1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kein Gasthaus ohne Schlachtplatte

Deftig ist die Küche der Pfalz, reichhaltig die Weine, die hier wachsen. Gaststätten und Biergärten finden sich in fast jedem Dorf. In der Eselsburg in Mussbach gibt es Gutes auf dem Teller und viel Kunst an den Wänden.

https://p.dw.com/p/I140
Kunst im Gastraum der Gaststätte Eselsburg (Foto: DW)
Kunst und gutes Essen in der Gaststätte EselsburgBild: DW

Wer von der Pfalz spricht, muss erst einmal geographische Aufklärungsarbeit leisten. Das Land Rheinland-Pfalz umfasst nämlich im Norden auch Teile der Eifel und der Weinbaugebiete Ahr und Mosel. Wenn man "Rheinland" weglässt und nur von der Pfalz spricht, ist die Region weiter südlich gemeint. Klimatisch unterscheiden sich diese Gegenden stark. Im Süden wachsen Zitronen und sogar Tabak. Der Pfälzer Wein bringt es durch das Mehr an Sonne leicht auf zwei Volumen-Prozent mehr als der im kühleren Moseltal.

Allerlei Schlachtgenüsse

Anette Ueberschaer präsentiert mit einem lächelnden Gesicht ein Gericht (Foto: DW)
Anette UeberschaerBild: DW

Deftig macht glücklich" sagt Anette Ueberschaer und bringt es auf den Punkt. Zwar mag man es in allen deutschen Regionalküchen eher rustikal, in der Pfalz aber liebt man das Deftige besonders: von Saumagen bis Leberknödel, keine Speisekarte ohne Schlachtplatte. Ein üppiger Riesling hilft bei der Verdauung. Gemütliche Kneipen und Biergärten gibt es viele in der Region, aber keine ist so originell wie die Eselsburg in Mussbach. Anette Ueberschaer hat die Kunstkneipe von Maler und Gastronom Peter Wiedemann übernommen. Dessen Vater Fritz Wiedemann hatte als Bildhauer und Maler hier sein Atelier.

Pfälzer Feng Shui

Holzskulptur in der Eselsburg (Foto: DW)
Bild: DW

Die Grundmauern des Gebäudes sind mehrere Jahrhunderte alt. Doch das Besondere ist die Gestaltung der Räume durch Fritz und Peter Wiedemann. Egal, wo sie den Blick hinwerfen, sie werden immer Neues entdecken. "Für mich ist das hier so ein Pfälzer Feng Shui", sagt Anette Ueberschaer zur besonderen Atmosphäre der Eselsburg.

Vor der Tür des Gasthauses erwarten den Besucher surreal anmutende Holzköpfe, drinnen eine zauberhafte Welt aus Gemälden und Figuren. Nicht weihevoll mit großem Abstand gehängt, sondern dicht gedrängt finden sich großformatige Stillleben neben diabolischen Gnomen, Landschaftsblicke neben fröhlichen Zechern in Öl. Kein Balken ist ohne geschnitzte Gesichter und Skulpturen: ein künstlerisches Gesamtkunstwerk, aber eines zum Anfassen, in dem sich gemütlich sitzen lässt.

Überall in der Eselsburg hängen Gemälde an den Wänden (Foto: DW)
Gemälde allüberallBild: DW

Begonnen hat alles denkbar einfach. Mal brachten die Kunden dem Künstler eine kleine Leckerei mit, mal bot Fritz Wiedemann etwas aus der eigenen Küche. Die Mischung aus Kunstort und Kneipe wurde zu Institution, die Sohn Peter später weiter führte. "Der Gaumen soll Freude haben und das Auge auch ", fasst die junge Gastronomin die Idee ihrer künstlerischen Vorgänger zusammen.

Köstliche Resteverwertung

Metzger Klaus Hambel hält zwei Saumägen in die Kamera (Foto: DW)
Metzger Klaus Hambel mit SaumägenBild: DW

Zwei Kilometer weiter im Winzerdorf Wachenheim rührt Klaus Hambel Kartoffeln, Fleisch und Gewürze zur bekanntesten Pfälzer Spezialität zusammen. Klaus Hambel ist Saumagen-Spezialist. Neben dem Verkauf in seiner Wachenheimer Fleischerei beliefert er Geschäfte und Gasthäuser in ganz Deutschland. Inzwischen hat er auch Kunden im Ausland. Die kann er aber nur im Winter beliefern, sonst würde der empfindliche Paketinhalt beim Transport verderben.

Ursprünglich war der Saumagen eine Art Resteverwertung, erklärt Klaus Hambel. "Bei der Schlachtung nahm man übrig gebliebene Pellkartoffel Fleischreste und Schweinemett von der Bratwurstfüllung. Nachdem die Leber- und Blutwürste fertig waren, wurde der Saumagen in den Kessel gehängt. Vier Stunden später war das Abendessen."

Saumagen auf einem Teller (Foto: DW)
SaumagenBild: DW

So wird der Saumagen heute natürlich nicht mehr hergestellt. Bei exakt 72 Grad verbringt er vier Stunden im Ofen, damit der Inhalt schonend gart und saftig bleibt. Jahrelang hat Klaus Hambel zusammen mit seinem Vater experimentiert, um die ideale Mischung der Zutaten zu finden. "Die Gewürze spielen unseres Erachtens die größte Rolle. Wir verwenden nur Pfeffer, Muskatnuss, Nelken, Koriander und Majoran." Außerdem kommen bei Hambel Salz zum Konservieren und Pfeffer für die Würze hinzu, keinesfalls aber chemische Zusätze.

Kanzler Kohl hat ihn berühmt gemacht

Saumägen in Reih und Glied (Foto: DW)
Wird in alle Welt exportiertBild: DW

Saumagen wird in der Pfalz zwar schon lange zubereitet, aber zur bekannten, angeblich traditionellen Spezialität wurde es erst durch Altbundeskanzler Helmut Kohl. Der ließ das deftige Gericht auch bei Staatsempfängen auf den Tisch bringen und verhalf ihm so zur Karriere. Übrigens gibt es nicht nur den einen Saumagen. Neben der klassischen Mischung mit Kartoffeln füllen ihn die Pfälzer gerne mit Kastanien, Fleischer Hambel zum Teil auch mit Pfifferlingen, im Sommer mit Schafskäse und Chili.

Spitzenköche aus der Umgebung haben ganz besondere Kreationen entwickelt: Saumagen mit Weinbergschnecken und auch einen mit Gänsestopfleber. Klaus Hambel schwärmt: "Magerer Saumagen, fette Gänsestopfleber, eine traumhafte Kombination"

Autor: Günther Birkenstock

Redaktion: Conny Paul