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Im ICE zum Klimagipfel

Jens Thurau, Frankfurt am Main28. November 2015

Die Bahn bringt Bundesumweltministerin Hendricks und deren Delegation CO2-freundlich zum Klimagipfel nach Paris. Das Unternehmen nutzt die Reise für eine forsche Selbstdarstellung. Von Jens Thurau, Frankfurt am Main.

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Sonderzug der DB zum Klimagipfel in Paris - Foto: G. Fischer (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

So eine Pressekonferenz hat die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks auch noch nicht abgehalten. Sie steht gerade im Wagen 28 des Intercity Express (ICE) von Berlin nach Paris. Es ist ein Sonderzug, den die Deutsche Bahn AG (DB) kostenfrei zur Verfügung gestellt hat. Neben Hendricks steht Ronald Pofalla, Vorstandsmitglied der Bahn. In einem früheren Leben war er mal CDU-Politiker und Leiter des Kanzleramtes von Angela Merkel.

In den Sesseln des Großraumwagens sitzen die Pressevertreter, Hendricks dreht sich mal nach vorn, mal nach hinten, um deren Fragen zu beantworten. Es rüttelt und schüttelt, Kamerateams und Ministerin haben Mühe, die Balance zu halten. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir in Paris ein gutes Klimaabkommen beschließen werden, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns", wiederholt die Ministerin, was sie schon seit Tagen sagt. Hinter ihr verfolgen Staatssekretär Jochen Flasbarth und Delegationsleiter Karsten Sach die Szene mit ernsten Gesichtern. Denn die viele Arbeit wird vor allem auf die beiden Männer zukommen: Sie sind die Chefunterhändler Deutschlands auf der Klimakonferenz.

Kostenlos nach Paris

300 Menschen bringt der Zug gratis nach Paris. Es gibt kostenloses Frühstück und später Essen plus Weinprobe - biologisch, versteht sich. Die Stimmung ist entsprechend gelöst. Aber eine ruhige Bahnfahrt ist das nicht: Es geht eher zu wie auf einer Messe. Beispiel: 10.30 Uhr bis 11 Uhr, Wagen 29: Preisverleihung "umweltfreundlichstes Bahnunternehmen der Welt" durch internationale Experten. Der Preis geht selbstverständlich an die Deutsche Bahn.

Dazu passend rechnet ein DB-Vertreter vor, wie klimafreundlich die Reise nach Paris sei: Die Bahn verwendet Ökostrom für die 13629 Kilowattstunden, die der Zug mit seinen 413 Plätzen bis Paris verbrauchen wird. Klimaneutral sei das gewissermaßen. Den Vergleichswert liefert der Mann von der Bahn gleich mit: Ein einziger Fluggast von Berlin nach Paris verbrauche 118 Kilogramm an Kohlendioxid.

Barbara Hendricks und Ronald Pofalla im Sonderzug der DB zum Klimagipfel in Paris - Foto: Jens Thurau (DW)
Ministerin Hendricks und Bahnvorstand Pofalla: Mühe, Balance zu haltenBild: DW/J. Thurau

Gleich danach in Wagen 26, im Bordbistro: eine Diskussion über die Umwelt-Enzyklika des Papstes. Mit dabei: Heiner Koch, Erzbischof von Berlin. Beim Zwischenstopp in Frankfurt am Main nutzen drei Demonstranten die Gunst der Stunde für Eigen-PR. Sie klettern - unter Lebensgefahr - auf das Zugdach, um gegen das aus ihrer Sicht "folgenlose Klimaspektakel" zu demonstrieren, zu dem der Hendricks-Tross gerade unterwegs ist. Zwei weitere haben sich an den Schienen festgekettet. Eines erreichen die Protestler in jedem Fall: Der Sonder-ICE verspätet sich.

Ganz vorn im Zug geht die Umweltministerin derweil noch mal die Unterlagen für Paris mit ihren Mitarbeitern durch: Am Montag wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Eröffnung der Weltklimakonferenz sprechen. Aber danach, gut zwei Wochen lang, ist dann SPD-Frau Hendricks Deutschlands offizielle Stimme. Sie will mithelfen, dass in Paris die hohen Erwartungen erfüllt werden. Ein Abkommen, das alle 195 Staaten der UNO zum Klimaschutz verpflichtet, damit die Erderwärmung möglichst auf zwei Grad begrenzt wird. Ein Wert, den Klimaexperten für gerade noch tolerabel halten.

Anders ausgedrückt: Dieser UN-Klimagipfel soll endlich einmal positive Nachrichten liefern, Paris soll nicht so kläglich scheitern wie Kopenhagen 2009. Und, na klar: Die Konferenz mit zehntausenden von Teilnehmern soll auch ein Signal sein: Wir trotzen den Islamisten! Kurz nach den Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt wurde erwogen, die Konferenz zu verschieben, aber sehr schnell waren sich die UN-Staaten einig: jetzt erst recht!

Kohlestreit in der SPD

Die deutsche Umweltministerin will nichts unversucht lassen: Hendricks legt sich sogar mit ihrer eigenen Partei an, der SPD. Deutschland steht ganz gut da im Klimaschutz, hat in den vergangenen 25 Jahren über 20 Prozent an Treibhausgasen eingespart, aber die Energieversorgung ist immer noch stark kohlelastig. Hendricks hat jetzt öffentlich angeregt in 20 bis 25 Jahren ganz aus der Kohle auszusteigen und "noch mit dieser Regierung", also bis Ende 2017, darüber konkret zu reden.

Das ist vor allem ihrer SPD im Kohleland Nordrhein-Westfalen zu forsch. Im Zug wird von erhitzten Telefonaten zwischen Hendricks und der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erzählt. Wenn es konkret wird mit dem Schutz des Klimas, hört eben oft der Spaß auf. Die großen Energieversorger machen Druck auf Kraft und die wiederum auf Hendricks, sich mit konkreten Ausstiegsterminen zurückzuhalten. Aber hatten nicht die G7-Staaten im Sommer in Bayern, angetrieben von Angela Merkel, das Zauberwort von der Dekarbonisierung noch in diesem Jahrhundert erfunden?

Wie Wirtschaft und Politik beim Klimaschutz besser kooperieren, ist übrigens Thema der Veranstaltung in Wagen 25. Die "Stiftung 2 Grad" lädt zum Gespräch. "Jetzt handeln. Und zwar Hand in Hand. Wie Unternehmen und Politik den Klimaschutz gemeinsam vorantreiben können." Jetzt muss nur noch in Paris umgesetzt werden, was in den Diskussionen im "Train to Paris" schon ganz gut funktioniert.