1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Im Dienst der fremden Macht?

Anne Allmeling, z.Z. Koblenz9. September 2015

In Koblenz stehen drei Männer wegen mutmaßlicher Spionage vor Gericht. Sie sollen in Deutschland Kritiker des türkischen Staatspräsidenten Erdogan ausgehorcht haben. Anne Allmeling berichtet aus Koblenz.

https://p.dw.com/p/1GTqO
Deutschland - Muhammed Taha Gergerlioglu im Gerichtsaal Koblenz VERPIXELT
Der Hauptangeklagte G. (l.)Bild: Reuters/W. Rattay

Es ist nur eine kurze Frage, die den Sitzungssaal aufhorchen lässt. "Woher hat Ihr Mandant diese Information?", fragt der Richter den Anwalt des Hauptangeklagten. Der hatte gerade erklärt, dass ein türkischer Zeuge an einem der kommenden Verhandlungstage womöglich nicht vor Gericht erscheinen werde, weil er an der muslimischen Pilgerfahrt Hadsch teilnehme. Doch bevor der Jurist die Frage beantworten kann, grätscht sein Kollege dazwischen. "Mein Mandant hat überhaupt keine Informationen darüber", betont der Pflichtverteidiger - in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Der Wahlverteidiger schweigt.

So ganz scheint es noch nicht zu klappen mit der Absprache zwischen den drei Anwälten von Mohammed Taha G. "Wir verfolgen eine gemeinsame Strategie", betont zwar der Wahlverteidiger mit türkischen Wurzeln. Doch auf den ersten Blick wirkt es so, als hätten die Juristen Schwierigkeiten, eine gemeinsame Linie zu finden. Widersprüchliche Aussagen, hochgezogene Augenbrauen, angespannte Stimmung - bei einigen Beobachtern im Saal wirft das die Frage auf, welche Rolle der Wahlverteidiger tatsächlich spielt und wie eng seine Kontakte zur türkischen Regierung sind.

Aushorchen von Oppositionellen

Denn genau darum geht es in diesem Prozess: um enge Kontakte zur türkischen Regierung. Oder besser: um eine mögliche Tätigkeit für den türkischen Geheimdienst. Mohammed Taha G. und zwei weitere Männer müssen sich wegen mutmaßlicher Spionage vor dem Oberlandesgericht Koblenz verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, "für den Geheimdienst einer fremden Macht" gearbeitet zu haben. G. und seine Mitarbeiter sollen in Deutschland lebende Kritiker des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgehorcht und die Informationen an den türkischen Nachrichtendienst MIT weitergeleitet haben.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Foto: AP)
Medienberichten zufolge ist G. ein ehemaliger Berater ErdogansBild: Getty Images/B. Kilic

Der Bundesanwaltschaft zufolge sammelte das Trio spätestens seit 2013 Informationen über Erdogan-Kritiker in der Bundesrepublik - unter anderem bei Kundgebungen kurdischer Aktivisten, Demonstrationen und Wahlkampfveranstaltungen. Unklar ist, ob G. dem MIT oder einer inoffiziellen Gruppe des Geheimdienstes angehört oder ob er der türkischen Regierung oder einzelnen Regierungsmitgliedern direkt zugearbeitet hat. Er soll seine beiden Mitangeklagten sowie weitere informelle Geheimdienstmitarbeiter als "Führungsoffizier" angeleitet haben.

Spionage im Auftrag Ankaras?

Die Regierung in Ankara erklärte, die Angeklagten hätten keinerlei Verbindungen zum MIT oder zum Ministerium für Auslandstürken, das sich um die Belange der rund 1,4 Millionen Türken in der Bundesrepublik kümmert. Doch der Kölner Experte für Strafrecht und Nachrichtendienstrecht, Nikolaos Gazeas, gibt zu bedenken: "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Staat dazu bekennt, in einen fremden Staat Spione geschickt zu haben, ist von Natur aus sehr gering."

Wenn die Spionage tatsächlich von der türkischen Regierung angeordnet wurde, handelt es sich um den Aufbau eines Geheimdienstnetzwerks in einem anderen Staat, das türkische oder ursprünglich türkische Staatsbürger ausspähen soll. "Auch eine solche Spionagetätigkeit, die sich im Kern gegen in Deutschland lebende Ausländer richtet, greift in die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ein", erklärt der Strafrechtler Gazeas. Sie könne, so Gazeas weiter, "den hier angeklagten Straftatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit erfüllen". Bei einer Verurteilung drohen den Beschuldigten bis zu fünf Jahre Haft.

Belastung für die deutsch-türkischen Beziehungen

Der Prozess könnte auch ein Schlaglicht darauf werfen, wie der türkische Staat mit den eigenen Bürgern im Ausland umgeht - und die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei belasten. Berichten zufolge ist G. ein ehemaliger Berater Erdogans, er soll unter anderem für das türkische Ministerpräsidentenamt und eine staatliche Bank gearbeitet haben.

"Mein Mandant ist unschuldig", betont der Pflichtverteidiger von Mohammed Taha G. nach dem Ende des ersten Verhandlungstages. "Er sitzt seit einem Dreivierteljahr in Untersuchungshaft; das ist rechtswidrig." Auch sein Kollege äußert sich noch kurz zum Prozessauftakt und den Chancen seines Mandanten auf einen Freispruch. Eine Frage allerdings lässt den Wahlverteidiger verstummen: Ob er Erdogan kenne oder nicht.