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"Ich höre euch"

29. Januar 2010

Zum ersten Mal hat US-Präsident Barack Obama seine "Rede zur Lage der Nation" gehalten. Welche Noten bekommt Barack Obama für seine Botschaften von den Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen?

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Bild: DW

Frankfurter Rundschau:

"Barack Obama kann noch immer gute Reden halten. Amerika aber will sie nicht mehr hören, es will sehen. Das Land will keine neuen Versprechungen, es will Ergebnisse. Die große Wirtschaftskrise ist in den USA längst auch zu einer Krise der politischen Institutionen geworden. Das schließt den Präsidenten ein. Der Mangel an Vertrauen, von dem Obama in seiner Rede zur Lage der Nation sprach, hat zu großen Teilen auch ihn erfasst. Dass Obama die Krise nicht verursacht hat, wissen die Amerikaner. Doch wenn Millionen weiter Haus und Job verlieren, während in den vom Staat geretteten Banken wieder fette Boni fließen, wenn sich die US-Demokraten monatelang über eine Gesundheitsreform zerstreiten, die wichtig ist, derzeit aber keine Hauptsorge, dann wenden sich viele verbittert ab. Mit dem Programm für das zweite Amtsjahr hat Obama seine Prioritäten mit denen der Menschen in Einklang gebracht. Wie kaum ein US-Präsident vor ihm hat er die internationale Politik in seiner Rede nur gestreift. Der Blick richtet sich unverkennbar nach innen. Jobs, Jobs, Jobs, lautet das Motto."

Die Welt, Berlin:

"Die Amerikaner haben denn auch einen ungewöhnlich kämpferischen, in Passagen gar populistischen Präsidenten erlebt, der sich nicht entmutigen lässt. Dazu hätte er freilich einigen Grund, schließlich hat Obama im ersten Jahr Fehler gemacht, hat Niederlagen eingesteckt und mit ansehen müssen, wie seine Zustimmungswerte in den Keller sanken. Man sollte allerdings nicht vergessen, welch gigantische Probleme der Präsident geerbt hat. Zwei Kriege zu managen und die schwerste Wirtschaftskrise seit 1929 zu bewältigen wäre schwierig genug. Aber Obama hatte sich noch eine umfassende Gesundheitsreform vorgenommen, was den Mut seiner Partei und die Kräfte einer noch unerfahrenen Regierung überstieg. Obamas größter Fehler war wohl, das Blockadepotenzial des politischen Systems in Washington unterschätzt zu haben."

Süddeutsche Zeitung:

"Es sind keine neuen Inhalte, keine neuen Programme, mit denen er sich aus der ersten Krise seiner Regentschaft befreien möchte. Stattdessen will er verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, indem er einen neuen Stil wagt - allerdings auf einer riskanten Position: Obama spielt ab sofort den Outsider, den von Parteiengezänk und Hinterzimmerdeals angewiderten Gegner des Establishments. Zugleich aber bleibt er, wo er ist: mitten im Zentrum aller amerikanischen Macht, am warmen Kamin des Oval Office."

Tagesspiegel, Berlin:

"Die Enttäuschung der Amerikaner über das erste Amtsjahr Barack Obamas gründet sich nicht darauf, dass viele Versprechen unerfüllt blieben - oder, kurz gesagt: dass er zu wenig getan habe. Das Unbehagen der Bürger, die ihn 2008 gewählt haben, aber jetzt im Stich lassen, rührt daher, dass er aus ihrer Sicht zu viel vorhat. Mitten in der Krise sei nicht die Zeit für große Gesellschaftsreformen. Er soll sich um die drängendsten Alltagsprobleme kümmern: Jobs, Jobs, Jobs. Und die bedrohliche Staatsverschuldung senken. Obamas Rede zur Lage der Nation war die Antwort: Ich höre euch."

Autorin: Esther Broders
Redaktion: Mirjam Gehrke