1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Empörte Katholiken

Manfred Götzke3. Februar 2009

Empörung, Unverständnis, Frust – so reagieren Katholiken auf die Entscheidung des Papstes, die Ultra-Konservativen Pius-Brüder wieder in den Schoß der Kirche zu holen. Erste Katholiken ziehen Konsequenzen und treten aus.

https://p.dw.com/p/GmQj
Papst Benedikt in der Pauls-Basilika im Vatikan (25.1.2008, Quelle: DPA)
Die Katholiken verstehen ihren obersten Hirten nicht mehrBild: picture-alliance/ dpa

Wenn die Bonner Katholikenrätin Margret von Haehling in diesen Tagen mit Gemeindemitgliedern spricht, geht es fast ausschließlich um ein Thema, und eigentlich sind sich dabei auch alle einig. Die Entscheidung des Vatikans, die Bischöfe der Pius-Bruderschaft wieder in die Kirche zu holen, sei unverständlich, manche sagen, schlicht falsch: "Mit diesem Papst kann man es nicht mehr machen", bekommt die Kirchenrätin von Gemeindemitgliedern zu hören, ob der Papst vielleicht zu alt sei, fragen die Bonner Katholiken, "oder ist er so eingeengt im Vatikan, durch die Behörde, dass er keine freien Informationen von außen mitbekommt?"

"Als Deutscher muss er das wissen"

Der britische Bischof Richard Williamson steht auf dem Rhein/Main-Flughafen in Frankfurt (Archivfoto vom 28.02.2007, Quelle: DPA)
Nicht nur Holocaust-Leugner Williamson sorgt für Kritik, auch die anderen Pius-Brüder hätten in der katholischen Kirche nichts verloren, finden viele Gläubige

Katholiken in ganz Deutschland sind empört, verärgert, enttäuscht von ihrem Papst, den sie vor kurzem noch so bejubelten, auf den Weltjugendtagen oder den großen Messen auf dem Petersplatz, zu denen regelmäßig tausende Deutsche anreisten. Nun hat ausgerechnet ein deutscher Papst einen bekennenden Holocaust-Leugner, den britischen Bischof Williamson in den Schoß der Kirche zurückgeholt. Dass Benedikt von dessen antisemitischer Haltung nichts gewusst haben will, kann sie sich Katholikenrätin von Haehling nicht vorstellen. "Als Deutscher muss er das wissen, der Bischof wurde exkommuniziert und hat sich danach von seinen Äußerungen bezüglich des Holocaust nicht distanziert. Das ist untragbar für die Kirche - und für uns Deutsche speziell."

Die ungewöhnlich offene und scharfe Kritik von Katholiken in ganz Deutschland zielt nicht nur auf den Fall Williamson. Die Ultra-Traditionalisten der Pius-Bruderschaft wurden aufgenommen, ohne sich zu den aktuell geltenden Grundsätzen der Kirche zu bekennen, die im Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60er Jahren festgelegt wurden. Viele befürchten nun einen Rückschritt – weg vom Dialog zu den anderen Religionen, weg vom Dialog mit Protestanten.

"Alle vier müssten raus aus der Kirche"

So auch Pfarrer Ulrich Weeger, der die Gemeinde in der Bonner Südstadt leitet, ein schmaler, zierlicher älterer Herr mit leiser Stimme. Geht es um den Skandal im Vatikan, wird er allerdings schon mal laut. "Nach meinem Empfinden müsste er die Entscheidung zurücknehmen und zwar für alle vier, nicht nur für den einen", empört sich Weeger. Die Pius-Brüder müssten zuerst anerkennen, dass das Zweite Vatikanische Konzil eine rechtlich bindende Wirkung hat, sagt er. "So lange sie das nicht sagen, sehe ich nicht ein, wieso sie zur Kirche gehören sollten."

Passiert das nicht, sagt Weeger, hätte der Skandal auch Folgen für seine Gemeinde, die wie die meisten in Deutschland seit Jahren um jedes Mitglied kämpfen muss."Dadurch werden natürlich wieder einige abgeschreckt werden und wir werden wieder einige Kirchenaustritte haben - das übliche halt".

Erste Reaktion: Kirchenaustritte

Papst Benedikt vor zehntausenden Gläubigen beim Weltjugendtag in Köln (21.8.2005, Quelle: AP)
Hat die Papstbegeisterung wie auf dem Weltjugendtag in Köln nun ein Ende?Bild: AP

Und das ist schon jetzt zu spüren: Zwar liegen noch keine verlässlichen Zahlen vor, doch Behörden in ganz Deutschland melden, dass die Kirchenaustritte in den vergangenen Tagen zugenommen hätten. Pfarrer Weeger jedenfalls hofft, dass Papst Benedikt seine Entscheidung so schnell wie möglich rückgängig macht und setzt dabei auf Hilfe von oben: "Ich habe auch heute morgen in der Frauenmesse eine Fürbitte gemacht, um die Gabe des Heiligen Geistes für unseren Papst."