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Kritischer Zeitgenosse

8. August 2009

Viele seiner Romane sind Bestseller, seine "Entdeckung der Currywurst" wurde verfilmt. Ein Gespräch mit Uwe Timm über Kriminalität unter Bankern, Chancen im Internet und die deutsche Sprache in einer globalisierten Welt.

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Der Schriftsteller Uwe Timm
Der Schriftsteller Uwe TimmBild: Markus Kirchgessner

DW-WORLD: Herr Timm, die Sprache ist das Werkzeug der Schriftsteller, auch Ihres natürlich. Dem Deutschen sagt man eine besondere Sperrigkeit nach - leiden Sie gelegentlich an der Sprache oder loben Sie eher die Schönheiten und das Differenzierte an der deutschen Sprache?

Uwe Timm: Ich mag die deutsche Sprache sehr. Ich finde den Klang wunderbar. Ich höre mich selbst beim Schreiben auch sozusagen sprechen. Ich habe eine Stimme im Kopf, ohne dass ich laut werde, und finde gerade auch diesen Rhythmus wichtig beim Schreiben. Ich schreibe so lange um, bis es gut klingt, richtig gut klingt.

Ärgert Sie manchmal die Übermacht des Englischen in der Sprache des Alltags, in der Wissenschaft, auch in Politik und Wirtschaft?

Es stört oder ärgert mich nicht. Viel interessanter ist doch, was die deutsche Sprache bedeutet und was sie beeinflusst - die Literatur, die Kultur, die durch sie vermittelt wird. Im Augenblick ist der deutsche Film sehr interessant, die deutsche Literatur ist wieder interessant geworden, weil sie nicht mehr nur auf sich selbst bezogen, kopflastig und langweilig ist, sondern weil wieder erzählt wird. Ingo Schulze, Julia Franck und viele andere, auch jüngere Autoren - also das finde ich sehr spannend. Dies wird international auch so wahrgenommen. Und plötzlich wird deutsche Literatur wieder verstärkt übersetzt. Das war ja jahrelang gar nicht so.

Heute diskutiert man über die Fragen des Urheberrechts und des Autorenschutzes im Internet-Zeitalter. Betrachten Sie die Digitalisierung, das digitale Verfügbarmachen von literarischen Texten eher als eine feindliche Übernahme oder als eine Chance?

Also ich denke, es ist eine große Chance. Ich nutze das Internet ja auch für mich. Natürlich ist es eine Frage, wie man damit umgeht. Im Augenblick wäre es allerdings absurd, wenn man ins Netz gestellte Bücher, einen Roman zum Beispiel, selber ausdrucken würde. Das wäre teurer, als sich ein Taschenbuch zu kaufen. Mit e-Books ist es ein Problem, weil man nicht kontrollieren kann, wer das übernimmt, wer das abruft. Aber da wird es sicherlich demnächst juristische Möglichkeiten geben. Das Medium selbst betrachte ich aber als großartige Chance.

Sie thematisieren in Ihren Romanen besonders häufig zeitkritische Sujets, werfen einen nachdenklichen Blick in die Gesellschaft. Sind eigentlich die Zeiten der Finanzkrise interessant für einen Schriftsteller? Die Banken, die Finanzjongleure, all das, was auch in Ihrem früheren Roman "Kopfjäger" ja schon einmal angesprochen wurde.

Ja, Sie haben ganz Recht. "Kopfjäger" behandelt natürlich genau das: den wirklich kriminellen Umgang der Banken mit Anlagen, diese ganze Scheinwelt. Man kann sich das alles gar nicht mehr vorstellen. Was sind 500 Milliarden für uns, die wir schon Probleme mit der Zahl 5000 haben?! Das hat mich damals schon interessiert. Das Problem ist geblieben. Es ist unglaublich. Ich verstehe mich als einen wirklich gesellschaftskritischen Zeitgenossen. Das bin ich natürlich dann auch schreibend, weil mich das interessiert. Und die Wirklichkeit ist eben leider nicht so, wie man sie sich wünscht.

Das Gespräch führte Cornelia Rabitz

Redaktion: Aya Bach