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Und tschüss...

2. Juni 2009

Dass Spieler und Verein einen Vertrag abschließen und beide nicht daran glauben, dass dieser erfüllt wird, ist zur Bundesliga-Normalität geworden. Jetzt hat diese Kultur offenbar auch die Trainer erreicht.

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Portraitbild von Christoph Daum (Foto: AP)
"Ich bin weg" - Daum verlässt Köln, einfach soBild: AP

Es war das dritte vorzeitige "Tschüss, ich bin dann mal weg" eines Bundesliga-Trainers binnen einer Woche. Christoph Daum schickt erst ein Fax, keine Reaktion. Es sind Pfingstfeiertage, da ist auch beim 1. FC Köln nichts los. Dann ruft er den Präsidenten Wolfgang Overath an und sagt ihm: "Ich bin weg."

Alles fristgerecht, denn Daum hatte in seinem Vertrag eine Ausstiegsklausel zum 31. Mai, die er gerade noch rechtzeitig gezogen hat. Ihn zieht es zurück in die Türkei, zu Fenerbahce Istanbul. "Meine Mission in Köln ist mit dem Aufstieg und dem Erreichen eines Mittelfeldplatzes ohne Abstiegsgefahr in der abgelaufenen Bundesliga-Saison erfüllt", sagt Daum zum Abschied. Oder war es doch das große Geld in Istanbul, das Daum schwach werden ließ?

Als Daum nach Köln kam, klang er noch anders. Da war der FC eine "Herzensangelegenheit". Die Rede war von einer langfristigen Zusammenarbeit mit dem internationalen Geschäft als Ziel. Alles Geschwätz von gestern. Worte, selbst Verträge haben ihren eigentlichen Wert in der Fußball-Bundesliga längst verloren. Ein Dreijahresvertrag bedeutet bei Abschluss keinesfalls, dass der Spieler oder Trainer drei Jahre bleibt, sondern nur, dass eine Ablöse fällig wird, wenn er vorher geht. Häufig steht die Summe, mit der der Vertragsbruch gerechtfertigt wird, sogar schon im Kontrakt – siehe Mario Gomez, der explizit für 30 Millionen Euro wechseln durfte.

"Früher hat man Trainer mit Füßen getreten"

Portraitbild von Matthias Sammer (Foto: AP)
Sieht die Entwicklung kritisch: Matthias SammerBild: AP

Es scheint sich eine neue Kultur unter den Bundesliga-Trainern zu verbreiten, vielleicht auch, weil viele oft genug entlassen wurden, obwohl sie langfristige Verträge hatten. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer erkennt eine deutliche Trendwende in der Beziehung zwischen Fußball-Lehrer und Arbeitgeber: "Früher hat man die Trainer mit Füßen getreten. Sie galten als das schwächste Glied in der Kette. Jetzt werden die Trainer in ihrer Denkweise selbstständiger, zeigen, dass sie Qualität haben und sich gewisse Dinge aussuchen können", sagt Sammer. Beide Richtungen seien nicht gut. "Das, was jetzt passiert, trägt nicht zur Stärke und Autorität und Kontinuität auf der Trainerposition bei."

Einer der Vertragsbrecher, Felix Magath, hat bei seiner Verkündung seines Wechsels von Wolfsburg nach Schalke gesagt, er glaube nicht an Versprechen einer langfristigen Zusammenarbeit. Kurios daran: Auf Schalke hat Magath einen Vierjahresvertrag unterschrieben.

Wolfsburgs Trainer Felix Magath winkt im grün-weißen-Konfetti Regen (Foto: picture-alliance)
Abgang im Meisterjubel: Felix MagathBild: picture-alliance/ dpa

Überraschend bei Ajax Amsterdam unterschrieben hat Hamburgs Trainer Martin Jol. Der HSV hatte vor der Saison aufwendig und langwierig einen Coach gesucht und Jol gefunden. Nach nur einer Spielzeit ist der Niederländer nun schon wieder weg – freiwillig! Er zieht dem HSV Amsterdam vor. Holland statt Deutschland.

Kaum einer hängt noch an seinem Verein, klebt an seinem Job. Gladbachs Hans Meyer schafft den Klassenerhalt und wirft dann hin. Friedhelm Funkel trennt sich in gegenseitigem Einverständnis von Frankfurt und Bojan Prasnikar mit derselben Verlautbarung von Cottbus. Bielefelds Michael Frontzeck wird ein Spiel vor der Saison entlassen und strahlt, was es doch für eine tolle Zeit bei der Arminia gewesen sei. Sein Nachfolger Jörg Berger ist für genau ein Spiel Trainer, dann verkündet auch er seinen Abschied. Was ist da los?

Warum überhaupt noch Verträge?

Neun der 18 Trainer, die in die Bundesliga-Saison 2008/2009 gestartet waren, haben ihren Club mittlerweile verlassen. Sieben Clubs in Liga eins stehen vor einem personellen Neuanfang auf der Trainerposition – vielleicht kommt sogar noch Leverkusen als achter hinzu. So viele waren es seit über 20 Jahren nicht mehr.

Eine gefährliche Entwicklung, findet Bayern-Präsident und Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer: "Manchmal frage ich mich, warum überhaupt noch Verträge abgeschlossen werden." Auch der frühere Meistertrainer Ottmar Hitzfeld zeigte sich verwundert über die Entwicklung. "Ich bin gespannt, was Felix Magath einem Spieler antworten wird, der sagt: Ich habe einen Vertrag, will aber trotzdem weg."

Wahrscheinlich wird er ihm sagen: "Sag Tschüss, Ciao oder Adieu. Die Sache mit dem Vertrag, das regeln wir schon".

Autor: Benjamin Wüst
Redaktion: Calle Kops