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Im Gespräch Daniela Keßner: Vom Fahrer zum Passagier

Videoassistenten29. Januar 2012

Der Mensch im Verkehr der Zukunft – nur noch als Beifahrer? 'Das kann aber auch sehr gefährlich sein.' sagt unser Studiogast, die Psychologin Daniela Keßner von der Technischen Universität Berlin. Die Usability-Beraterin beschäftigt sich damit, welche Technik, bei wem, warum gut ankommt.

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DW-TV: Frau Keßler, die Kontrolle über das Steuer abzgeben, wollen wir das überhaupt? Sind wir denn dazu bereit?

Daniela Keßner: Ich glaube nicht, dass wir bereit sind. Heute ist es schwierig für Menschen, sich vorzustellen, im Auto zu sitzen und nicht mehr einzugreifen. Das hängt mit ganz vielen Faktoren zusammen. Zum einen ist Kontrolle abgeben überhaupt ein Thema, zum anderen gibt es durchaus ganz berechtigte Zweifel daran, ob das gut ist. Wir wissen zum Beispiel, dass Fahrer, die nicht mehr selber fahren, in der Aufmerksamkeit nachlassen. Das ist eine monotone Aufgabe: Nur noch das Auto zu überwachen, ob man möglicherweise jetzt eingreifen muss, weil der Computer nicht richtig reagiert. Wenn ein Eingreifen notwendig wird, braucht der Mensch eine gewisse Zeit, um sich überhaupt wieder zu orientieren. In welcher Situation befindet sich das Auto, wie reagiert man richtig? Das ist gefährlich. Es gibt also noch ein paar ungelöste Aufgaben.

Das heißt, wenn wir die Verantwortung abgeben, dann sind wir auch nicht mehr in der Lage, im Notfall zu reagieren.

Nicht mehr in der Lage ist zu viel gesagt. Wir sind nicht mehr in der Lage, so schnell und nahtlos zu reagieren, wie wenn wir die ganze Zeit selber gefahren wären. Wir müssen die Situation erst wieder erfassen, uns richtig in ihr einrichten, und dann reagieren. Diese Zwischenzeit macht ihn gefährlich, diesen Wechsel zwischen dem automatisierten und dem manuellen Fahren.

Würden Sie sich denn in ein fahrerloses Auto setzen?

Nein, ganz ehrlich, das würde ich nicht machen wollen.

Gibt es denn regionale Unterschiede, wie Technik akzeptiert wird?

Es gibt Länder, wo die Menschen insgesamt technikaffiner sind. Wir wissen zum Beispiel von Japan, dass dort Roboter entwickelt werden, die in der Pflege zum Einsatz kommen werden. Ich glaube, dass so etwas in Deutschland heute noch undenkbar ist. Es gibt also durchaus Unterschiede zwischen einzelnen Ländern und Deutschland. Ich glaube, dass wir einen hohen Anspruch an Individualität, in der Pflege und auch beim Autofahren haben.

Welches sind denn die wichtigsten Fragestellungen bei der Entwicklung neuer Techniken? Oder anders gefragt: Sind die, die sie entwickeln, nah genug an uns Kunden?

Ich glaube, dass das häufig ein Problem ist: die Nähe zum Kunden. Damit Technik akzeptiert wird, muss sie ja erst einmal nützlich sein. Das ist häufig nicht das große Problem. Technik erfüllt immer irgendeinen Zweck. Sie muss aber auch gut bedienbar sein. Wo immer der Mensch, der Benutzer die Wahl hat zwischen verschiedenen Produkten, die alle das Gleiche tun, entscheidet er sich natürlich für das Produkt, das er sehr gut bedienen kann. Und da gibt es Unterschiede. Das liegt wiederum daran, dass in der Entwicklung sehr häufig der Benutzer und sein Verständnis von dem, wie er die Aufgabe erledigen will, nicht oder nicht genug berücksichtigt wird.

Ich muss mit Ihnen natürlich auch über das Thema Gebrauchsanweisungen sprechen. Die sind wahnsinnig kompliziert geschrieben und außerdem liest sie auch keiner. Ich habe noch nie eine Gebrauchsanweisung gelesen, glaube ich. Dass es auch anders geht, das zeigen Geräte, die sich intuitiv bedienen lassen.

Genau. Ein hohes Ziel. Nicht immer kann man das verwirklichen. Es gibt Geräte, stellen wir uns eine Kraftwerksteuerung vor, die kann nicht intuitiv sein. Natürlich muss man hier schulen. Dennoch haben sie Recht. Das Thema Gebrauchsanweisung ist ganz wichtig. Da trifft dasselbe zu wie bei vielen Software- oder Website-Produkten. Die Hersteller versetzen sich zu wenig in die Produktion und das Grundverständnis eines normalen Nutzers hinein. Der normale Nutzer begreift seine Aufgabe anders als der Techniker, der das Gerät entwickelt hat. Und das findet zu wenig Berücksichtigung, besonders auch bei den Gebrauchsanweisungen.

(Interview: Daniela Levy)