1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ilona Mundlos und der verlorene Sohn

Marcel Fürstenau, z. Z. München3. April 2014

Im Strafverfahren gegen den Nationalsozialistischen Untergrund schildert die Mutter eines mutmaßlichen Täters, wie ihr Kind in den Untergrund ging. Von der Gesinnung ihres Sohnes will sie kaum etwas bemerkt haben.

https://p.dw.com/p/1BbWk
Uwe Mundlos (NSU)
Bild: picture-alliance/dpa

"Mutti, es ist was Schlimmes passiert, ich brauche Geld." Mit diesen Worten ist Uwe Mundlos (Artikelbild) 1998 nach Darstellung seiner Mutter Ilona abgetaucht. Auslöser für das plötzliche Verschwinden ihres Sohnes war die polizeiliche Durchsuchung einer Garage in Jena, in der Rohrbomben gefunden wurden. Im Untergrund wurde aus dem jungen Rechtsextremen dann mutmaßlich ein Serienmörder, der von 2000 bis 2007 zusammen mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zehn Menschen ermordet haben soll. Für diese Taten muss sich Zschäpe als Hauptangeklagte im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG) verantworten. Ihre beiden Komplizen haben sich im November 2011 das Leben genommen, um nach einem missglückten Banküberfall in Eisenach ihrer Festnahme zu entgehen.

Ilona Mundlos beschreibt ihren Sohn am Mittwoch (03.04.2014) im voll besetzten Gerichtssaal A 101 als hilfsbereiten und offenen Jungen, der sich "liebevoll" um seinen schwerstbehinderten Bruder gekümmert habe. "Wir waren eine glückliche Familie", sagt die 63-Jährige. Von der rechten Gesinnung ihres Sohnes Uwe will sie nicht all zu viel bemerkt haben. Dabei trug er schwarze Springersteifel mit weißen Schnürsenkeln und eine dunkle Fliegerjacke - also typische Szene-Klamotten. Die Jacke habe sie sogar selber gekauft, sagt die Rentnerin. Welche Bedeutung sie habe, sei ihr damals nicht bekannt gewesen. "Das hat es in der DDR ja nicht gegeben", begründet die in Jena lebende Ilona Böhnhardt ihre Unkenntnis.

Jena wurde nach der deutschen Einheit zur rechten Hochburg

Rund um Jena bildete sich nach dem Zusammenbruch der ostdeutschen Diktatur eines der aktivsten Neonazi-Netzwerke. In diesem Umfeld radikalisierte sich in den 1990er Jahren das NSU-Trio. Bis zum Sommer 1995 sei ihr Sohn "mit Beate gegangen", erzählt Ilona Mundlos. Dann habe Beate Zschäpe Schluss gemacht und sei danach mit Uwe Böhnhardt zusammen gewesen. Den fand sie unsympathisch, weil er immer so einen "starren Blick" gehabt habe. Näher kennengelernt habe sie ihn nicht.

Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt (v.l.n.r.)
Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt (v.l.n.r.)Bild: dapd

Zschäpe hingegen sei ein "liebes, nettes Mädchen" gewesen. "Ich sehe sie heute zum ersten Mal wieder", sagt Mutter Mundlos über die heute 39-Jährige. Die schräg gegenübersitzende Hauptangeklagte vermeidet derweil jeden direkten Blickkontakt. Zschäpe sei immer freundlich zu ihr gewesen, erzählt Ilona Mundlos weiter. Sie habe zugehört und sei hilfsbereit gewesen. Und es habe Zschäpe nicht gefallen, dass ihr Sohn Springerstiefel getragen habe, wenn sie in die Disco gehen wollten. "Uwe zieh Dich um, so können wir nicht gehen", habe seine damalige Freundin gesagt.

Hausverbot in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald

Im Familienkreis seien Politik und Gesellschaft "nie" ein Thema gewesen, behauptet Ilona Mundlos gegen Ende ihrer Befragung durch den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Eine gewagte Aussage, denn immerhin wusste sie nach eigenem Bekunden von ihrem Sohn persönlich, dass er in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald Hausverbot erhalten hatte. Der Grund: Er sei mit einer Uniform dort gewesen. Sie habe aber nicht weiter nachgefragt. Nur einmal scheint es der Mutter dann doch zu viel geworden zu sein. Als Uwe Mundlos seiner Mutter in braun gefärbter Hose und Hemd gegenübertrat, reagierte sie nach eigener Darstellung ungehalten: "Uwe, das will ich nie wieder sehen."

Dass ihr Sohn so plötzlich abtauchte, habe er ihr gegenüber damit begründet, er müsse sonst für sieben Jahre ins Gefängnis. Das habe ein Anwalt angesichts des Bombenfunds gesagt. "Mit den Waffen habe ich nichts zu tun", habe er beim Abschied gesagt, erzählt Ilona Mundlos mit ruhiger Stimme. Wo sich der verlorene Sohn nach 1998 aufhielt, darüber will sie nichts Konkretes erfahren haben. Nachfragen bei den Eltern Uwe Böhnhardts brachten demnach nur vage Hinweise. "Ich hatte aber das Gefühl, dass sie vielleicht was wissen könnten." Tatsächlich haben Böhnhardts Eltern ihren Sohn noch mehrmals heimlich getroffen, wie sie bei ihren Vernehmungen im NSU-Prozess bestätigten.

Zschäpe übermittelt telefonisch die Todesnachricht

Vom Tod ihres Sohnes habe sie am 5. November 2011 erfahren, sagt Ilona Mundlos. Morgens gegen acht Uhr habe eine Frau angerufen, deren Stimme sie zunächst nicht erkannt habe. "Hier ist die Beate", habe die Anruferin gesagt. Dreizehn Jahre nach dem Untertauchen des Trios übermittelte Beate Zschäpe der Mutter ihres ehemaligen Freundes die Nachricht vom Tod der beiden Männer. Mit dem Hinweis auf einen gescheiterten Banküberfall in Eisenach habe sie zunächst nichts anfangen können, sagte Ilona Mundlos. "Machen Sie den Fernseher an, dann wissen Sie, was los ist", habe Zschäpe geantwortet. Spätestens in diesem Moment wusste Ilona Mundlos, dass ihr Sohn Uwe neun Männer mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin ermordet haben soll.