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Illegale Mülltransporte aus Deutschland nehmen seit dem EU-Beitritt Polens stark zu

21. Juni 2004
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Warschau, 18.6.2004, TRYBUNA, poln.

Die Deutschen reiben sich die Hände und wir selbst werden bald inmitten einer Müllkippe aufwachen. Seit dem 1. Mai, d. h. nach unserem Beitritt zur EU gibt es zwar den freien Fluss von Waren und Kapital, aber auch den freien Fluss von ... Müll.

Die Gemeinden, die in der Nähe der Grenze liegen, haben ein großes Problem mit dem Mülltourismus aus Deutschland. Die sparsamen Deutschen wollen auf ihrem eigenen Gebiet keinen Sondermüll haben. Dort müssen sie für die Müllentsorgung viel Geld bezahlen. Bei uns hingegen können sie ihren Müll viel billiger loswerden. Dabei werden sie von dubiosen polnischen Firmen unterstützt, die illegal arbeiten.

Von unseren westlichen Nachbarn werden zu uns alte Büro- Garagen- und Wohnungsmöbel sowie alte Elektrogeräte, Textilien, Schuhe und sogar Bauschutt gebracht. Auf der polnischen Seite sind halblegale Firmen entstanden, die Verträge mit ihren deutschen Partnern abschließen. Es geht z. B. um die Räumung einer Wohnung, die zum Nachlass von Personen gehört, die in deutschen Altenheimen gestorben sind. Die alten Sachen werden - falls sie noch einen Verkaufswert haben - zuerst auf dem Flohmarkt angeboten. Die Sachen, die von niemandem gekauft werden, landen auf den polnischen Mülldeponien. Ähnlich verfahren die kleinen Baufirmen, von denen es bereits Hunderte gibt, die sich auf Wohnungsrenovierungen in deutschen Städten in der Nähe der Grenze spezialisieren. Einen Großteil des Bauschutts nehmen die Bauarbeiter mit, wenn sie nach Hause zum Übernachten fahren.

Allein im Mai d. J. hat der polnische Grenzschutz in der Region Lubuskie 27 Lastwagen die Einfuhr nach Polen verweigert, weil sie voll mit alten Sachen und Müll waren. "Einerseits haben wir eine Direktive, die besagt, dass wir den freien Fluss nicht erschweren sollen, andererseits jedoch müssen wir doch dem Mülltransport im großen Stil und ohne Genehmigung vorbeugen. Das ist jetzt eine unserer Hauptaufgaben", sagt Mariusz Skrzynski vom Grenzschutz der Region Lubuskie.

Wer aber kontrolliert die plombierten Lastwagen, in denen sich auch Müll befinden könnte, frage ich den Offizier. Die Antwort lautet: "Niemand und in der Praxis ist es auch völlig unmöglich. Nach dem 1. Mai darf der Grenzschutz praktisch nicht mehr kontrollieren, da die Gesetze über den freien Warenfluss gelten. Über unsere Grenzübergänge fahren täglich etwa 10 000 Lastwagen und über 30 000 andere Fahrzeuge. Aber weil wir die Gefahr sehen, führen wir auch Stichproben durch", erklärt Mariusz Skrzynski.

Die Behörden der Region Lubuskie haben keine Kenntnis von dem stark wachsenden Müllexport aus Deutschland. Sie sind lediglich befugt, Entscheidungen zu treffen und Öko-Gebühren zu kassieren. Das Thema des Mülltourismus ist für diese Behörden noch völlig unbekannt. Die Fragen, die man den Beamten stellt, empfinden sie als lästig. Alle verweisen mich an den Umweltschutzbeauftragten der Woiwodschaft: "Wurden Sie nach dem 1. Mai von Versuchen unterrichtet, Müll illegal nach Polen zu transportieren?" frage ich Marek Demidowicz, den stellvertretenden Umweltbeauftragten der Woiwodschaft Lubuskie.

"Nein, uns sind keine solchen Fälle bekannt. Wir haben auch keine eigene Vertretung an den Grenzübergängen. Einige Firmen bekamen aber Genehmigungen für den Import von gebrauchter Bekleidung. Ich habe auch Genehmigungen für die Einfuhr von Abfall gesehen", sagt Marek Demidowicz. Als ich dann bemerke, dass es mir nicht darum geht, gibt er sogar zu, dass es keinerlei Genehmigungen gebe, die erlauben, Müll auf das Gebiet der Woiwodschaft zu transportieren.

Über den Schmuggel von Müll wurde auch das Umweltschutzamt in Warschau nicht unterrichtet: "Wir haben keinerlei Informationen darüber bekommen. Da es sich dabei um eine Innengrenze der EU handelt, gibt es dort auch keine Zollämter mehr und darüber hinaus wurde auch die Kontrolle erheblich erschwert. Wir selbst beschäftigen uns eher mit der Kontrolle von Firmen und Betrieben", erklärt Wlodzimierz Garczynski, Abteilungsleiter im Umweltschutzamt.

Er versichert jedoch, dass sich seine Abteilung an die deutschen Kollegen mit der Bitte wenden wird, die Aufsicht auf der deutschen Seite zu verschärfen. Die polnische Aufsichtsbehörde, die für den Fahrzeugtransport verantwortlich ist, wird er bitten, genauer darauf zu achten, welche Ladung sich auf den LKWs befindet. (...)

"Die Mehrheit der illegalen Mülltransporte wird jedoch gestoppt und zurückbeordert, und zwar hauptsächlich nach Deutschland, weil solche Fälle vor allem an der Westgrenze Polens passieren. Unsere Abteilung interveniert erst, nachdem solch ein Transport auf polnischem Gebiet entdeckt wird", erklärt Wlodzimierz Garczynski. Die Arbeit seiner Abteilung bedeutet dann u. a. die Kontaktaufnahme mit den deutschen Beamten und eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Der illegale Import von Müll und gefährlichem Abfall wird in Polen mit Haft bis zu fünf Jahren bestraft.

Die Kontrollen in Deutschland sind jedoch wirksamer als in Polen. Dort gibt es mobile Zolleinheiten, die den illegalen Mülltransport kontrollieren. Bei uns sollen solche Zolleinheiten jedoch erst entstehen, und zwar mit Hilfe des Geldes von PHARE. Bisher sieht es danach aus, dass wir gegen die illegalen Mülltransporte aus dem Ausland überhaupt nicht geschützt sind. Damit machen bisher dubiose Firmen und Privatpersonen das große Geld. (sta)