mit dem Kopfgeld locken, erreichen die USA eher, dass die Bevölkerung mit den Islamisten sympathisiert. Der beste Ansatz wäre, wenn die Amerikaner sich raushalten würden.

Washington hat das Vorgehen der nigerianischen Regierung gegen den Terror mehrfach als nicht umfassend genug kritisiert. Zeigt das Kopfgeld, dass die US-Regierung auch in die neueste militärische Offensive von Nigerias Präsident Goodluck Jonathan gegen Boko Haram kein Vertrauen hat?

Da mag etwas dran sein. Ich weiß nicht, inwiefern eine Beratung zwischen der nigerianischen Regierung, der nigerianischen Sicherheitsabteilung und den Amerikanern stattgefunden hat. Aber die Amerikaner haben in der Tat kritisiert, wie die nigerianische Regierung mit der Situation umgeht. Seit rund drei Jahren sagen sie, dass die Situation im Nordosten Nigerias nicht nur durch militärisches Eingreifen verbessert werden kann. Sozioökonomische Themen seien auch ein Grund für den Aufstand. Mit dieser Kritik waren die Amerikaner sehr deutlich. Und sie zeigen sich besorgt darüber, dass auch immer wieder Zivilisten umgebracht werden, wie vor kurzem in Baga, oder dass die Menschen zum Beispiel in den Bundesstaaten Yobe und Borno in einem Ausnahmezustand leben und keinen Zugang zu Informationen haben. Außerdem sind die Preise für Lebensmittel in den Regionen, in denen der Ausnahmezustand herrscht, extrem stark gestiegen. Die Kinder haben keinen Zugriff auf Lebensmittel, die Gesundheitsversorgung stößt an ihre Grenzen und der Zugang zu Krankenhäusern ist erschwert.

Wie könnte die internationale Gemeinschaft sinnvoll im Kampf gegen Boko Haram helfen?

Die internationale Gemeinschaft könnte die Schwachstellen der Regionen im Nordosten stärker ins Visier nehmen - vor allem makro-ökonomische Themen. Die sind ein wichtiger Indikator für die Entwicklung dieser Region. Die Situation dort ist schlecht und viele Menschen leben unter der Armutsgrenze. Sie sind ärmer als der Durchschnitt im ganzen Land. Arbeitslosigkeit, Analphabetismus, eine schrumpfende Wirtschaft und der Klimawandel sind die Themen, auf die man sich konzentrieren sollte. Das sind auch die Themen, die junge Menschen dazu bringen, sich manipulieren zu lassen und sich an militanten Aktionen zu beteiligen. Militärisches Eingreifen kann nur temporär etwas verändern und temporär dafür sorgen, dass Menschen keine Bomben mehr hochgehen lassen.

Der Politikwissenschaftler Hussaini Abdu ist freiberuflicher politischer Analyst. Er lebt in Nigeria und arbeitet unter anderem für die Nichtregierungsorganisation ActionAid International.