1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Glaube

Im Jahr des Herrn

30. Dezember 2016

Wenn heute Nacht die Feuerwerke glühen, beginnt das neue Jahr 2017 und zwar nach Christi Geburt. Pater Hans Peters SVD von der katholischen Kirche zur Zeitrechnung, die stets an die Menschwerdung Christi erinnert.

https://p.dw.com/p/2UuuT
Mit Feuerwerken feiern die Menschen weltweit den Jahreswechsel. Foto: Petra Morales/pixelio.deBild: pixelio.de/P. Morales

Und alle Jahre wieder, nicht unbedingt weihnachtlich stimmungsvoll, sondern eher laut und krachend, blitzend und sprühend: die Sektkorken, die Böller, das Feuerwerk, und eine Zeitzone nach der anderen begrüßt das Neue Jahr 2017. Sehr wahrscheinlich werden sich die wenigsten heute Abend Gedanken darüber machen, warum gerade 2017? Woher kommt diese Zahl? Wer hat sie berechnet? Wir begehen 2017 Jahre nach Christi Geburt! – auch wenn die Zahl nicht ganz exakt mit dem Geburtsjahr Jesu übereinkommt. Der Mönch, der Ende der Antike diese Zahl berechnet hat, verfügte noch nicht über die genauen Messgeräte, die uns zur Verfügung stehen, um kosmische Zeiten zu berechnen. In der ganzen Welt zählt man die Jahre nach der Geburt Christi, und das für die ganze Weltgeschichte: vor Christi Geburt oder nach Christi Geburt.

Natürlich haben andere Kulturen und Religionen ihre eigenen Zeitrechnungen, ihre eigenen Neujahrsfeste. Aber keine dieser Zeitrechnungen ist maßgeblich geworden für „den Lauf der Welt und der Zeit“. Wie brisant diese Zeitrechnung ist, wird einem deutlich, wenn man sieht, wie bisweilen die Kürzel vuZ und nuZ – vor bzw. nach unserer Zeitrechnung – verwendet, als wolle man krampfhaft jeglichen Hinweis auf Christi Geburt vermeiden. Man darf darüber nachdenken und schmunzeln...

Mit jedem Menschen vereinigt

Sagt es etwas über die Anwesenheit Gottes in dieser Welt, die sich in der Geschichte dieses Jesus von Nazareth gezeigt hat? Alle Welt zählt die Jahre nach ihm. Die wenigsten sind sich dessen wirklich bewusst. Und dieser Gott lässt es einfach zu. Er nutzt das nicht für sich aus, so als müssten alle ihn unbedingt anerkennen. Nein, er lässt die Menschen feiern, die Jahre nach ihm zählen, – und ist einfach so da. Das ist überhaupt sein Metier, sein Name von Anfang an, wie Mose im Dornbusch erfährt, wenn Gott seinen Namen nennt: „Ich bin der Ich-bin-da“ (Ex 3,14): Da sein, dabei sein, wo immer menschliches Leben geschieht. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das auf den Punkt gebracht, wenn es in der „Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute“ sagt: „In seiner Menschwerdung hat sich der Sohn Gottes gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“1  (GS 22).

Wie wir Christen in der Welt da sein sollen? Es ist wichtig, dass es uns gibt, dass wir da sind, dass wir unseren Glauben bezeugen „und wenn es sein muss mit Worten“ (hl. Franziskus). Aber wir müssen nicht unter dem Druck stehen, die ganze Welt unter allen Umständen christlich zu machen, ihnen unsere Sicht der Dinge geradezu aufzuzwingen. Die diskrete Anwesenheit Gottes im Jahr 2017 kann uns von allem zwanghaften Bekehrungsdrang befreien und gelassen und vertrauend vom menschgewordenen Gott Zeugnis ablegen – vor allen Dingen durch unser Leben. Eine Staatskirche oder Kreuzzüge haben dem Evangelium noch selten gut getan.

Absichtslos da sein in einem „Abschied vom erobernden Gott“2, wie das Buch von Mariano Delgado heißt, in dem er besonders die Missionsgeschichte Lateinamerikas reflektiert. Diese zeigt auch etwas vom neuzeitlichen europäisch geprägten Missionsverständnis zum, das mit frommen Sprüche wie: „eine Welt für Christus zu erobern“ immer auch etwas von „eine Welt für uns zu erobern“ zum Vorschein bringt. Wir brauchen die Welt nicht zu erobern, das dürfen wir Gott überlassen, wenn überhaupt, und allen politischen Entwürfen, die sich zu schnell auf das Christentum berufen, werden wir skeptisch gegenüber bleiben oder ihnen sogar eine Absage erteilen.

Nicht aufzwängen, sondern vorleben

Dass das Christentum sich in den ersten Jahrhunderten praktisch im ganzen römischen Reich ausgebreitet hat, ist nicht einer organisierten Missionsbewegung zu verdanken, sondern in erster Linie Soldaten, die nicht für Christus kämpften, Kaufleuten, sonstigen Reisenden, die Christen waren und nicht viel Aufhebens von sich machten. Wenn es zum Konflikt kam, dann standen sie ihren Mann, ihre Frau und sprachen öffentlich von dem, was Sinn ihres Lebens war: Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, der allein anbetungswürdig ist, und nicht der Kaiser. Sie eroberten nicht, sie lebten, sie lebten vor, ihr Leben und Sterben überzeugte, nicht die Massen, immer wieder einzelne, kleine Gruppen, die aber genug waren, dieses mächtige Weltreich unauffällig zu verändern und für das Evangelium zu öffnen.

Wir leben unseren Glauben, überzeugt, manchmal von Zweifeln heimgesucht, aber einfach unser Leben, ohne Eroberungsgedanken, im Vertrauen, dass Gottes Reich schon unter ist und das er seine Geschichte hat mit jedem Menschen, ob Christ oder Moslem oder Anhänger anderer Religionen oder Atheist.

Nicht erst eine ausdrückliche christliche Verkündigung bringt Menschen in Kontakt mit der Heilsgeschichte, vielmehr kommt „Gott eher als der Missionar“3, eben in seiner Menschwerdung, so dass jeder Mensch, ganz einfach weil Mensch, mit diesem Geheimnis verbunden ist und damit etwas Göttliches in sich trägt: jene Menschenwürde, die unantastbar ist, wie es unser Grundgesetz zum Ausdruck bringt. Jede Zeit ist auf Heilszeit angelegt, was unser Anno Domini, „im Jahr des Herrn“ immer wieder andeuten, erinnern möchte, ohne dass wir uns dessen immer wieder bewusst sein müssen – absichtslos. Und das alles nicht zuletzt, wenn wir heute Nacht sagen: Prosit Neujahr 2017 – nach Christi (!) Geburt.

1 Gaudium et Spes. Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute. Nummer 22.
2 Mariano Delgado, Abschied vom erobernden Gott, Immensee 1996. 
3 Leonardo Boff, Gott kommt früher als der Missionar, Düsseldorf 1991.

Pater Hans Peters SVD, Steyler Missionar, Goch
Bild: DBK

Pater Hans Peters SVD gehört seit 1967 dem Orden der Steyler Missionare an, in dem er in vielen verschiedenen Funktionen gewirkt hat und bis heute wirkt, unter anderem in der Jugendarbeit, als Novizenmeister und im Rektorat des Missionshauses St. Michael in Steyl (Niederlande). Seit 2008 arbeitet der gefragte Seelsorger und Lebensberater als Wallfahrtsseelsorger in Goch am Niederrhein. Seit 1994 schreibt er regelmäßig für die christliche Familienzeitschrift „Stadt Gottes“.