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Im Krieg gegen den Terrorismus leiden die Menschenrechte

Peter Philipp 25. September 2003

Seit den Anschlägen vom 11.9.2001 führen die USA einen Krieg gegen den Terrorismus. Dabei bleiben mitunter Menschenrechte auf der Strecke. Ist das gerechtfertigt, um Schlimmeres zu verhindern?

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Gesuchter Terrorist: Osama bin Laden im arabischen Fernsehen Anfang September 2003Bild: AP/Al Jazeera via APTN

Der von den USA erklärte und betriebene "Krieg gegen den Terrorismus" wirft zunehmend die Frage auf, was in solch einem Kampf erlaubt ist und was nicht. Besonders, in welchem Maße man dabei - wenn überhaupt - Menschenrechte ignorieren dürfe, um Terroristen daran zu hindern, Unschuldige in Mitleidenschaft zu ziehen. Die eklatantesten Beispiele hierfür sind Maßnahmen, die von den Vereinigten Staaten ergriffen werden: Die Internierung von verdächtigten Al-Kaida-Anhängern im US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba wie auch in verschiedenen Lagern in Afghanistan. Die Internierung irakischer Gefangener im Irak selbst. Und auch kollektive Sicherheitsmaßnahmen gegen Muslime oder Araber in den USA. Bei dieser Diskussion gehen die Meinungen weit auseinander: Die einen verteidigen das Abweichen von Grundsätzen des Menschenrechts, um größeres Unheil zu verhindern, andere wiederum sind strikt dagegen.

Terrorismus reduziert Menschenrechte

Wenn man Frieden suche, dann müsse man Gerechtigkeit schaffen, meint zum Beispiel Abdullahi Ahmed An-Na'im, aus dem Sudan stammender Jurist von der Emory Universität in Atlanta. Und er warnt davor, dass eine Missachtung der Menschenrechte beim Kampf gegen den Terrorismus den Terroristen erst zum Sieg verhelfe: "Das Risiko des Terrorismus ist letztlich, dass er unsere Menschlichkeit reduziert. Und dass Terroristen nicht nur mit ihren Aktionen Erfolg haben, sondern auch über unsere Antwort darauf: Sie scheitern, wenn wir mit Menschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zurückhaltung darauf reagieren. Und sie haben Erfolg, wenn wir uns zum selben Niveau der Barbarei und Verantwortungslosigkeit herablassen."

Ein Problem beim Umgang mit diesem Thema ist schon die Definition von Terrorismus. Besonders griffig wird dieses Dilemma mit der Erklärung beschrieben, der Terrorist des einen sei der Freiheitskämpfer des anderen. An-Na'im widerspricht: "Ein Terrorist ist ein Terrorist und bleibt ein Terrorist. Die Frage ist nur, ob ich oder Sie oder jeder andere den Terrorismus verurteilen würden - egal, wer ihn verübt." Verurteilen allein aber genügt nicht, es muss auch vorgebeugt werden. Etwa durch einen intensiveren Dialog mit denen, die anfällig sind für terroristische Ideologien. Aber die genauere Definition dieser Gruppe macht Schwierigkeiten. Eine weit verbreitete These lautet, dass Terrorismus aus der Diskrepanz zwischen Reich und Arm entsteht, in einem Umfeld der Unfreiheit und sozialen Ungerechtigkeit, und dass er eine Waffe der Armen sei.

Verletzung der Menschenrechte

Nicht nur der Fall Osama Bin Ladens belegt wenigstens teilweise das Gegenteil, sondern auch die Geschichte des deutschen Terrorismus: So handelte es sich bei den Mitgliedern und Anhängern der Baader-Meinhof-Gruppe (Rote Armee Fraktion - RAF) durchweg um Kinder aus so genannten guten Familien, die in einem freien und demokratischen Gesellschaftssystem aufgewachsen sind. Genau dieses Beispiel scheint die Theorie vom Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit zu widerlegen, aber es steht auch nicht für alle Fälle von Terrorismus. Die durch Terrorismus verursachte Verletzung der Menschenrechte schließlich entsteht nicht durch den Terrorakt, sondern sie kann entstehen durch staatlich ergriffene Gegenmaßnahmen. Etwa, wenn ganze ethnische oder religiöse Gruppen unter Beobachtung gestellt oder benachteiligt werden, weil einige ihrer Mitglieder Terror verüben.

Die Meinungen sind gespalten, wenn es darum geht, Terrorakte selbst als Verletzung der Menschenrechte zu behandeln. Betrand Ramcharan, Menschenrechtsbeauftragter der Vereinten Nationen, hält dies für ein ernstes Dilemma: "Sind Terrorakte Verbrechen oder sind sie schwere Verstöße gegen die Menschenrechte?" Eine klare Antwort gibt es nicht und wird es nicht geben. Einig ist man sich aber in Fachkreisen, dass der Kampf gegen den Terrorismus derart geführt werden muss, dass ihm nicht die Werte zum Opfer fallen, derentwegen man diesen Kampf letztlich führt.