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Hut ab!

Victoria von Gottberg 11. November 2008

Noch ist es in Moskau nicht kalt genug, damit der Schnee liegen bleibt, aber der Spätherbst hat Einzug gehalten. Wenn die Tage kürzer werden und der Wind schärfer, beginnt in Moskau die Schapka-Saison. Eine Typologie.

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Bild: DW

Es ist ein alljährliches Spektakel russischer Lebenskunst. Zu sehen gibt es den cat walk der Hüte kostenlos und überall: auf der Straße, in Geschäften oder auf den Rolltreppen die in die tiefen Metrostationen führen. Neben dem modischen Aspekt ist der Hut oder eine warme Mütze von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Wenn wir vor Kälte bibbern oder zittern, hilft eine Kopfbedeckung, denn der Mensch verliert bekanntlich bis zu 60% seiner Körperwärme über den Kopf. Die Russen haben diese nützliche Eigenschaft erkannt und die Kopfbedeckung zu einem ihrer markantesten Markenzeichen entwickelt.

Jeder, der selbst noch nie in Russland war, kennt aus Filmen, von Photos oder Postkarten den Klassiker der russischen Mützen - die Schapka. Die meist braune Fellmütze hat Ohrenklappen, die man oberhalb der Mütze oder unterhalb des Kinns zusammenbinden kann. Genauer gesagt heißt diese Schapka "Uschanka", denn "Schapka" heißt auf Russisch ganz allgemein "Mütze". Und derer gibt es zwischen St. Petersburg und Wladiwostok viele. Aus Wolle, Baumwolle, Fell, Synthetik oder Filz. Eng sitzende, lässig dahin schlabbernde, hochstehende oder flach anliegende. In gedeckten Farben wie schwarz oder grau, im grellen Modefarben rot, in violett oder pinkgelb, kindgerechten Farben von mintgrün bis puppenrosa oder einfach neutralem weiß.

Inspirationslose Herren

Grob unterscheiden kann man zwei Gruppen – die Herren- und die Damen-Hutmode. Ja, liebe Herren, Ihr liebt in Moskau recht einfache Modelle. Die hohe Kunst der Mützenvielfalt überlasst Ihr lieber den Frauen. Euch reichen drei Arten von Kopfbedeckungen: einfache Wollmützen, Baseballkappen in tiefblau oder schwarz oder Schiebermützen. Je älter der Mann und je spärlicher die Haare, umso größer wird der Schieber vor der Mütze.

Und dann kommt das weite Feld der Damen. Sie, liebe Damen - ich kann mich als Nichtrussin qua Mützenunkenntnis nicht dazu zählen - füllen dieses Feld der Mode in Russland mit viel Kreativität und dem größten Selbstbewusstsein aus. Respekt!

Bunte Damen

Da sind zuerst die jungen Mädchen, die ihre ersten modischen Schritte gehen und passend zum Schal in hellgrün oder den weißen Turnschuhen sportliche Mützen tragen. Gestrickte, mit Muster versehene, eng anliegende und aerodynamische Kopfbedeckungen. Die jungen Damen, ihres Zeichens ältere Schülerinnen, Studentinnen oder junge Mütter probieren schon deutlich mehr aus. Hier reicht das Repertoire von Mützen völlig freier Formen, die vom Kopf bis zum Hals schlabbern, über urige Mao Tse-tung-Mützen, gestrickte Modelle mit Schmetterlingen oder einer pikanten Spitze gekrönt bis hin zu echten Filzhüten, die unsere Urgroßväter in den 20er Jahren getragen haben könnten.

Die wahren Kennerinnen im Bereich Mütze sind aber eindeutig die Damen ab Ende dreißig. Sie haben den Mut, die Erfahrung und die nötige Nonchalance, Kopfbedeckungen aller Art zu tragen. Denn schließlich macht die Haltung den halben Hut aus. Da tauchen neben mutigen Farben wie hellblau, violett und orange auch mutige Stoffe auf: Cord, Seide und Felle. Daraus formen sich Mützen, die sich wie Muscheln um die Köpfe winden. Sie schenken der Dame einen dezenten Farbflecken in Form einer Baskenmütze, verleihen mit einer kecken Krempe dem farblich so oder so schon abgestimmten Äußeren noch das letzte i-Tüpfelchen oder hauchen durch ein lässig dahin geschwungenes Tuch dem russischen Wind eine Spur Florenz ein.

Revolutions-Rot

Ob Mütze oder Hut, der Formen gibt es viele. Nun fragen Sie sich vielleicht, welche Mütze ich als Nichtrussin in Moskau trage? Ich habe mich für die kulturelle Zwischenform entschieden: die Form einer Jakobinermütze der französischen Revolution, in Deutschland hergestellt, in der Farbe der russischen Revolution – rot.