1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ich will nur spielen"

Marcio Weichert / (pt)6. Dezember 2002

Márcio Amoroso ist der teuerste Bundesligaspieler. Doch darf er nicht die volle Leistung zeigen: der Star fühlt sich vom Team vernachlässigt und erwägt Borussia Dortmund zu verlassen. Ein DW-WORLD-Interview.

https://p.dw.com/p/2y2V
Im Moment ist ihm nicht zum Jubeln zumuteBild: AP

Dass er in seiner ersten Fußballsaison in Deutschland Meister und Torschützenkönig werden würde, hätte sich Márcio Amoroso nie vorstellen können, auch nicht dass die zweite sich in ein Fegefeuer umwandeln würde. Seit Juli durfte der teuerste Bundesligaspieler erst bei zwei Spielen die vollen 90 Minuten mitmachen.

Eine Entzündung der Achillessehne machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er entschied sich, ohne die Genehmigung vom Trainer Matthias Sammer, nach Brasilien zurück zu kehren, um sie von seinem Leibarzt behandeln zu lassen. Fast zwei Monate später kam er zurück. "Ich bin in sehr guter Form. Wenn der Trainer mich aber nicht aufstellt, verliere ich meine Form und meine Motivation", beklagt sich Amoroso, der sich nicht daran gewöhnen kann, nun als Ersatzspieler behandelt zu werden.

Borussia Dortmund: Marcio Amoroso
Marcio AmorosoBild: AP

Der Brasilianer sei noch nicht fit, so die Argumentation von Sammer, Amoroso nicht aufzustellen. Die deutsche Presse meint, Sammer übe zum Teil Vergeltung an dem Spieler. Andererseits zeige der Torjäger keinen großen Einsatz auf dem Feld. "Die Journalisten schreiben viel, ohne zu wissen, was im Umkleideraum passiert. Sie haben schon einiges über einen Konflikt zwischen mir und dem Coach unterstellt", so Amoroso im Gespräch mit DW-WORLD.

Der ehemalige Spieler von Parma und Flamengo weist auch die Vorwürfe zurück, dass er undiszipliniert sei: "Ich komme immer pünktlich zum Training und trainiere wie alle anderen." Doch lässt Amoroso auch durchblicken, kein Fan der deutschen Trainingsweise zu sein: "In Italien gibt man der Taktik viel mehr Wert, während in Deutschland mehr an der Körperkraft gearbeitet wird. Die Deutschen laufen, statt mit dem Ball zu üben". Die brasilianischen Spieler hingegen seien extrovertiert, geschickt, und belustigten die Fans.

Zeit für andere Wege

Der Weltstar Amoroso hofft, wieder Stammspieler zu werden, spätestens im Januar 2003 - nach der Winterpause. "Wenn das nicht geschieht, geht die Motivation verloren, und es bleibt mir nichts anderes übrig als die Situation nach der Meisterschaft zu lösen." Im Klartext: "Wenn ich kein Platz mehr im Verein habe, dann ist es Zeit einen anderen Weg zu gehen. Ich will spielen. Wenn ich das hier nicht darf, muss ich woanders suchen", droht der Spieler, dessen Vertrag noch bis 2005 gilt.

Es ist aber nicht nur die Beziehung zu Sammer, die verdorben ist. "Viele Mannschaftskollegen haben nach der WM ihre Haltung zu mir geändert, was die Pflege einer familiären Stimmung im Umkleideraum erschwert." Das hindert den Stürmer aber nicht daran, sich darüber zu äußern, welche unter den Kollegen die besten Spieler der Bundesliga sind. Für den Südamerikaner ist der tschechische Spielmacher Rosicky der beste Spieler der Bundesliga, der deutsche Wörns der beste Verteidiger.

Matthias Sammer
Matthias Sammer, TrainerBild: AP

Familiäre und sprachliche Schwierigkeiten

"Das Leben für meine Familie ist hier auch schwerer. Wir waren in Italien sehr gut integriert. Hier kämpfen wir mit Sprachschwierigkeiten", gibt der Stürmer aus Brasília preis. Mit Trainer Sammer kommuniziert er auf italienisch, denn Sammer war auch als Spieler im Land am Mittelmeer tätig. Wenn der Coach die Mannschaft auf Deutsch anspricht, hilft Amoroso der Landsmann Dede als Übersetzer.

Bei so viel Unzufriedenheit hat die jüngste Nominierung für die brasilianische Nationalmannschaft für das Spiel gegen Südkorea dem Torschützer die Laune verbessert. "Leider hat mir Scolari keine Chance gegeben, bei der WM zu spielen. Dass ich jetzt nach mehreren Jahren berufen wurde, war für mich eine sehr große Freude", hebt er hervor und setzt diese Tatsache als Trumpf ein.

"Wenn ich fit genug bin, um 90 Minuten für die Seleção zu spielen, finde ich schon erstaunlich, dass ich für meinen Verein nicht spielen darf", so der Stürmer.