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"Im Kosovo brauchen wir einen langen Atem"

3. Mai 2007

Der Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU) hat mit DW-RADIO über eine Lösung des Kosovo-Status gesprochen. In Bosnien habe die EU Geduld gelernt, dies gelte auch im Kosovo.

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Polenz: Die EU hat aus den Fehlern in Bosnien gelerntBild: DW-TV

DW-RADIO: Die brennendste Frage des westlichen Balkans ist der ungeklärte Status des Kosovo. Auf der albanischen Seite wächst die Ungeduld, die Unabhängigkeit endlich einzufordern. Die serbische Seite hingegen beharrt darauf, dass Kosovo integraler Bestandteil Serbiens bleibt. Kann es ihrer Meinung nach eine Lösung geben, mit der beide Seiten leben können?

Rupert Polenz: Ich denke, dass die Vorschläge, die der finnische Unterhändler Ahtisaari jetzt den Vereinten Nationen unterbreitet hat und über die vorher zwischen beiden Seiten lange gesprochen worden ist, eine solche Lösung sind. Serbien verwaltet das Kosovo bei Licht besehen schon seit langem nicht mehr. Der Status kann so nicht bleiben. Man ist zwar zu keinem Kompromiss in der Statusfrage in der Lage, aber bei Licht besehen haben beide, das Kosovo und Serbien, ihre Zukunftsinteressen in Europa. Das Hauptinteresse Serbiens geht dahin, möglichst 2008 Beitrittskandidat für die Europäische Union zu werden. Das ist ohne eine Lösung des Kosovo-Konflikts nicht möglich. Und weil die Ahtisaari-Vorschläge weitgehende Rechte für die serbische Minderheit im Kosovo beinhalten, sollte man sich auf dieser Linie verständigen können. Das ist jetzt auch die Position der Europäischen Union.

Was müssen aus Ihrer Sicht beide Seiten, Kosovo-Albaner und Serben, unbedingt leisten, damit eine friedliche Lösung gefunden wird?

Sie sollten sich jeweils mit dem Nichtvermeidbaren abfinden. Milosevic hat für Serbien unermesslichen Schaden angerichtet. Das Tragische ist, dass jetzt demokratisch gewählte Regierungen mit den Folgen konfrontiert sind, wie das häufig in der Geschichte so der Fall ist. Aber die Zukunftsperspektive in Europa sollte darüber hinweghelfen. Und für die Politiker im Kosovo gilt natürlich: Falls es jetzt zu einer Resolution des UN-Sicherheitsrats kommt, die dem Kosovo eine begrenzte, beaufsichtigte Unabhängigkeit gewährt, dann fängt die Arbeit erst an. Man hat manchmal das Gefühl, dann ist man am Ziel aller Wünsche. Nein, dann geht es erst los. Das Land zu entwickeln, die Arbeitslosigkeit ist riesig hoch, eine sehr junge Bevölkerung, also es kommen große Aufgaben auch auf die kosovarischen Politiker zu.

Nun gibt es eine ganze Menge Kritiker, die befürchten, dass die Unabhängigkeit im Kosovo eine Art Dominoeffekt haben könnte in dieser Region. Teilen Sie diese Befürchtung?

Nein, es wird immer wieder deutlich zu machen sein, dass wegen der Vorgeschichte es sich um einmalige Situation handelt, die jetzt nur so gelöst werden kann und keinerlei Präzedenzwirkung für andere Wünsche irgendwo auf der Welt oder auch in der Region haben kann. Dass sich dann trotzdem hier oder da jemand darauf berufen mag, lässt sich nicht ausschließen. Aber wenn die Internationale Staatengemeinschaft sich einig ist, Kosovo ist ein einmaliger Einzelfall, dann sollte das ausreichen.

Sollte es zu einer Unabhängigkeit kommen, dann steht wohl außer Frage, dass es auch eine langfristige internationale Präsenz erforderlich machen wird. Damit hat Europa Erfahrung, in Bosnien-Herzegowina zum Beispiel. Aber trotz viel Geld und internationaler Präsenz in Bosnien gibt es bis heute keine überzeugenden Ergebnisse in diesem Land. Es ist dort bspw. nicht gelungen, eine starke und handlungsfähige zentrale Regierung zu schaffen. Welche Lehren sollte die EU Ihrer Meinung nach daraus ziehen für Kosovo?

Wenn wir die Entwicklung in Bosnien an unseren Erwartungen und Hoffnungen messen, haben Sie mit Ihrer Beschreibung sicherlich Recht. Wenn wir auch in die Bewertung mit einbeziehen, wo wir herkommen, dann haben wir doch etwas erreicht. Wir – das heißt einschließlich der Kräfte in Bosnien, die sich um Versöhnung, Ausgleich und Wiederaufbau bemühen und bemüht haben. Die Lehren fürs Kosovo sind sicherlich, dass die internationale Gemeinschaft einen langen Atem braucht, dass man auch Geduld braucht, dass aber den Beteiligten klar gemacht werden muss: Ohne dass sie sich selber anstrengen, in der Richtung auf Europa die Reform voranzutreiben, wird es nicht gehen. Also, es ist kein Zug, in den man einsteigt und dann irgendwann in Brüssel aufwacht, sondern der Weg muss, wenn Sie so wollen, zu Fuß zurückgelegt werden. Das Bild ist vielleicht gar nicht schlecht, weil es auch ein bisschen die Dauer beinhaltet und die Geduld, die man brauchen wird.

Das Interview führte Verica Spasovska
DW-RADIO/Südosteuropa, 24.4.2007, Fokus Ost-Südost