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Streiten für den Frieden

Maik Meuser22. Juni 2007

Sie könnten Feinde sein - doch ein Ex-Geheimdienstler Israels und ein ehemaliger palästinensischer Minister veröffentlichen stattdessen lieber eine gemeinsame Internetzeitschrift.

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Welten trennen sie, auch wenn sie nur etwas mehr als 30 Kilometer voneinander entfernt wohnen: Yossi Alpher im Norden von Tel Aviv, sein palästinensicher Mitherausgeber Ghassan Khatib in der inoffiziellen palästinensischen Hauptstadt Ramallah. Nur selten finden sie zueinander. Denn zwischen ihnen steht der zehn Meter hohe Sicherheitszaun, der Israelis und Palästinenser trennen soll. In gewisser Weise ist die israelische Grenzpolitik so etwas wie ein Geburtshelfer für "bitterlemons.org" gewesen.

Yossi Alpher
Yossi Alpher

Die Internetzeitschrift des ehemaligen israelischen Geheimdienstmanns Alpher und des ehemaligen palästinensischen Ministers Khatib läuft nun schon seit mehr als sechs Jahren. Seit November 2001 gibt es jede Woche eine neue Ausgabe – egal ob Israel palästinensische Häuser mit Kampfhubschraubern beschießt oder Palästinenser Raketen auf israelische Siedlungen abfeuern. Jede Woche vier Meinungen zur aktuellen Situation zwischen Israelis und Palästinensern - im "Kreuzfeuer", wie der Untertitel der Seite lautet. Die Leserschaft geht inzwischen in die Hunderttausende.

Von den Siedlern bis zur Hamas

"Bitterlemons soll einen zivilisierten Austausch von Meinungen und Gedanken zwischen Israelis und Palästinensern unterstützen", erklärt Alpher. Und das Projekt versuche ein sehr weites Spektrum abzudecken, das von rechten israelischen Siedlern bis hin zu den Leuten von der Hamas reiche. Ihr Ansatz des Meinungsaustauschs zwischen Palästinensern und Israelis und zwischen den beiden Seiten und dem Rest der Welt habe natürlich etwas damit zu tun, dass die Bewegungsfreiheit durch die israelische Besatzung sehr stark eingeschränkt sei. "Palästinenser dürfen nicht nach Israel und Israelis nicht nach Palästina", sagt Khatib. "Und das hat uns zu der Idee gebracht, diese künstliche politische, aber auch physische Barriere zu überwinden, indem man moderne Technologien nutzt, wie Internet oder Email."

Bitterlemons.org hat daher auch keine Print-Ausgaben im israelischen oder palästinensischen Raum. Die Organisation funktioniert alleine mit Hilfe von Telefon und ein paar Laptops. In der Praxis sieht das dann so aus: dass Khatib und Alpher telefonieren und ein Thema für die nächste Ausgabe festlegen. Dann schreibt jeder in einem kurzen Artikel seine Meinung dazu und sucht einen zweiten Autor in seinem Land. Noch nie haben die beiden den Co-Autor des anderen abgelehnt. Die Texte sind kurz, informativ und eher subjektiv. Erst in der Summe der vier Artikel entsteht die Spannung, die jede Woche die Leser reizt.

"Egal, wie lange"

Natürlich gab es auch eine Ausgabe zum 40. Jahrestag des Sechstage-Krieges, Anfang Juni. Khatib schreibt bei dieser Gelegenheit über die israelische Besetzung des Westjordanlandes und seiner Stadt Ramallah. Die letzten 40 Jahre seien vielleicht doch nicht so lang und früher oder später werde die Besatzung ein Ende finden. "Die Palästinenser haben es geschafft, ihre absolute Ablehnung der Besatzung von Generation zu Generation weiter zu geben. Das macht uns hoffnungsvoll, dass egal wie lang die Besatzung anhält, Israel niemals Besatzung und Frieden zur gleichen Zeit genießen wird."

Yossi Alpher wendet sich an diejenigen, die sich zum Jahrestag fragen, was passiert wäre, wenn die Israelis das eroberte Land gleich zurückgegeben hätten. "Wenn wir gegenüber den Vorkommnissen von 1967 über einen anderen Gang der Geschichte spekulieren, werden wir überschwemmt von unbeantwortbaren Fragen. Vielleicht würde heute manches besser sein, vielleicht schlechter. Man kann den Uhrzeiger der Geschichte nicht zurückdrehen."

Es gab aber auch schon schlimmere Zeiten, als den emotional geladenen Jahrestag. "Ghassan und ich haben dieses Projekt schon durch weit schlimmere Zeiten geführt, als die Spannungen zwischen beiden Seiten noch stärker waren“, sagt Alpher. "Etwa auf dem Höhepunkt der Intifada, als Ramallah, wo Ghassan lebt, von israelischen Streitkräften besetzt wurde. Wir haben diese Spannungen immer überwinden können um an unserem Projekt weiterarbeiten zu können."

Doch die Arbeit habe sich in diesen Jahren nicht verändert. "Nur die Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir hatten eine Zeit in der es mehr um die politischen Entwicklungen und Verhandlungen zwischen beiden Seiten ging, aber auch Perioden, in denen es um Konfrontation, Gewalt und alle negativen Aspekte der Beziehungen zwischen beiden Israelis und Palästinensern ging.“

Von Anfang an war den beiden klar, dass sie bei den meisten wichtigen Themen nicht einer Meinung sind. Einzige Ausnahme: die Zwei-Staaten-Lösung. "Wir streiten uns über Themen wie Sicherheit, Grenzen, Flüchtlinge, Jerusalem und so weiter. Bitterlemons beruht eher auf Verschiedenheiten beruht, als auf Einverständnis", sagt Alpher. Aber genau das macht wahrscheinlich den Reiz von Bitterlemons aus. Und so finden sich ihre Texte ganz oder in Auszügen auch in anderen Publikationen. Sogar in syrischen Zeitungen.