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Im Nahen Osten ist Durchsetzungskraft gefordert

Rainer Sollich4. Januar 2002

Der US-Vermittler Anthony Zinni muss bei seiner zweiten Vermittlungsmission in Nahost auf notwendige Kompromisse pochen. Ein DW-Kommentar.

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Ex-General Anthony Zinni gilt als robuster Vermittler. Es ist zu hoffen, dass er diesem Image diesmal deutlicher gerecht wird als bei seinem ersten Versuch Anfang Dezember. Denn bei Zinnis neuen Vermittlungsbemühungen zwischen Israelis und Palästinensern ist vor allem eines gefordert: zähes Beharren auf Positionen, die ohne Alternative sind – und eine hohe Durchsetzungskraft gegenüber jenen, die sich gegen notwendige Kompromisse sperren.

Israel wird ohne Zugeständnisse nie zur Ruhe kommen

Ohne Alternative ist zum Beispiel für Israel, Jassir Arafat wieder als legitimen Verhandlungspartner zu akzeptieren und das ihm auferlegte Reiseverbot aufzuheben. Israels rechtsgerichteter Regierungschef Ariel Scharon widerspricht sich selbst, wenn er den Palästinenserpräsidenten einerseits für "irrelevant" erklärt, andererseits aber verlangt, die Palästinenser müssten vor dem Beginn neuer Verhandlungen für eine siebentägige absolute Ruhe in den Autonomie-Gebieten sorgen. Man mag über Arafat urteilen wie man will: Aber wer sollte diese oder andere Forderungen zum derzeitigen Zeitpunkt durchsetzen, wenn nicht Jassir Arafat?

Unausweichlich ist auch ein zumindest symbolisches israelisches Entgegenkommen in Sachen Truppenrückzug. Das Thema gehört ganz klar schon jetzt auf den Tisch. Israel muss zumindest deutlicher als bisher seine Bereitschaft artikulieren, weitere besetzte Gebiete zugunsten eines späteren palästinensischen Staates zu räumen. Der Abzug aus einigen Autonomie-Städten im Vorfeld von Zinnis Besuch ist ein erster positiver Schritt. Allerdings: am Freitagmorgen (4.1.02) drangen wiederum israelische Panzerfahrzeuge in ein palästinensisches Dorf im Westjordanland ein.

Klar ist: Jeder frei gegebene Zentimeter stärkt auf palästinensischer Seite die dialogbereiten Kräfte – weitere Belagerungen und Blockaden hingegen lassen nur den Hass anwachsen. Wenn Israelis und Palästinenser künftig friedlich und in Sicherheit nebeneinander leben sollen, kann sich Israel eine Politik, die zwangsläufig kollektive Gefühle von Unterlegenheit und Demütigung verstärkt, nicht länger leisten. Außenminister Schimon Peres weiß dies. Es ist zu wünschen, dass US-Vermittler Zinni die Unausweichlichkeit von Kompromissen auch Ministerpräsident Scharon und anderen Hardlinern in der israelischen Regierung verdeutlichen kann. Große Druckmittel hat er freilich nicht.

Arafat muss Worten Taten folgen lassen

Unausweichlich sind aber auch weitere Kompromisse von Seiten der Palästinenser. Gewiss: Jassir Arafat ist in der Klemme, weil er um seine Legitimität in der Bevölkerung fürchten muss. Und er hat inzwischen ja auch schon einiges zur Eindämmung der tödlichen Terrorkommandos von Hamas, Islamischem Dschihad und anderen getan. Vielleicht hat er unter internationalem Druck erkannt: So lange Israels Bürger beim Busfahren oder Restaurantbesuch Angst haben müssen, Opfer einer Selbstmordattacke palästinensischer Extremisten zu werden, ist von der dortigen Regierung nichts als Härte zu erwarten. Das bringt die palästinensischen Anliegen nicht voran – und Arafat selbst in Schwierigkeiten.

Dennoch muss auch der Palästinenserpräsident noch mehr für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen tun. Er muss glaubwürdig seine Bereitschaft unter Beweis stellen, gewaltbereite Kräfte dauerhaft auszuschalten. Und er muss seiner Bevölkerung deutlicher als bisher klar machen, dass ein zukünftiger Palästinenserstaat seinen Preis haben wird: den Ausgleich mit Israel.

Zinni wird bei Arafat zwar weniger verbale Überzeugungsarbeit zu leisten haben als bei Scharon. Aber er wird den alten wendigen Palästinenserpräsidenten daran erinnern müssen, dass schöne Worte nur dann Vertrauen bewirken können, wenn ihnen auch entsprechende Taten folgen.

Nur die USA können den Erfolg herbeiführen

Ob Zinnis Nahost-Mission erfolgreich sein wird, darüber kann man vorab nur spekulieren. Ein Treffen von Sicherheitsvertretern beider Seiten wäre immerhin ein Achtungserfolg. Generell sind die Bedingungen besser als bei Zinnis erstem Versuch vor Weihnachten: Arafat hat für eine gewisse Beruhigung der Lage gesorgt, und Israel hat mit dem Abzug aus palästinensischen Städten ebenfalls positive Signale gesetzt. Doch die Positionen sind so gegensätzlich wie zuvor, und jederzeit könnte ein neuer Zwischenfall für neue Verhärtung sorgen. Zudem ist Scharons Forderung nach siebentägiger absoluter Ruhe eine gefährlich hohe Hürde, da sie die Friedensgegner auf palästinensischer Seite indirekt geradezu zum Bomben ermuntert.

Für einen Erfolg von Zinnis Nahost-Mission spräche immerhin das Eigeninteresse der USA: Jeder noch so kleine Durchbruch im Palästina-Konflikt würde in der arabischen Welt positiv vermerkt - und könnte den USA eine aktive Ausweitung ihres internationalen Anti-Terror-Kampfes auf Länder oder Regionen im Nahen Osten erleichtern.