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IGB in Berlin

7. Oktober 2009

"Nur gemeinsam sind wir stark." So lassen sich die Diskussionen des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) in Berlin zusammenfassen. Denn Ernährungskrise und Klimawandel sind längst keine nationalen Probleme mehr.

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Eine junge Frau mit Trillerpfeife steht unter der Gedächtniskirche in Berlin auf der DGB-Demo vor einem Plakat mit der Aufschrift "Wir sind sozial unruhig" (Foto: dpa)
Wut in der Krise eint die GewerkschaftenBild: picture-alliance/ dpa

Sie kommen aus Indonesien, Angola, Belgien, Venezuela, Guinea oder Russland. Leitende Gewerkschaftsfunktionäre, die sich in Berlin über die Wirtschaftskrise, den Klimawandel, die Beschäftigungs- und die Ernährungskrise austauschen und gemeinsam nach Lösungen suchen wollen. Doch das ist gar nicht so einfach, angesichts der unterschiedlichen Lebensumstände. Die exportorientierten Industrienationen haben andere Probleme zu meistern als die Rohstoff exportierenden Länder; Staaten mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen stehen vor anderen sozialpolitischen Herausforderungen als etablierte, weltmarktorientierte Nationen.

Andere Länder, andere Probleme

"Es ist nicht so leicht, die Ernährungskrise in Europa zu erklären, wo es jeden Tag etwas zu essen gibt", sagt Maria Carvalho, eine führende Gewerkschafterin aus Angola. In ihrem Land wüssten die Menschen nicht, wo sie die Nacht verbringen und schlafen sollten und ob sie morgen etwas zu essen bekämen.

Kinder in Angola beim Wasserholen (Foto: AP)
Der Wirtschaftsboom in Angola geht an der Bevölkerung vorbeiBild: AP

Dabei kann Angola seit dem Ende des Bürgerkriegs dank reicher Ölvorräte zweistellige Wachstumsraten vorweisen und gilt international als boomende Volkswirtschaft. Dass diese Entwicklung auch Schattenseiten hat, das erfährt man von Maria Carvalho. Die Gewerkschafterin berichtet, dass das Wirtschaftswachstum an der breiten Bevölkerung völlig vorbeigeht, dass fast alle Nahrungsmittel nach Angola importiert werden müssen und die Preise explodiert sind.

Von explodierenden Preisen berichtet auch Rekson Silaban, Präsident der indonesischen Gewerkschaft KSBSI. Sein Land, das vor 15 Jahren noch so viel Reis produzierte, dass es als Selbstversorger galt, muss das Grundnahrungsmittel heute aus China, Vietnam und Thailand einführen. Die von der Regierung verfolgte Strategie, Indonesien zum größten Exporteur für Palmöl zu machen, hat dazu geführt, dass immer mehr Reisbauern ihre Plantagen umgewandelt haben. Der vermeintliche Fortschritt hat zu einer Nahrungsmittelkrise geführt, die sich in Zukunft noch verschärfen wird.

Ein neuer Internationalismus

Mitglieder der Gewerkschaft ver.di demonstrieren auf einer Kundgebung vor dem Grosskraftwerk in Mannheim (Foto: AP)
Großdemonstration von ver.di - die Krise bietet auch Chancen für GewerkschaftenBild: AP

Ähnliches berichten Gewerkschaftsfunktionäre aus anderen Ländern. Die Gewerkschafter sprechen von einer moralischen Anforderung an die Menschheit und der Notwendigkeit eines neuen Internationalismus. Das klingt schwierig, wenn man bedenkt, dass sogar globale Krisen wie Klima und Ernährung derzeit hinter aktuellen ökonomischen Problemen verblassen.

Doch vielleicht kann gerade die Finanz- und Wirtschaftskrise die Menschen weltweit einen. Das hofft auch Sharan Burrow, die Präsidentin des Internationalen Gewerkschaftsbundes. Sie zeigt aber auch volles Verständnis für die Wut der Menschen und ihrer Gewerkschaften: "Wir haben das Recht, wütend zu sein, weil Millionen von Arbeitern ihre Jobs verloren haben." Die ILO sage voraus, dass sich in diesem Jahr noch einmal 59 Millionen Menschen mehr in die Schlange der Arbeitslosen einreihen würden, sagt Burrow weiter.

Globale Lösungen für globale Krisen

Eine Wissenschaftlerin steht vor einer Landkarte und erklärt die Folgen des Klimawandels (Foto: dpa)
Globale Probleme wie Klimawandel fordern globale AntwortenBild: dpa - Bildfunk

Die Gewerkschaften hoffen, dass aus der Wirtschaftskrise eine neue internationale Solidarisierung erwächst, die sich gleichsam auf die übrigen drängenden Herausforderungen wie Klimawandel und Ernährungskrise übertragen könnte. Sich selbst sehen die Gewerkschaften dabei als eine Art Transmissionsriemen, indem sie nicht nur auf die Probleme aufmerksam machen, sondern diese auch in die politischen Organisationen tragen.

Sharan Burrow, Präsidentin des Internationalen Gewerkschaftsbundes fordert die Gewerkschaften auf, neue Vorschläge aufzuzeigen. "Die G20-Staatschefs müssen es hören, jedes Land muss es hören und jede politische Führungskraft", sagt Burrow. Auch in die Debatten bei den Vereinten Nationen müsste sich der IGB einmischen.

So ist das internationale Treffen der Gewerkschafter in Berlin am Ende mehr als nur ein Austausch von landesspezifischen Problemen. In einer globalisierten Welt, in der alles irgendwie miteinander zusammenhängt, kann auch eine sozial gerechte Gestaltung der Gesellschaft nur erreicht werden, indem man nach gemeinsamen Ansätzen sucht.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Zhang Danhong