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Der geteilte Himmel

18. November 2011

Harte Fronten und scharfe Kontraste charakterisieren die Jahre zwischen 1945 und 1968. Nachhaltig geprägt haben sie auch die bildende Kunst jener Zeit. Deutlich spiegelt das die Sammlung in der Berliner Nationalgalerie.

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Renato Guttuso: Die rote Wolke, 1966 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2011)
Renato Guttuso, Die rote Wolke, 1966Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2011

1945 ist Heinrich Ehmsens Gemälde "Wahnsinnige Harlekine vor den Trümmern des Krieges" entstanden – ein Sinnbild für die Zerstörungen der menschlichen Psyche und des Landes. Es hängt mitten im ersten Ausstellungsraum der neu arrangierten Sammlung der Berliner Nationalgalerie, stellt sich dem Besucher frech in den Weg und nimmt so eine Sonderrolle ein zwischen der Kunst des jungen Sozialismus auf der eine Seite des Raumes und der des keimenden Kapitalismus auf der anderen. Nicht von ungefähr. Denn Heinrich Ehmsen, den Maler dieses Bildes, goutierte man weder hüben noch drüben. Im Westsektor Berlins wurden ihm "kommunistische Propagandaaufrufe" unterstellt, im Ostsektor, bei einer ersten Ausstellung Anfang der 50er Jahre, kritisierte man seine Kunst wegen "formalistischer Tendenzen".

Heinrich Ehmsen: Wahnsinnige Harlekine vor den Trümmern des Krieges II (© Staatliche Museen zu Berlin)
Heinrich Ehmsen, Wahnsinnige Harlekine vor den Trümmern des KriegesBild: Staatliche Museen zu Berlin

Die bildende Kunst zwischen 1945 und 1968 war politisiert wie in kaum einer anderen Phase der Kunst des 20. Jahrhunderts, sagt Joachim Jäger, der Leiter der Neuen Nationalgalerie. Der Kalte Krieg und die damit verbundenen politischen Ideologien hätten sie tief geprägt. Und es seien zwei große Wege gewesen, die Ost und West trennten: die Figuration und die Abstraktion.

Geteilter Himmel

Die Abstraktion stand dabei für die Freiheit des Westens, der sozialistische Realismus, der die Bedingungen des Menschseins auslotete, hingegen für den Gesellschaftsentwurf des Ostens. Während der Suche nach einem Begriff, der diese Blockbildung prägnant umschreibt, haben sich die Ausstellungsmacher in der Neuen Nationalgalerie an Christa Wolfs Roman "Der geteilte Himmel" aus dem Jahre 1963 erinnert. Erzählt wird darin die Geschichte eines ost-westdeutschen Liebespaares, das sich nicht entscheiden kann, in welchem Teil Berlins es leben will. Das führt schließlich zur Trennung der beiden.

Der Titel dieses tragischen Romans wurde nun für die Schau in der Neuen Nationalgalerie entlehnt. In ihr wird freilich nicht nur auf die scharfen Kontraste und Trennungen dieser Zeit hingewiesen, sondern auch auf Verbindendes, Übergreifendes. Und zwar nicht nur im deutsch-deutschen Kontext. Vielmehr verdeutlicht die Ausstellung "Der geteilte Himmel" die Zerrissenheit der gesamten Epoche, in der sich eben nicht nur Weltanschauungen gegenüberstanden, sondern auch Künstler auf Künstler geantwortet haben und die Kunst auf gesellschaftliche Phönomene reagierte - wie die Pop-Art, die eine Antwort auf überbordenden Konsum und vordergründigen Glamour war.

Andy Warhol: Big Electric Chair, 1967 (© Artists rights society, New York)
Andy Warhol, Big Electric Chair, 1967Bild: Artists rights society, New York

Und deutlich wird: Ostdeutsche Künstler wie Hans Grundig, Horst Strempel oder Wilhelm Lachnit haben sich bereits in der Zeit des Kalten Krieges der Abstraktion geöffnet. Werner Tübke hingegen blieb der Figur treu. Aber weil er keine Propagandakunst machen wollte, orientierte er sich an alten Vorbildern, etwa an der Kleinteiligkeit und den phantastischen Einfällen eines Hieronymus Bosch. Andererseits gab es im Westen jede Menge Künstler, die den Bezug zum Gegenstand und zur Figur nie aufgegeben haben. Ein berühmtes internationales Beispiel ist hier fraglos Pablo Picasso, der wiederum, auch das belegt die Ausstellung, großen Einfluss auf ostdeutsche Künstler hatte. Später haben etwa Vertreter der Pop-Art, allen voran Andy Warhol, neue Spielarten der figürlichen Kunst entwickelt und so die einfache Losung, dass der Westen ausschließlich abstrakt sei, konterkariert.

Über alle Grenzen hinweg

Auf dem offenen Parcours durch das Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie begegnet man folglich den verschiedensten Strömungen der Nachkriegsmoderne, dem Nebeneinander der Stile und Künste, der Gleichzeitgkeit des Ungleichzeitigen – und zwar bis hin zur erweiterten Kunst mit ihren jungen Medien Fotografie, Happening, Performance, Film und Video. Und wo immer möglich, finden sich Verweise auf die Kunstproduktion des Ostens. Etwa im Pop-Raum, in dem Büsten von Marx und Mao die staatlich verordnete Populärkultur des Sozialismus in Erinnerung rufen.

Ronald B. Kitaj: Erie Shore, 1966 (© Staatliche Museen zu Berlin/Marlborough Fine Art Gallery)
Ronald B. Kitaj, Erie Shore, 1966 Öl auf LeinwandBild: Staatliche Museen zu Berlin/Marlborough Fine Art Gallery

Am Ende des Rundgangs, in einem eigenen Saal zum Jahr 1968, kommen dann verschiedenste Strömungen, Gegensätze und Ungleichzeitigkeiten zusammen, deutlich politisch aufgeladen. Und historische Dokumente erinnern an das, was damals sonst noch so geschah – in diesem symbolischen Jahr, in dem übrigens auch die Neue Nationalgalerie als letztes Werk des Architekten Mies van der Rohe eröffnet wurde.

Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Gudrun Stegen