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Bilanz

Das Interview führte Ina Rottscheidt15. Januar 2009

Ebrahim Yazdi war Khomeinis Berater und erster Außenminister der 1979 im Iran ausgerufenen Islamischen Republik. Im DW-WORLD.DE-Interview zieht er Bilanz, was von dieser Revolution heute noch übrig geblieben ist.

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Dr. Ebrahim Yazdi, Generaldirektor der Iranischen Freiheitsbewegung, Foto: AP
Yazdi: 'Heute haben wir es mit einer anderen Form von Despotismus zu tun'Bild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Yazdi, als Sie sich vor 30 Jahren an der Revolution im Iran beteiligten, was waren Ihre politischen Visionen?

Ebrahim Yazdi: Unser Bestreben waren damals Souveränität, Grundrechte und Freiheit. Wir hatten nichts gegen den Schah persönlich, aber er verletzte unsere Verfassung, unsere Grundrechte, er war ein brutaler Despot, darum haben wir ihn bekämpft.

Und wie sieht ihre Bilanz 30 Jahre später aus?

Leider hat sich diese Vision nicht erfüllt, wir haben unsere Ziele nicht erreicht. Im Gegenteil: Später haben sie sich – aber das ist wohl das Problem von vielen Revolutionen – ins Gegenteil verkehrt. Gesellschaften kehren dann zu der früheren oder einer ähnlichen Struktur zurück. Wir haben es heute leider im Iran mit einer anderen Form von Despotismus zu tun.

Was ist schief gelaufen? Warum konnten Sie ihre Ziele nicht verwirklichen?

Unser strategischer Fehler war, dass wir nur den Schah stürzen wollten. Keiner hatte sich überlegt, was danach zu tun ist. Schon am Tag nach dem Umsturz wurde die Differenzen offensichtlich: Auf der einen Seite waren die Intellektuellen, die eine demokratische Republik wollten, auf der anderen Seite die Klerikalen, die die Menschen für unmündig und unselbstständig hielten. Für einige war eine Republik sogar Blasphemie. Sie wollten ein traditionelles "khilafah", ein Kalifat, einrichten

Und es war der Klerus, der die Menschen mobilisieren konnte, während die Intellektuellen in der Minderheit waren: Sie und ihre politischen Netzwerke waren bereits vom Schah systematisch zerstört worden. Darum erlangten die Klerikalen bei den ersten freien Wahlen auch die Mehrheit, das einfache Volk ließ sich von ihnen beeinflussen, um nicht zu sagen: manipulieren. Darum haben wir nichts erreicht, wir hatten nicht genug Macht.

Wie ist das Leben heute im Iran, 30 Jahre nach der Revolution?

Dr. Ebrahim Yazdi, Generaldirektor der Iranischen Freiheitsbewegung, Foto: AP
Yazdi: 'Wir haben strategische Fehler gemacht'Bild: AP

Es ist hart, vor allem seit Ahmadinedschad den politischen Druck auf die Intellektuellen erhöht hat. Aber der Weg zur Demokratie ist nie einfach. Wir haben schon viel erreicht, aber es liegt auch noch ein Weiter weg vor uns. Ich bin enttäuscht, aber nicht verzweifelt und ich werde mich weiter für die Freiheit im Iran engagieren.

70 Prozent der Iraner sind heute unter 30 und haben die Revolution gar nicht mehr miterlebt. Hat die Iranische Revolution für sie noch eine Bedeutung?

Für sie ist die Revolution ein geschichtliches Ereignis, sie haben keinen Bezug dazu. Trotzdem müssen sie sich tagtäglich damit auseinander setzen: Sie müssen mit dem religiösen Dogmatismus leben, die wirtschaftliche Lage ist schlecht, ihre Zukunftsperspektiven sind schlecht, die Arbeitslosigkeit und die Unsicherheit sind groß. Die jungen Menschen machen sich Sorgen, sie sind enttäuscht und verzweifelt.

Und das ist ein großes Problem für die Politik: Die Klerikalen verstehen die Sorgen dieser Generation nicht, und die Jugendlichen wissen nicht, wie sie mit der politischen Situation umgehen sollen. Sie sind anders als wir damals: Sie sind Ich-bezogener, sie versuchen erstmal, ihre persönlichen Probleme zu lösen und nicht die einer ganzen Gesellschaft. Allerdings weiß ich nicht, wie sich unter diesen Umständen etwas ändern soll: Einerseits ist die junge Generation völlig unpolitisch, sie wollen damit nichts zu tun haben. Andererseits betreffen die Auswirkungen sie überall im Alltag und sie müssen sich damit auseinander setzen. Ich glaube, die Jugend muss sich auch ändern.

Im Iran werden im Juni Präsidentschaftswahlen abgehalten. Wird sich dann etwas im Iran ändern?

Die Wahlen sind sehr wichtig: Auf der einen Seite stehen die so genannten Fundamentalisten oder Traditionalisten. Aber sie sind gespalten und sie haben keine richtige politische Agenda. Ahmadinedschad war mit dem Versprechen angetreten, Gerechtigkeit für die Massen zu bringen. Aber anstatt dessen hat er das Land in ein wirtschaftliches Desaster geführt. Das sehen selbst die Radikalsten mittlerweile so. Von daher sind seine Chancen sehr gering, wieder gewählt zu werden.

Auf der anderen Seite stehen die Reformer. Aber auch sie sind sich nicht einig, was sie machen wollen und wie. Darum kann man schwer voraussagen, was bei den nächsten Wahlen passieren wird. Chatami hat zum Beispiel ein großes Potential, aber was hat er für ein politisches Programm? Ich weiß es nicht. Er sollte alle seine Kräfte darauf bemühen, um eine Reformer-Koalition zu schmieden, aber ich weiß nicht, ob er dazu in der Lage sein wird.



Ebrahim Yazdi war Berater Ayatollah Khomeinis und erster Außenminister der iranischen Regierung nach 1979. Heute ist er Vorsitzender der oppositionellen "Iranischen Freiheitsbewegung", die offiziell als verboten gilt.