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Im Interesse Europas

Vladimir Müller1. September 2004

Bundesaußenminister Joschka Fischer hat seine politischen Gespräche in fünf Nahost-Ländern beendet. Schwerpunkt war die Wiederbelebung des Friedensprozesses. Viel gebracht hat die Reise aber nicht.

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Viel Neues wird Joschka Fischer seinen EU-Kollegen nicht mitteilen können, wenn er sie ab Donnerstag in Maastricht auf dem informellen EU-Außenministertreffen über seine Nahost-Reise informieren wird. Die Abschwächung des israelisch-palästinensischen Konflikts, die der deutsche Außenminister selbst als eine der Bedingungen für einen friedlichen Nahen Osten genannt hat, scheint nach wie vor unerreichbar.

Einerseits gibt es keine Anzeichen wirklicher Reformen in der Palästinensischen Autonomiebehörde. Zugleich stellt der Grenzzaun, wie ihn die Israelis bauen - tief ins palästinensische Gebiet hinein - ebenfalls ein Hindernis für die "Roadmap", die "Straßenkarte zum Frieden" dar. Zudem explodierten am letzten Tag von Fischers Reise im Süden Israels zwei Bomben in Autobussen, die mehrere Menschen töteten und die Stimmung weiter aufheizen dürften.

Kein "ehrlicher Makler": die USA

Einziger Hoffnungsschimmer für eine mögliche Entspannung der Lage scheint der Plan des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon zu sein, etwa 7500 Siedler zusammen mit den Soldaten, die diese schützen, aus dem Gaza-Streifen abzuziehen. Trotz massiven Widerstandes in der eigenen Partei will Scharon am einseitigen Rückzug festhalten und ihn bis Ende 2005 umsetzen. Einen Zeitplan für die Räumung hat er gerade vorgelegt. Dieser Rückzug könnte zu einem Durchbruch in den Friedensgesprächen führen, meinte auch der deutsche Außenminister - aber nur, wenn es nicht bei Gaza bleibe.

Denn das Ziel der "Roadmap", die das Nahost-Quartett aus USA, UN, EU und Russland verfolgt, ist die Bildung von zwei unabhängigen Staaten - wobei der palästinensische sich nicht auf den Gaza-Streifen beschränken soll: Das von Israel besetzte Westjordanland soll auch dazu gehören. Von einer Räumung dieses Gebiets ist jedoch nicht die Rede, im Gegenteil: Viele der 150 Siedlungen mit über 220.000 Israelis werden dort noch weiter ausgebaut mit Billigung der US-Regierung, die hier kaum als "ehrlicher Makler" auftritt, sondern immer mehr die Expansionspolitik Israels vertritt.

Albtraum: Atomarer Rüstungswettlauf in der Region

Europa sei darauf angewiesen, dass die USA das Steuer in Nahost in die Hand nähmen, gab Fischer auf seiner Reise zu. Andererseits berührten die Krisen in der Region auch Europa als direkten Nachbarn der arabischen Länder. Sich einzumischen ist deshalb für die Europäer im eigenen Sicherheitsinteresse. Doch um auf die Politik Israels überhaupt Einfluss nehmen zu können, müsste zuerst versucht werden, Israels Misstrauen abzubauen, das nach dem Erstarken des Antisemitismus in vielen europäischen Ländern noch vertieft wurde.

Dabei könnten erfolgreiche Verhandlungen mit dem Iran behilflich sein - dem Land, das Fischer diesmal nicht in seinem Besuchsprogramm hatte, das aber immer wieder erwähnt wurde. Sowohl die Europäer als auch die Israelis sind zunehmend über das iranische Atomprogramm besorgt. Der Beginn eines nuklearen Rüstungswettlaufs in der Region wäre auch für Fischer ein "Albtraum". Ihn gar nicht entstehen zu lassen, liegt nun auch in den Händen der Europäer.

Großbritannien, Frankreich und Deutschland stehen nach Fischers Worten kurz vor einer Übereinkunft über die Lieferung von Nukleartechnologie für zivile Zwecke an Teheran. Eine verbindliche Garantie, dass es bei diesen friedlichen Zwecken bleibt, würde Israel vor Augen führen, dass es von der europäischen Diplomatie nicht nur für Verfehlungen kritisiert wird, sondern auch selbst von ihr profitieren kann.