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"Ich bin Eminem"

Das Gespräch führte Klaudia Prevezanos17. Februar 2003

Der russische Autor Wladimir Kaminer spricht über die Berlinale, russisches Kino, die DDR als Kunstwerk und was ihn mit Eminem verbindet. Sein eigener erster Film soll in diesem Jahr gedreht werden.

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Keine Lust auf ein Bankett mit Di CaprioBild: Wladimir Kaminer

Bei der Berlinale geht es um Kino. Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?

Ich bin ein fleißiger Kinobesucher und gehe eigentlich in fast jeden Film, der Aufmerksamkeit erregt. Außer in Teenagerkomödien und Schnulzen. Meine Frau und ich sind ganz stolz darauf, dass wir nicht in "Titanic" waren. "8 Mile" habe ich zuletzt gesehen. Ich hatte vorher viel über den Film gelesen und dachte, den muss ich mir nicht angucken. Ich bin kein großer Freund von Rap. Dann bin ich doch reingegangen und es war ein tolles Erlebnis. Die Musikszene darin ist meiner Berliner Szene, der Vorlesebühne und meiner "Russendisko", sehr ähnlich. Als ich gesehen habe, wie Eminem im Bus sitzt mit seinem Zettel und Stift, aus dem Fenster schaut und versucht, irgendwelche Sprüche auf Werbeplakaten miteinander zu reimen, habe ich mich sofort erkannt und gedacht: "Ich bin Eminem".

Welchen Film wollen Sie auf der Berlinale unbedingt sehen?

Auf jeden Fall möchte ich "Good Bye, Lenin!" sehen. Viele schreibende Kollegen von mir sind aus dem Osten und ich sehe, dass die immer mehr ihre Vergangenheit verarbeiten und die Thematik immer interessanter wird. Je mehr Zeit vergeht, umso skurriler erscheint die DDR vielen. Wenn ein Schriftsteller aus dem Osten auf unserer Vorlesebühne Geschichten aus seiner Jugend erzählt und im Publikum sitzen westdeutsche Gymnasiasten, dann lachen die sich tot. Die glauben kein Wort. "Good Bye, Lenin!" interessiert mich auch deshalb, weil fast das gesamte Team aus Westdeutschen besteht. Im Grunde genommen verwandelt sich die gesamte DDR in ein Kunstwerk, weil es ein Land ist, das nicht mehr existiert. Das interessiert mich, weil ich aus der Sowjetunion stamme, die es ebenfalls nicht mehr gibt. Ich habe neulich mit Kinoleuten aus der Schweiz gesprochen und ein junger Regisseur sagte, er beneide Menschen, die historische Ereignisse am eigenen Leib erfahren haben. In seinem Leben gab es bisher nur den Börsencrash. Darüber macht er jetzt einen Film.

Von den Filmen des "Neuen Russischen Kinos" auf der Berlinale dürfte nur "Shik" ein größeres Publikum interessieren, weil er vom gleichen Regisseur wie "Luna Papa" stammt, Bakthijar Khundojnazarow. Gibt es hier genug Interesse an russischen Filmen?

Ich denke schon, dass es in Deutschland Interesse für russische Filme gibt, aber man muss die richtigen Leute holen. Im vergangenen Jahr war China ein Schwerpunkt beim Berlinale-Forum. Seitdem ist in dem Land einiges passiert und viele behaupten, dass China heute die interessanteste Kinolandschaft hat. Ich habe beobachtet, dass junge russische Filmemacher viel versprechende Arbeiten im vergangenen Jahr gemacht haben. Sie kommen damit aber nicht zur Berlinale. Stattdessen zeigen die ihre Werke in Venedig oder zuerst in den USA. Zum Beispiel Kira Muratova. Oder Aleksandr Sakurov. Ich sehe dafür zwei Gründe: Entweder hat es zeitlich nicht geklappt, was bei diesen Festivals oft vorkommt. Oder die Russen halten die Berlinale wirklich für weniger wichtig als das Filmfest in Venedig.

Sie sind mit Büchern bekannt geworden, nun haben Sie eine CD herausgebracht und ein Theaterstück uraufgeführt, das eigentlich als Drehbuch gedacht war. Wann kommt Ihr erster Film?

Den will ich schon seit Jahren machen, aber das deutsche Kino ist sehr langsam, weil es immer auf staatliche Förderung angewiesen ist. Es dauert Jahre, bis das Geld für einen Film zusammen ist. Ich habe bereits ein Drehbuch geschrieben: "Die Panzerknacker." Actiongeladen und komisch. Darin kommen die Hauptpersonen nach Berlin, um einen Schatz zu finden. Als sie ihn haben, werden sie ihn nicht mehr los, was ein großes Problem darstellt. Der Film liegt jetzt bei verschiedenen Firmen und wartet auf Förderung. Er wird aber hoffentlich dieses Jahr gedreht. Ich würde ihn natürlich lieber als großen Kinofilm produzieren lassen als fürs Fernsehen. Und zur nächsten Berlinale einreichen.

Sie gelten als guter Beobachter. Gehen Sie wegen der Filme oder wegen des Publikums zur Berlinale?

Ich erwarte auf solch einem Festival Filme zu sehen, die sonst nicht gezeigt werden. Darum gehe ich am liebsten zum Forum der Berlinale. Beim Wettbewerb mit den großen Filmen kann man sicher einiges interessantes Verhalten beobachten. Da kommen viele hin, die Prominente sehen wollen. Aber mich interessiert das nicht sehr. Wir waren neulich auch zu einer Veranstaltung mit Leonardo Di Caprio und Steven Spielberg eingeladen. Meine Frau meinte erst: "Los, gehen wir doch mit Di Caprio einen trinken." Aber ich hatte zutun und keine richtige Lust. Als wir hinterher darüber gelesen haben, waren wir ganz froh nicht dort gewesen zu sein, weil das Ereignis so aufgebläht war.

Festivalleiter Dieter Kosslick hat gesagt, dass er die Berlinale nicht unterbrechen wird, wenn der Krieg gegen den Irak beginnt. Was würden Sie machen?

Schwierige Frage. Ein Festival ist zwar ein großes Geschäft, aber ich hätte keine Lust es fortzusetzen, wenn der Krieg beginnt. Ich denke, ich würde es abbrechen.