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Afrika im Fadenkreuz der Terroristen

12. August 2010

Der islamistische Terror auf dem afrikanischen Kontinent ist nicht auf Somalia und den Maghreb beschränkt. So leiden beispielsweise der Niger und besonders die Tuareg unter der permanenten Unsicherheit.

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Bewaffnete Männer auf einem LKW (Foto: AP)
Verschiedene Extremistengruppen breiten sich in der Sahelzone ausBild: AP

Der Terror weitet sich aus in der Sahelzone: vom Süden Algeriens über Burkina Faso, Mali und Mauretanien - bis hin in den von einer Militärjunta regierten Niger. Die europäischen Medien berichten darüber vor allem dann, wenn westliche Besucher als Geisel genommen werden. Zuletzt war es der Franzose Michel Germaneau vor wenigen Wochen. Er wurde von seinen Entführern getötet. Zur Geisel werden aber vor allem auch die Menschen in der Region. Viele von ihnen sind seit Jahrhunderten vom Handel abhängig - und in den letzten Jahrzehnten vom Tourismus. Ihnen raubt der neue Terror die Existenz.

Reisewarnungen und Entführungen

Ein blau gekleideter Tuareg in der Wüste (Foto: DW)
Ohne Touristen fehlt vielen Tuareg die ExistenzgrundlageBild: DW / Debrabandère

Ein stolzes Wüstenvolk sind die Tuareg und mit ihren leuchtend blauen oder weißen Tüchern um den Kopf ein attraktives Werbebild für die Region in der sie leben, die Sahara. Jedenfalls war das so bis vor wenigen Jahren. Inzwischen ist der Tourismus in der Sahara fast zum Erliegen gekommen. Die schlechte Sicherheitslage, Entführungen, Morde an westlichen Besuchern haben für Schlagzeilen und Reisewarnungen gesorgt. Und so haben die Auswirkungen des Terrors den Menschen im Norden des Niger, in der Region Agadez, die Lebensgrundlage geraubt, berichtet der Tuareg Mano Aghali. "Es gibt viele bei uns, die vom Tourismus gelebt haben: die Verkäufer, vor allem aber die Touristenführer. Die sogenannte Rebellion 2007 und ihre Folgen waren ein regelrechter Schock für sie. Denn es gibt für diese Menschen wenig Möglichkeiten, etwas anderes zu tun. Die meisten von ihnen waren gar nicht Teil der Rebellion und haben nie gekämpft. Und nun sind sie ohne Beschäftigung und leben in Agadez."

Was Mano Aghali die "zweite Rebellion" nennt, begann im Jahr 2007: gewaltsame Übergriffe auf Polizei und Militärposten, Gefechte zwischen Rebellen und Soldaten - die Unsicherheit griff um sich im Norden des Niger.

Motor der Gewalt

Doch diese Rebellion, die von der Regierung als Aufstand der Tuareg bezeichnet wurde, war anders als die vorhergegangenen, bei denen die Tuareg für Verbesserungen in ihrer Region und mehr Teilhabe gekämpft hatten. Diese neue Welle der Gewalt ab 2007 hatte nichts zu tun mit den politischen Anliegen der Tuareg, wie Aghali betont: "Die eigentlichen Motoren des Konflikts waren nicht die Tuareg, die treibende Kraft waren Leute, die vom Drogen- und Waffenhandel in der Region profitieren wollten. Sie haben die Sache der Tuareg zum Schutzschild ihrer Aktionen gemacht und haben sich hinter immer demselben Lied versteckt: Lasst uns für die Sache der Tuareg kämpfen! Lasst uns für die Sache der Region Agadez kämpfen!"

Aghali setzte sich als Abgeordneter genau für diese Sache ein. Und als Begründer der Nichtregierungsorganisation HEDTAMAT will er den Tuareg in seiner Heimat Bildungschancen eröffnen und Entwicklung in die ganze Region bringen. Er kämpft seit Jahren für eine bessere Präsenz seines Volkes in Parlament, Parteien und Institutionen. Doch genau darum - um Verbesserungen für sein Volk und die Anliegen der Tuareg - sei es 2007 gar nicht gegangen, betont der Mittvierziger. Für Aghali war die Eskalation seitdem eine einzige große Niederlage für sein Volk und das ganze Land: "Die ganze Region ist eine Zone der Unsicherheit. Die ehemaligen Kämpfer sind nach wie vor da, die ganze Region ist vermint. Andere Akteure machen sich da breit."

Terror-Netze in unterschiedlichen afrikanischen Regionen

Bewaffneter Mann (Foto: AP)
Terroristen finden in der Sahelzone den idealen RückzugsraumBild: AP

Doch welche Akteure sind das? Auf dem gesamten afrikanischen Kontinent sind inzwischen viele unterschiedliche islamistische Extremisten aktiv - und von einer ganzen Reihe dieser Gruppen sind in den vergangenen Wochen und Monaten Terrorakte ausgegangen. In der gesamten Sahelregion - vom südlichen Algerien bis in den Niger - verbreiten die kleinen Gruppen der Al Kaida Maghreb seit 2006 Unsicherheit. Im Osten Afrikas bringt der gescheiterte Staat Somalia islamistische Terroristen hervor - zuletzt in den Schlagzeilen durch blutige Terrorakte in Uganda. Seit fünf Jahren sind in Nordnigeria die selbst ernannten Taliban der "Boko Haram" aktiv, was sich übersetzen lässt mit "Erziehung ist Sünde". Zwischen dem nigerianischen Bundesstaat Bauchi und der Region Agadez im Niger, aus der Aghali stammt, liegen rund 1000 Kilometer kaum kontrolliertes Niemandsland.

Unter den Terrorgruppen im Niger seien viele, die keine der regionalen Sprachen sprechen - sie stammten aus Asien oder aus anderen Regionen Afrikas, so Aghali. Doch ihnen schlössen sich auch lokale Kämpfer an und würden nun nach 2007 ein zweites Mal instrumentalisiert. "Kommt! Kommt! - hieß es damals. Wir kämpfen für die Sache der Tuareg - dabei ging es doch nur um den Handel mit Drogen und Waffen. Und heute sagt man denselben Menschen, in derselben Region, demselben Land, Lasst uns kämpfen - im Namen des Islam!"

Keine Polizei, kein Militär und kaum Grenzkontrollen

Afrika ist ein idealer Raum für den internationalen Terrorismus. In Somalia wie in Afghanistan, Pakistan und im Jemen nutzt Al Kaida das Vakuum, das durch die Schwäche des Zentralstaats entsteht. Weite Räume des Kontinents sind völlig unkontrolliert - abgekoppelt von den politischen Zentren, ohne Polizei und Militär. So wird Afrika zum Schutz- und Rückzugsraum für den internationalen Terrorismus.

Auffallend ist, dass Terrorakte sich dort häufen, wo Armut und Unterentwicklung verbreitet sind - wie zum Beispiel auch in Nordnigeria. Dort ist es leicht, Anhänger zu gewinnen. Und nun drohen - in der Folge des Terrors - die einzigen Chancen auf Entwicklung in diesen Regionen zu verschwinden. Seit dem Putsch im Niger vor einigen Monaten ist die offizielle Entwicklungszusammenarbeit eingestellt. Und auch die Arbeit von Aghalis Nichtregierungsorganisation HEDTAMAT ist in ihrer Existenz bedroht. Ein Aus solcher Organisationen aber würde die Armut und damit die Gefahr einer Radikalisierung vergrößern.

Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Carolin Hebig