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"Ich wünschte, ich müsste jetzt nicht fliegen"

Astrid Prange25. März 2015

Nach dem Germanwings-Absturz herrschen auf dem Flughafen Düsseldorf Trauer und Fassungslosigkeit. Angehörige der Opfer und Personal klammern sich an Routine und Statistik. Astrid Prange berichtet aus Düsseldorf.

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Betreuer begleiten Angehörige Foto: Reuters/I. Fassbender
Bild: Reuters/I. Fassbender

Sie ist die einzige, die ihre Gefühle in Worte fassen kann: "Alle weinen, alle sind traurig", erklärt eine junge Mutter ihrem Baby das Drama am Düsseldorfer Flughafen. Zwei Freundinnen von ihr befanden sich in der Germanwings-Maschine, die auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf abstürzte. Nach der Katastrophe scheint Grabesstille in die Hallen des Düsseldorfer Flughafens eingezogen. Mit gesenktem Kopf steht das Bodenpersonal hinter den Schaltern von Germanwings. Wer auf Flugbegleiter und Piloten der Lufthansa-Tochter trifft, sieht Augen voller Trauer und Tränen.

Vor dem Germanwings-Schalter in der Abflughalle hat sich eine Phalanx von Polizisten aufgebaut. Sie sollen nicht nur die Präsenz von Kamerateams verringern, sondern auch dafür sorgen, dass weder Lufthansa- noch Germanwings-Schalter gefilmt werden. Auch Mitarbeiter vom sogenannten "Flughafen Care Team" in hellblauen Westen haben sich vor den Schaltern aufgebaut. Sie sollen sich um die Angehörigen der Opfer kümmern. "Wir warten auf die Angehörigen und leiten sie zum Seelsorgerteam weiter", erklärt Lufthansa-Mitarbeiter Dag Dernbach. Er versucht, einen Hauch von Normalität zu verbreiten. "Im Bereich des mental Möglichen läuft alles normal weiter", versichert er.

Versteinerte Mienen

Fluganzeigetafel Foto: picture-alliance/dpa/F. Christiansen
Anzeigetafel am MittagBild: picture-alliance/dpa/F. Christiansen

Es scheint, als klammerten sich Flughafenpersonal und Passagiere an dieser Routine des "mental Möglichen" fest. Doch in Wirklichkeit sind die Szenen, die sich vor dem Germanwings- und Lufthansa-Schalter abspielen, alles andere als normal. Immer mehr Angehörige von Passagieren mit versteinerten Mienen treffen ein, immer mehr Flüge werden annuliert oder starten und landen mit großer Verspätung.

Eine lange Schlange bildet sich vor den Schaltern. Doch die Passagiere warten geduldig auf ihre Umbuchung, es herrscht disziplinierte Stille. Eine junge Informatikerin versucht, betont sachlich zu bleiben: "Ich glaube an die Statistik, jetzt dürfte erst einmal nichts mehr passieren", sagt sie, als sie die neue Bordkarte erhält.

Für zwei junge Spanier hingegen ist eine Welt zusammengebrochen. Bleich stehen sie neben dem "Flughafen Care Team", das sie zur VIP-Lounge eskortiert. Wie ferngesteuert traben sie hinter dem Team her, sie wissen, dass sie ihre Angehörigen verloren haben, und hoffen doch noch auf ein Wunder in der Seelsorgerlounge. Vor dem Ausgang der Lounge im Ankunftsbereich ist ein beeindruckender Fahrzeugparcours aufgebaut: Notarzt, Feuerwehr, Einsatzleitung - für die Versorgung der Angehörigen der Opfer steht alles bereit. Mit einem großen Polizeiaufgebot werden sie hermetisch von den zahlreichen Kamerateams abgeschirmt, die sich vor dem Ausgang aufgebaut haben - ein Minimum an Respekt und Ruhe inmitten des Trubels der Schaulustigen.

Die Arbeit der Stewardessen geht weiter

Langsam füllt sich die Lounge, immer mehr Angehörige mit versteinerten Gesichtern betreten die Insel der Zuflucht. Eine Flugbegleiterin von Germanwings im lila Kostüm huscht eilig und mit gesenktem Haupt an der Lounge vorbei. "Ich will unbedingt wissen, warum die Maschine abgestürzt ist", sagt sie. "Zwei Freunde von mir saßen da drin." Und dann sagt sie noch leise: "Ich wünschte, ich müsste jetzt nicht fliegen. Gott sei Dank fliege ich heute nur innerhalb Deutschlands." Die Angst grassiert auch bei den Flugbegleiterinnen von Lufthansa. "Ich fühle mich echt nicht mehr sicher in meinem Job", stöhnt eine 20-jährige Stewardess, die häufig auf Langstrecken eingesetzt wird. Bisher beruhigte sie an Bord oft Passagiere mit Flugangst, auf einmal ist das Grundvertrauen in die Sicherheit über die Wolken gebrochen.

"Es ist die schlimmste Nachricht, die man als Passagier zu hören bekommen kann", erklärt ein niederländischer Fluggast, der am Nachmittag sicher auf dem Düsseldorfer Flughafen gelandet war und dann auf seinen Anschlussflug wartete. Trotz Angst steigt er in die nächste Maschine ein. Er verdrängt die Katastrophe ins Reich der statistischen Unwahrscheinlichkeit. Doch der schwarze Dienstag hat Düsseldorf verändert. Die Trauer feiert einen traurigen Triumph über die Statistik.